Felix Falk und Matti Klein: Gespräch mit den beiden Bandmitgliedern von Mo'blow

Den Schlussakkord der Jazztage Emsdetten 2015 bestritten die Berliner Funk-Jazzer von Mo’Blow, die auf den Leverkusener Jazztagen ebenso zu hören waren wie auf dem Borneo Jazzfestival im fernen Malaysia. Sie selbst bezeichnen sich gar nicht als Jazzmusiker, auch wenn sie ab und zu einige schräge Töne anspielen. Soul und Funk scheinen vielmehr ihre Welt. Mo'Blow das sind der Drummer André Seidel, der Saxofonist und Perkussionist Felix F. Falk, der Keyboarder Matti Klein und der Bassist Tobias Fleischer. Sie bilden ein Jazzfunk-Quartett, das beim Label ACT unter Vertrag steht.

Bei den Stücken der Band groovt und swingt es, ob bei 'Papa's Pancakes' oder bei 'Gimme The Boots', bei dessen Live Performance die Zuhörer zum Mitsingen des Refrains aufgefordert werden. Ob das, was Mo'Blow spielt, im engeren Sinne wirklich Jazz ist oder nicht, ist für viele begeisterte Zuhörer dieser Band wohl nicht die entscheidende Frage.

Funk Jazz ist, daran sei an dieser Stelle auch kurz erinnert, ist ein Stil aus den 1970er und 1980er Jahren, der aufs Engste mit den Musikern Les McCann und Eddie Harris in Verbindung zu bringen ist. Legendär ist deren „Compared to what. Ob sich die vier Jungs aus Berlin vielleicht von diesen Funk-Granden eine Scheibe abgeschaut haben, wer weiß es? Oder stand gar Ramsey Emmanuel Lewis bei den diversen Kompositionen des Quartetts heimlich Pate? Mo'Blow sind aus meiner Sicht musikalisch gewiss als deren Enkel anzusehen, wenn auch vor allem Felix Falk mit seinen Slap-Sounds auf dem Saxofon ganz andere Töne anstimmt als die, die wir von Les McCanns Saxofonisten Eddie Harris zu hören bekommen. Gewiss ist jedoch, dass „Call Me Milroy“ und „Gimme The Boots“ von Mo'Blow den Zuhörern in Kopf und Beine gehen.


Zunächst mal zum Namen der Band: Woher kam die Idee zum Namen und was bedeutet für Euch der Begriff 'Mo'Blow' eigentlich?

F. F.: Die Band gibt es seit sieben Jahren unter dem Namen. Wir haben, bevor die erste CD gemacht worden ist, gesagt, wir geben der Band einen neuen Namen, um deutlich zu machen, dass wir mit dieser Besetzung quasi neu anfangen. Mo'Blow – ja „Mo'“ ist die Abkürzung von „more“ und zusammen mit „Blow“ kann das ganz unterschiedliche assoziative Sachen bedeuten, wie Energie, Explosion, Kraft. Und natürlich ist das auch eine Anleihe an die verschiedenen Blasinstrumente, die ich spiele. Der Name soll Assoziationsraum bieten, um alles Mögliche hineinzudenken, was uns als Band ausmacht.

Ihr spielt in einem Quartett in der Besetzung Saxofone, Keyboard, Drums und Bass. Was zeichnet dieses Quartett gegenüber anderen besonders aus? Warum habt Ihr Euch entschieden, keinen größeren Bläsersatz aufzuladen?

M. K.: Es ist historisch gewachsen. Auch die Vorgängerformation war ein Quartett. Allerdings gab es da noch einen Gitarristen und auch Keyboardsounds in der Band. Wir haben uns dann entschieden, dass wir das Soundkonzept konsequent reduzieren wollen. Ohne Gitarre und Keyboards beinhaltet das gerade für meinen Part - Fender Rhodes – viel mehr Freiheiten und ermöglicht, einen speziellen Bandsound zu kreieren, den man im Funk sonst vielleicht so nicht findet, weil die Gitarre im Funk sonst ja eine sehr tragende Rolle einnimmt. Dass nun nicht mehr Blasinstrumente vorhanden sind, liegt daran, dass Felix genug Präsenz hat, und wir die Abwechslung, die man mit mehreren Bläsern hätte, nicht so sehr brauchen. Felix spielt ja schon drei verschiedene Saxofone und Didgeridoo. Durch die Reduktion entsteht auch da wieder etwas Spezielles, weil dann Felix Raum bekommt, um mit Delays zu arbeiten oder mit einer Loop-Station einen Bläsersatz einzuspielen.

F. F.: Dadurch entsteht auch ein besonderer Sound, weil Matti und ich ganz oft den Effekt der durch einen Bläsersatz erzeugten fetten Riffs in das Duett von Saxofon und Fender Rhodes übertragen. Viele Melodien sind dann akkordisch gedoppelt. Außerdem wird der Bass mit einem Plektron gespielt, was man normalerweise von der Gitarre kennt. Alles das führt zu einem Sound, den man vielleicht nicht jeden Tag so hört.

Wie seid Ihr auf Funk, Funk Rock oder Fusion gekommen und wie verlief die Entwicklung dorthin?

F. F.: Das Rhythmische, das Groovige und das Funkige – das stammt schon von mir, weil ich die Band gegründet habe, mir meine Bandkollegen gesucht habe und anfangs auch die Kompositionen allein geschrieben habe. Bei mir zieht sich diese Art der Musik durch mein ganzes Leben. Wenn ich an die Musik denke, die ich als Kind gerne gemocht habe, dann fallen mir selbst Titel auf meinen Kinder-CDs ein, die besonders rhythmisch sind. Also liegt Funk mir wirklich im Blut. Als Matti, André und Tobias dazugekommen sind, war es sehr wichtig, dass alle drei eine starke Verbindung zu rhythmischer Musik haben. Jeder hatte aber auch seine eigene Vorgeschichte, Matti den klassischen Jazz, Tobias die Weltmusik und afrikanische Rhythmen sowie André Pop- und elektronische Musik. So wurden Einflüsse mitgebracht, die sich in unserer Musik nun auch wiederfinden. Man kann also nicht sagen, das ist Funk oder das ist das. Wir bringen unsere unterschiedlichen Einflüsse ein und machen zum Schluss schlicht das, was uns Spaß macht. Einen guten Groove muss es aber immer haben.

Wenn man so 17 oder 18 ist, hört man eine bestimmte Musik. War das bei Euch auch die Musik, die Ihr jetzt spielt oder etwas total anderes?

M. K.: Das ist grundsätzlich auch andere Musik gewesen. Ich habe Maceo Parker gehört, aber ich habe auch ein besonderes Faible für die Jazzer Keith Jarrett und Michel Petrucciani. Ich habe früher auch Stevie Wonder viel gehört oder Soul von James Brown. Man kann nicht sagen, dass man nur die Musik macht, die man selbst hört. Dazu ist der Horizont von Musikern sehr viel größer. Das geht bis zu elektronischer Musik, dann auch zur Weltmusik, die Felix angesprochen hat. Es existieren halt viele Einflüsse. Ich spiele ja auch Klassik. Das Spektrum ist sehr viel größer, als das, was wir gemeinsam machen. Man muss aber eine Auswahl treffen, um einen klaren Bandsound zu kreieren.

F. F.: ... und man braucht einen Nukleus, wo sich alle vier finden. Jeder macht ja auch noch ein paar andere Projekte, die in anderen Genres liegen. Das Schöne am Jazz ist doch, dass es einen Nukleus gibt, wo sich alle finden können, selbst wenn das jeweilige Spektrum noch ganz andere Facetten hat. Ich habe angefangen das zu komponieren, was mir aus der Feder fließt. Und über die Jahre haben wir dann irgendwann begonnen, die Songs und unsere Musik gemeinsam weiterzuentwickeln.

 

Würdet Ihr meinen, dass Ihr eine Dancefloor-Band seid?

Beide: Nein!

M. K.: Das kann man nicht so sagen. Es ist oftmals ein Missverständnis, dass, wenn man 'funky music' spielt, sie auch tanzbar sein muss. Wir haben von 17/8 bis 11/4 und bis 7/8 so viele ungerade Metren im Repertoire. Da verknotet man sich manchmal eher die Beine, als dass man dazu easy tanzen kann.

F. F.: Obwohl wir auch Nummern haben, zu denen man zweifelsfrei tanzen kann. Es gibt für uns nicht nur eine Dancefloor-Band oder eine konzertante Band. Wir sind mittendrin. Unsere Dramaturgie am Abend entwickelt sich auch von konzertanteren Stücken hin zu Stücken, bei denen die Leute aufstehen und mittanzen. Da bieten wir ein ganzes Spektrum und lassen uns dadurch eher schwer auf nur einen Begriff festnageln.

M. K.: Das brauchen wir auch, um aus den Instrumenten alles herausholen. Mal spiele ich eine ganz zarte Ballade, die so ähnlich wie bei Brad Mehldau introvertiert daherkommt. Zehn Minuten später hämmere ich mit den Fäusten auf der Tastatur rum, und es sind fast schon Anleihen beim Free Jazz, die da mitschwingen. Wenn wir einen Begriff wie Dancefloor-Band wählten, würden uns das diese Vielfalt vielleicht nehmen.

 

Jazz scheint ja nur in einer Nische zu existieren und von vielen als sehr verkopfte Musik angesehen zu werden.

F. F.: Da muss ich widersprechen. Wir greifen als Band mit vollen Händen in den Jazz, weil wir den so frei definieren, wie er eigentlich auch gemeint ist. Jazz kann ja soviel sein. Für uns bedeutet Jazz, uns frei auszudrücken, möglichst wenig Begrenzung zu haben und das mit einer auch nachvollziehbaren Musik zu kombinieren. Es kann sein, dass Bass und Schlagzeug ein sehr grooviges Fundament hinlegen, und Matti in abgefahrener Jazzsprache darüber improvisiert. Trotzdem passt es zusammen. Es ist ja kein Widerspruch. Nur wenn man Jazz sehr eng denkt, sehr im Sinne von Old School, dann bekommt man die Diskussion darüber, ob das denn noch jemand hört und immer weniger zu Jazzkonzerten gehen. Die neuen Entwicklungen in Berlin und im europäischen Jazz sind aufregend, auch für junge Fans und ganz neue Hörerschichten.

 

Seht Ihr denn Eure Wurzeln in der afroamerikanischen Jazzmusik?

M. K.:Ja, kann ich ganz klar bejahen.

F. F.: Das, was man am Anfang lernt, ist auf den afroamerikanischen Jazz bezogen. Später, wenn man beginnt, in der Szene zu spielen, merkt man, dass der deutsche und der europäische Jazz ganz viel dazu getan haben, womit wir ganz selbstbewusst umgehen. Ohne das Fundament afroamerikanischer Musik zu verleugnen, selbstbewusst eine eigene Musik zu entwickeln – das ist das, was gegenwärtig geschieht.

 

Ihr habt Euer aktuelles CD-Projekt „Gimme The Boots“ genannt? Woher kam die Idee für den Titel?

M. K. Der Titel ist tatsächlich entstanden, nachdem der Song fertig geschrieben war. Im Prozess, ein Album zu machen, braucht man irgendwann auch einen Titel für das Album. Gängigerweise ist dann ein Song aus dem Album der Albumtitel. Der Song bot sich an, weil er soviel von unseren musikalischen Elementen enthält. Er vereint die Essenz von Mo'Blow. Der Titel hat auch eine klassische Doppelbedeutung im Sinne eines reizvollen Wortspiels: Gimme the boots heißt etwa, „jemanden einen Arschtritt zu verpassen“ - das trifft auf die energetische Richtung unsrer Musik zu -, außerdem spielt der Titel auf unsere pinken Band-Schuhe an, die so etwas wie ein Markenzeichen geworden sind.

F. F.: Wir wollten auch einen griffigen Shout haben und einen Song machen, bei dem das Publikum zum Teil des Songs wird. So ist der Song entstanden, aber das ist von Song zu Song unterschiedlich. Manchmal kommt uns auch der Titel am Anfang einer Komposition. Häufig sind es auch Erlebnisse, die uns als Band inspirieren, einen Song zu schreiben.

 

Kannst Du Felix mal bezogen auf „Call Me Milroy“ erzählen, wie es zu diesem Stück gekommen ist.

F. F. „Call Me Milroy“ ist ein Song von mir, aber unterdessen schreiben auch andere Bandmitglieder Titel oder wie im Falle von „Gimme The Boots“ ist es eine Gemeinschaftsarbeit. Der Hintergrund zu „Call Me Milroy“ ist folgender: Auf osteuropäischen Festivals, wo wir unser Programm spielen, ist es gang und gäbe, dass es eine After Show Party gibt. Wir lieben es, dort noch einmal aufzutreten, spielen dann aber nicht unser klassisches Programm, sondern elektronische Musik mit unseren Instrumenten. Bei dem von mir komponierten Titel gibt es einen Teil, der sich auf diese unsere elektronische Seite bezieht. Übrigens, es gibt einen Song auf der Platte, der heißt „Til They Cut The Power“. Da geht es zum Beispiel darum, dass wir vor Jahren mal in Aachen gespielt haben und die Party so abging, dass der Vermieter des Hauses dann den kompletten Strom des Hauses am Hauptstromschalter abgestellt hat, sodass wir alle im Dunkeln standen.

 

Könntest Du, Matti, noch ein paar Worte zu Deiner Komposition „Rocket Swing“ verlieren bitte?

M. K.: Da ist der Titel nach der Vollendung der Komposition entstanden. Warum heißt der Titel so? Das Wort Swing ist im Titel enthalten, weil die Musik geshuffelt ist, so wie ein Double-Time-Swing-Stil in der Phrasierung der Melodie wie auch in den Soli. Dann ist es so, dass in der Bridge, im B-Teil, so eine klassische aus dem Swing stammende Kadenz vorhanden ist. Der Bass spielt an dieser Stelle auch eine Art Walking Bass. Durch die Beats des Schlagzeugs klingt es allerdings ganz und gar nicht nach Swing. Im dreistimmigen Saxofonsatz, den schließlich Felix einspielt, tritt dann eine Big-Band-Bläsersatzanleihe hinzu. Da es nun nicht Swing ist, dachte ich, es müsse noch etwas Feuriges in den Titel. Da musste noch etwas dazukommen, das das Ganze ad absurdum führt, daher also das mit „Rocket“.

Ich danke Euch für das Gespräch.

© Interview und Fotos ferdinand dupuis-panther

Informationen

Mo’Blow

http://www.moblow.de/d-download.htm
http://www.moblow.de/d-band.htm
http://www.moblow.de/d-music.htm
http://www.moblow.de/d-videos.htm

CD-Besprechung Gimme The Boots

http://www.jazzhalo.be/index.php?option=com_content&view=article&id=169&Itemid=59

Im Text erwähnt / mentioned in the article

Les McCann

Ramsey Lewis
http://soulmamabay.blogspot.de/2012/07/ramsey-lewis-funky-serenity.html


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