Bram Stadhouders & Big Barrell Organ Rhapsody

Bram Stadhouders & Big Barrell Organ Rhapsody

B

Challenge Records

Eine E-Gitarre trifft auf ein mechanisches Musikinstrument, eine große Drehorgel namens Rhapsody – das ist die Besonderheit des vorliegenden Projekts. Stadthouders ist wohl der erste Gitarrist, der eine sogenannte Tanzorgel zum Klingen bringt, ausgehend von seiner Gitarre, einem Laptop und MIDI. Dabei sind die Stücke, die auf dem vorliegenden Album zu hören sind, improvisiert. Ausnahmen sind lediglich „Papaver“ und „Heron“.

Die Geschichte von mechanischen Musikinstrumenten geht auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Sie wurden damals sehr populär und verdrängten Tanzkapellen, die live spielten. In Cafés, in Ballsälen und auf der Kirmes waren sie vertreten, um das Publikum zu unterhalten. Bisweilen fanden sich mechanische Musikinstrumente auch in wohlhabenden bürgerlichen Haushalten. Zwischen 1910 und 1930 verzeichneten vor allem Tanzorgeln eine große Nachfrage. Neben Orgelpfeifen waren derartige mechanische Musikinstrumente auch mit anderen Instrumenten wie Saxofonen, Akkordeons und Schlagwerken ausgestattet, konnte somit ein kleines Tanzorchester spielend ersetzen.

Doch spätestens mit dem Aufkommen der Jukebox war es mit der Tanzorgelherrlichkeit vorbei. Sie wurden zu Sammlerstücken und  verschwanden in Museen wie dem Museum für Mechanische Musikinstrumente im Schloss Bruchsal (Baden-Württemberg).

Der sehr umtriebige Gitarrist Bram Stadhouders spielte unter anderem auf der Orgel “The Busy Drone” im Orgelpark Amsterdam. Er stellte dabei fest, dass die noch im Einsatz befindlichen Orgeln nun alle mit MIDI arbeiten. So kann man sie auch mit jedem Instrument steuern, dass MIDI aussenden kann. Nachfolgend ging er auf die Suche nach einer transportablem Orgel. Im Süden Hollands fand er „The Rhapsody“, sieben Meter lang, fünf Meter hoch und ausgestattet mit mehr als 800 Pfeifen, 12 Perkussionsinstrumenten und zwei Akkordeons. Welch ein Klangkörper. O-Ton Bram Stadthouders: “When composing contemporary music for these organs, you hear totally unique sounds, a mix between electronic and acoustic sounds. The danceorgan is really the first synthesizer. The way we choose sounds on any synthesizer is derived from the barrel organ.”

Und nun begann Stadhouders musikalisches Abenteuer, das nun auch öffentlich dokumentiert ist. Zu hören sind auf dem aktuellen Album zu Beginn „Arison“ gefolgt von „Papaver“ und „Ktesibios“. Den Abschluss der musikalischen Abenteuerreise zwischen Mechanik und High Tech bilden Stücke wie „Syrinx“, „Uitlatklep“ und „Aboense“.

Insgesamt entsteht der Höreindruck, einer intensiven Melange von Gitarre und Tanzorgel. Nachklingende Tonsegmente sind der Orgel zuzuordnen, die auch durchaus Flöten imitieren kann. Weich ist dagegen die Klangreihe der Gitarre, die in einen Dialog mit der Orgel eintritt. Diese sorgt für einen vibrierenden Unterbau, über den sich die Saiten-Klänge legen. Durchaus auch mal kurz angezupfte Saiten schwingen dabei wie in „Arison“ mit. Wie rasant dahinziehende Klangwolken mutet an, was wir als Hörerlebnis mitnehmen können. Perkussives ist im Hintergrund wahrnehmbar. Beinahe an eine Kirchenorgel erinnert das Klangvolumen der Tanzorgel. Stets kristallklare Klangschemen setzt Bram Stadhouders dem wabernden Orgelklang gegenüber.   Nach einem Tänzchen klingt das alles nicht, sondern nach einem Klanggemälde mit vielen Farbtupfern, so wie wir es von den Pointillisten her kennen. Erinnerungen an einen Kirmes-Besuch werden wach. Auch an die Musik, die bei Zirkusvorstellungen erklingt, werden die Zuhörer erinnert. Nein, an Jimmy Smith und seine B3 erinnert nichts. Stadthouders lässt uns in ganz anderen Fahrwasser zwischen Digitalem und Analogem eintauchen.

Crossover und Jazz Rock kommt dem Hörer in den Sinn, wenn „Papaver“ erklingt. Schnell gesetzte Läufe sind zu vernehmen. Ein Klangmeer breitet sich dank der Tanzorgel aus. Dazu gesellt sich ein „Arpeggio“ der Gitarre. Stromschnellen in Klangform gleicht das, was wir im weiteren vernehmen. Hier und da bilden sich auch kleine Klangstrudel, derweil die Orgel suggeriert, dass alles kontinuierlich dahinfließt. Folgen wir Bram Stadhouders in seinem Spiel, so müssen wir an Papierschiffchen denken, die Kinder auf einem dahin rinnenden Bach treiben lassen. Aber auch das ist vorhanden: Pfeifenrauschen trifft auf Saiten-Umspielungen. Glöckchen vermeint man, klingen zu hören. Klarer Diskant trifft auf Klangwaben der Orgel.

Ein wenig folkloristisch, zumindest an eine Liedform angelehnt, scheint „Ktesibios“. Mit sehr schmeichlerischen Melodielinien wartet Bram Stadhouders auf. Beinahe meint man, dass der Gitarrist sich nach und nach in einem Jubelgesang verliert. Zwischendrin gibt es kurze Momente, in denen man an ein Kirchenlied erinnert wird, was sicherlich auch dem vollen Orgelklang geschuldet ist. Und auch Anmutungen eines Lullaby scheinen durchaus vorhanden zu sein. Immer wieder werden allerdings derartige Strukturen aufgebrochen, auch durch das Einweben von feinen Basslinien und einem „Flug des Albatros“, auf den uns die Gitarre mitnimmt.

Zu den Stücken auf dem Album gehört auch „Heron“ („Reiher“): Schon bei den ersten Klangschraffuren werden wir wie auf einem fliegenden Teppich durch die Lüfte getragen, steigen auf und ab, gleiten dahin, wie Ikarus fliegend, aber nicht stürzend. Dabei mischen sich Orgel- und Gitarrenklang harmonisch, vernimmt man ein Orgel-Brausen unter den feinen Webstrukturen der Gitarre. Immer weiter geht es, immer weiter. Die Frage ist, wo werden wir enden? Im verhaltenen Crescendo sind wir gefangen, ehe ein „perlendes Spiel“ zu vernehmen ist. Kurze Pausen unterbrechen den Klangfluss und manchmal schweigt auch die Orgel, um sich erneut wortreich zu äußern. „Glasstäbchen“ scheinen zu fallen. Dominant ist jedoch nach wie vor die Klangfarbe der Gitarre, die ungebrochene Weite vermittelt.

Zum Schluss noch ein Wort zu „Aboense“: Oh, sind da Akkordeons zu hören?Ein Gitarrenpling und -plong gibt es außerdem. Rockig geht es her. Der eine oder andere mag an Alan Parsons Project oder Pink Floyd denken, derweil er zuhört. Kirmesorgel und Gitarre tanzen und erlauben einen Hochgenuss bis zum Ende.

Sicherlich nicht mit der Absicht konzipiert, Musik für Kontemplation und Tiefenentspannung zu sein, erfüllt das „Opus“ von Bram Stadhouders dennoch alles, was einer Meditation und inneren Einkehr förderlich ist. Von New-Age-Musik ist allerdings keinesfalls zu reden!!!

Text: © ferdinand dupuis-panther – Der Text ist nicht Public Commons!


Informationen

www.challengerecords.com
www.bramstadhouders.nl


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