Bruno Råberg & Phil Grenadier Duo, Plunge

Bruno Råberg & Phil Grenadier Duo, Plunge

B

Orbis Music

Die Welt der Töne und Klangwolken steht im Mittelpunkt der Improvisationen des Duos, die uns nicht nur im Zug nach Sevilla mitnehmen, sondern außerdem nach Fernost, man denke dabei an Titel wie „Seiryuu-Azure Dragon“ oder „ Ouryu-Yellow Dragon“. Das sind drei von insgesamt 19 Titel, die das Duo eingespielt hat. Mit „Reveille“, dem Signalton, mit dem beim Militär üblicherweise geweckt wird, beginnt der musikalische Reigen, der mit “Being and Time“ sein Ende findet.


Wer bei den schrillen Schreien, die Phil Grenadier seiner Trompete entlockt, nicht aus den Federn fällt, der muss den Schlaf der Gerechten schlafen. „Aufstehen“ wird klar und deutlich signalisiert. Was ist das denn? „Im Zug nach Sevilla“ begleitet uns, so scheint es, ein kleines Orchester. Liegt es vielleicht am eingesetzten Delay oder leichtem Hall? Jedenfalls klingt es nicht so, als wäre nur ein Trompeter zugegen. Der Bass ist begleitend sehr rhythmisch unterwegs. Dabei darf man nicht überhören, dass Harmonien und Melodie den Einfluss von Bebop und Hard Bop nicht verleugnen können. Imitiert der Bass da nicht den über die Gleisanschlüsse ratternden Zug? Die Trompete macht gar den Eindruck, als handele es sich um eine alte Dampflok, die den Zug nach Sevilla zieht. Das ist jedoch nur ein kurzer Moment.

Kurz sind die Impressionen, die uns das Duo aus Fernost mitgebracht hat, ob den „Weißen Tiger“ oder den „Gelben Drachen“. Hört man die Stücke 2 bis 7 auf der vorliegenden Einspielung, dann muss man an musikalische Skizzen denken, an kurze Klangsplitter und Tonschnipsel. Bei „Suzuka – Vermillion Bird“ schnattert tatsächlich ein Vogel, so hat man den Eindruck. Doch bei „Suzuka“ handelt es sich um ein für den Daoismus wichtiges Symbol. Der Titel „Black Tortoise“, der folgt, lässt vielleicht daran denken, dass wir uns musikalisch unter Wasser begeben und den bedächtigen Schwimmbewegungen des gepanzerten Reptils folgen. Nein, das ist völlig falsch: „Black Tortoise“ bezeichnet eines der vier Symbole der chinesischen Konstellation. Die schwarze Schildkröte, zumeist mit einer Schlange gemeinsam abgebildet, steht für Norden und zugleich auch für Winter.

Mit „Lonely Woman“ wurde in das Album ein Titel aufgenommen, der einige Minuten dauert, ganz im Gegensatz zu dem kleinen und musikalisch kurzen Abstecher in die fernöstliche Philosophie, die uns mit „Black Tortoise“ und „Yellow Dragon“ ein wenig näher gebracht wird. Oh, sind es Walgesänge zu Beginn, die da mittels Trompete evoziert werden? Ein konstantes Brummen liegt zudem unter dem nachfolgenden Tötäta der Trompete. Im Hintergrund hört man den Bass agieren. Wellenförmig ist der Klangteppich, den wir vernehmen. Hört man die übereinandergelegten Trompetensequenzen, so muss man davon ausgehen, dass mit Loops gearbeitet wurde, um die „einsame Frau“ klanglich einzufangen. Mal ehrlich, wäre „Meerjungfrau“ nicht auch ein passender Titel für diese Komposition, bei der man denkt, man werde unter Wasser Ohrenzeuge der Kommunikation zwischen Walen, Delfinen oder auch Riff-Bewohnern?

Dass der Bass auch ein Rhythmusinstrument ist und einem Schlagwerk dank seines voluminösen Korpus die Stirn bieten kann, wenn man auf ihm herumtrommelt, unterstreicht der Beginn des nächsten Stücks, betitelt „Heartwood“. Nein, es geht hier nicht um Kerbholz, sondern um Kernholz, um die dunkle Kernschicht eines Baumstammes. Hört man dem Getrommel zu, so denkt man an eine Invasion von Käfern, die sich auch im Bauminneren zu schaffen machen, so wie der Holzbock. Klappert da nicht jemand auf dem Messing der Trompete oder sind es Klangschalen? Hm, in der Besetzung ist zwar kein Schlagwerk aufgeführt, aber irgendwoher müssen ja die rhythmischen Beimischungen kommen. Spitz und schrill sind die von Pausen unterbrochenen Schreie der Trompete im weiteren Fortgang des Stücks. Getrommel, Getrommel und Geschreie; gezupfte und gestrichene Basssaiten verbreiten eigenwillige Klangvariationen zu den spitzen Trompetenschreien. Wie muss eigentlich eine „Sand Clock“ klingen? Wie fängt man das Rieseln der Zeit ein? Diese Fragen stellen sich bei dem gleichnamigen Stück. Die beiden Musiker haben diese Fragen auf ihre Weise gelöst, mit einem weichen Tieftöner, der sich in einem ostinaten Modus bewegt und sich mit einem Schrilltöner austauscht.

Zum Schluss sei noch sehr kurz auf „Being and Time“ eingegangen. Dabei ist wie auch in anderen Stücken des Albums offensichtlich, dass es weniger um die Suche nach der Melodie geht, sondern um vielfältige Klangerscheinungen. Das hat einen ganz besonderen Reiz, vor allem für diejenigen, die auf Improvisationen und auf Neue Musik stehen, Ihnen sei das Album wärmstens ans Herz gelegt.

Text: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

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Bruno Råberg
http://www.brunoraberg.com/

Phil Grenadier
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