Jan Prax: lnterview mit dem Saxofonisten, August 2018





Anlässlich eines Open-Air-Sommerkonzerts im Hofgarten in Düsseldorf hatte ich die Gelegenheit, Jan Prax vor mein Mikrofon zu bekommen. Doch ehe das Frage-Antwort-Spiel beginnt, noch ein paar Worte zur Vita des aus Süddeutschland stammenden Saxofonisten: Ausgebildet am Badischen Konservatorium, unter anderem von Lehrern wie dem Saxofonisten Peter Lehel, arbeitet Prax aktuell an seinem Master-Abschluss. Zwischenzeitlich war er zu Studienzwecken am weltberühmten Berklee College of Music in Boston und gewann nicht nur den Preis der Leverkusener Jazztage, sondern auch den Stuttgart Jazz Open-Playground und den Preis auf dem Jazznachwuchsfestival Leipzig. 2014 erhielt das Quartett um Jan Prax den Sparda Jazz Award. Ein Jahr später konnte er den dritten Preis der Made in New York Jazz Competition gewinnen.



Ist es eigentlich aus deiner Sicht essenziell, ,Jazz besessene" Eltern zu haben, um einmal Jazzmusiker zu werden?

JP: Ich glaube, es hilft auf jeden Fall. Ich unterrichte auch und dann merkt man schon, welche Kinder schon mit Musik in Berührung gekommen sind und welche noch nie damit etwas zu tun hatten. Mein Vater war zum Beispiel Professor für Klavier in Polen. Es war schon, seit ich auf der Welt bin, Musik im Haus, aller Art. Mein Vater hat auch Jazz geliebt. Irgendwann bin ich aus Neugier auf seine Jazzplatten gestoßen und habe mir diese Musik angehört. Bis dahin hatte ich klassisches Klavier gespielt. Dann wollte ich mehr über Jazz lernen.


Kannst du dich an die Platten erinnern, die dir in die Hände gefallen sind?

JP: Eine war von Art Tatum. Und dann gab es ein Compilation-Album, das „Trane's Blues“ hieß;  John Coltrane und Miles Davis sowie deren frühere Werke wie „Sweet Sue, Just You“ aus dem Jahr 1956.


Jazz war mithin eine Erfahrung, die du schon in Kindertagen gemacht hast. Was war das Faszinierende an dieser Musik?

JP: Ich glaube, es waren die Harmonien, die mich angesprochen haben. Eigentlich gibt es im Jazz harmonisch nicht so viel Neues. Dass es aber im Jazz so anders eingesetzt wird, hat mich sofort gefangen genommen. Es klang so hip, wie Monk da so über den Beat herumschiebt. Ich fand die Zusammensetzung von Rhythmus, Harmonie und Improvisation extrem elektrisierend.


Kannst du dich an das erste Jazzalbum erinnern, das du gehört oder gekauft hast? Und, wenn ja, warum gerade dieses Album?

JP: Ich glaube, ich habe mir dann irgendein John-Coltrane-Album gekauft. Bei John Coltrane war ich gleich von Beginn an von den Socken. Das war der erste Saxofonist, den ich so wahrgenommen habe. Seitdem war ich dann immer auf dem „Coltrane-Film“!


Hat das Saxofon dich gefunden oder du das Saxofon? Oder war es ein Zufall? Du hast ja mit dem Klavierspielen angefangen und hättest ja auch in die Fußstapfen von Monk oder Garner treten können. Wie kam es also dazu?

JP: Durch die Hörerfahrungen der Alben von John Coltrane und Miles Davis, auch weil es so etwas Neues war, eine neue Klangästhetik, die ich bis zu dem Zeitpunkt noch nicht so richtig wahrgenommen hatte. Klavier klang immer noch nach Klavier, aber Saxofon war sehr sehr individuell. Ich finde, dass man mit dem Saxofon die Farben variieren kann. Das hat mich bewogen, mit dem Saxofonspiel anzufangen.



Ist Jazz ohne Saxofon eigentlich denkbar oder gilt die Gleichung „Saxofon gleich Jazz gleich Saxofon“, obgleich das sein Erfinder gar nicht im Sinn haben konnte? Doch das Saxofon ist wohl das dominierende und dominante Instrument im Jazz geworden.

JP: Immer wenn man an Jazz denkt, dann sieht man ein Logo mit einem Saxofon vor sich. Es ist omnipräsent. Ich denke halt, dass das Saxofon mehr Freiheiten der klanglichen Gestaltung zulässt als ein anderes Instrument. Ein Klavier klingt mehr oder weniger immer nach Klavier, außer man experimentiert und spielt an einem präparierten Flügel. Saxofon kann sehr sehr individuell sein. Es hat viele klangliche Möglichkeiten. Es reizt, seine eigene Stimme, auf dem Instrument zu finden.


Wie kam es zur Wahl der hochtönigen Saxofone, Alt- und Sopransaxofon?

JP: Ich habe mit dem Altsaxofon angefangen und bin dann für ein, zwei Jahre zum Tenorsaxofon gewechselt. Ich fand es aber für mich ein wenig zu tief. Ich fand auch, dass das Instrument für mich zu groß war. Danach bin ich wieder auf das Altsaxofon umgestiegen. Für mich hat es dann sehr lange gedauert, bis ich auf dem Altsaxofon einen Ton entwickelt hatte, der mir gefällt. Das war für mich wesentlich einfacher auf dem Tenorsaxofon. Das Altsaxofon klang anfänglich dünn und ein bisschen spitz. Es war nicht einfach, den volleren Ton zu entwickeln. Jetzt genieße ich es, über der Band zu sein, sein zu können. Ich mag es, Statements über einen Klangteppich zu setzen. Das kann ich mit dem Sopransaxofon bei einem eher rhythmischen Klang.


Gibt es außer Coltrane Vorbilder?Ich nenne mal die sogenannten Giganten des Jazz wie Desmond, Mulligan, Cannonball Adderley und … und … .

JP: Die sind sehr wichtig. Das betrifft vor allem deren Spirit und die Spielfreude von Miles Davis, Coltrane, Monk und Red Garland, Charlie Parker … . Eigentlich sind alle von den großen Musikern für mich wichtig. Von denen kam der erste Anreiz für mein Spiel. Wenn ich merke, dass ich nicht so richtige Spielfreude habe, gehe ich zu den „Giganten des Jazz“ zurück, um diese Spielfreude zu finden.


Die Amerikaner reklamieren ja den Jazz für sich. Siehst du einen eigenen europäischen Weg im Jazz? Wenn ja, in welcher Weise unterscheidet der sich vom amerikanischen Weg?

JP: Heute gibt es eine Vielzahl von Strömungen. In Europa hat sich so eine Art Eigendynamik entwickelt. Ich denke dabei an Norwegen oder Skandinavien generell. Musiker von dort haben schon eine eigenständige Klangsprache entwickelt, die nicht so viel mit dem amerikanischen Jazz zu tun hat. Diese Klangsprache ist nicht so perkussiv, nicht so afro-amerikanisch. Auch in Deutschland, in Köln, kann man sehen, dass es Leute mit eigenem Klangausdruck gibt. Man denke mal an Michael Wollny oder Pablo Held.



Unlängst stieß ich auf ein Album mit dem Titel „Tschüss Jazz era". Ist die Ära des Jazz vorbei, weil es ja über Jahrzehnte keine wirklich neue stilistische Entwicklung gegeben hat?

JP: Wenn man an die „Goldene Zeit“ des Jazz denkt, sind das die 50er und 60er Jahre. Die Platten sind alle geil. Da kann man nicht viel falsch machen, egal welche man auswählt. Nach den 80ern gibt es eigentlich so ziemlich alles, alles parallel. In den 90ern kamen dann die Neotraditionalisten auf, so Joshua Redman oder Roy Hargrove, die die Ästhetik der 50ger und 60ger Jahre wieder richtig populär gemacht haben. Ich denke, dass heutzutage viele Musiker alle Energie in die Entwicklung neuer Ideen stecken. Wer macht denn wirklich etwas Neues? Ich denke an Robert Glasper mit seinen Jazz- und Hip-Hop-Experimenten. Es gibt immer noch Leute, die kreative Ideen haben, aber man muss länger suchen.


Zum Schluss eine Frage zu deinem Album „Ascending“: Ist ,,Catching the Trane“ eine Hommage an Coltrane?

JP: Als ich das Stück geschrieben habe, habe ich gar nicht daran gedacht. Als ich mir einen Titel einfallen lassen musste, habe ich einfach mal das „Live at the Village Vanguard“-Album angehört. Auf diesen gibt es „Chasin' the Trane“ mit dem Blues, über den sie ewig spielen. Dann habe ich gedacht, okay „Catching the Trane“!


Zurzeit arbeitest du an einem Album mit einer Duo-Formation. Könntest du dazu noch ein paar Worte verlieren.

JP: Die Idee ist entstanden, weil ich für meinen Master-Abschluss eine CD produzieren muss. So haben Martin Sörös (Anm. der Pianist in Jan Prax 4tet) und ich das schnell organisiert. Ich habe noch ein neues Stück geschrieben und wir haben das Album mit zehn Stücken in vier Stunden eingespielt und aufgenommen. Glück gehabt, es lief auch gut. (kurzer Lacher!) Das meiste sind Standards, die wir gerne spielen wollten, und auch einige eigene Stücke, darunter auch solche, die wir im Quartett spielen.


Ich danke für das Gespräch.

Interview und Fotos: © ferdinand dupuis-panther – Die Fotos sind nicht public commons!





lnformationen

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Review Concert

https://www.jazzhalo.be/reviews/concert-reviews/amants-de-lulu-und-jan-prax-4tet-im-hofgarten/

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https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/j/jan-prax-4tet-ascending/





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