ZNAP - Boa Boa

ZNAP - Boa Boa

Z

Waschsalon Records

Nunmehr liegt das zweite Studioalbum von ZNAP vor. Aber wer oder was ist eigentlich ZNAP? Es handelt sich um den Saxofonisten und Klarinettisten Leonhard Skorupa, den Drummer Lukas Aichinger und den Kontrabassisten Gregor Aufmesser. Auf der Homepage der Band finden wir nachstehende Beschreibung: „Es verbindet sie eine kollektive Suche nach modernen und unverwechselbaren Soundlandschaften, wobei hier improvisatorische Momente und energetische Interaktionen der einzelnen Ensemblemitglieder im Vordergrund stehen. Dem Trio ist es dabei besonders wichtig einen eigenständigen kompositorischen und interpretatorischen Zugang zu entwickeln, der einerseits viel Platz für solistische Experimente zulässt, andererseits auch Spielwitz entfaltet und alle stilistischen und klanglichen Möglichkeiten dieser Besetzung radikal auslotet.“

Die musikalische Welt, aus der das Trio schöpft, lässt sich mit dem Begriff Modern Jazz am besten beschreiben. Lukas Aichinger hat die meisten Kompositionen des Albums geschrieben, ob nun das ein wenig kryptisch klingende „KDGDBW“, „Imperfections“, „Frunk Groove“, „Traum“, „Swingtuplet“ und das Schlussstück „reconciliation“. Aufhorchen lassen Titel wie „Grausig Dur“ und „Ode an die Freunderlwirtschaft“, beide aus der Feder von Gregor Aufmesser. Auch Bad Ischl, die kaiserliche Sommerresidenz von einst, erhält einen Platz auf dem Album, wenn es „Kulturhauptstadt 2024“ (Leonhard Skorupa) heißt. Für zwei Tracks hat sich das Trio Unterstützung gesucht: "Kulturhauptstadt 2024" greift auf Wolfgang Bankl als Stimmakrobat zurück und "nounison" auf Paul Urbanek an Synthesizers.

Wie das Sprudeln eines Quellgebiets hört sich an, was uns die Band mit „Genre Fluidity“ präsentiert. Dabei meint man, dass hier und da ein wenig Coltrane durchscheint. Ein false ending ist in diesen Track auch eingebaut worden. In „KDGDBW II“ findet das Eruptive einer Quelle, die stoßweise Wasser abgibt, musikalisch eine Fortsetzung. Sonor und röhrend vernehmen wir den Saxofonisten, der mit seinem Instrument einen Pogo tanzt. Im Zwischenschritt gibt es ein kurzes Solo des Drummers, ehe wir blecherne Klänge zu aufgeregtem Saxofongeschnatter ausmachen können. Ausgelassen zeigt sich der Bassist, der das paraphrasiert, was der Saxofonist thematisch als „Vorsänger“ vorgegeben hat. Ein kurzes Hallo ist zu hören und dann geht das aufgeregte Gerede weiter, dank an den Saxofonisten. Nachfolgend ist von „Sicherheitsrisiko“ die Rede. Wir hören unter anderem eine Melodielinie des Saxofonisten, die an ein Couplet erinnert, wenn auch textlos. Schellen scheppern; Sticks sausen aufs Fell. Auf und ab bewegen sich die Linien, die der Saxofonist im weiteren Verlauf zeichnet. Zwischendrin gibt es auch musikalische Anwandlungen, die an einen Marsch denken lassen, vor allem wenn man intensiv auf den Schlagzeuger achtet. Auch eine Blaskapelle sehen wir beim Hören des Stücks vor unserem geistigen Auge, wenn auch in sehr ausgedünnter Besetzung.

„Ich gelobe, der Stadt Ischl auf ewig die Treue zu halten“ hören wir zu Beginn von „Kulturhauptstadt 2024“. Danach scheinen wir einer Blaskapelle zuzuhören, die durch die Straßen marschiert, immer im Takt und in Reih und Glied. Unterstrichen wird das durch den Duktus, den der Drummer an den Tag legt. Im Fortgang meint man, Free Jazz zu erleben, begleitet von fulminantem Schlagwerk. Der gestrichene Bass versinkt danach in Wiederholungen. Der Saxofonist stimmt ein flottes Liedchen an, dessen Thema leicht nachzusummen ist. Und am Ende erhebt dann Wolfgang Bankl seine Bass-Stimme und singt vom Kaiser und vom Vaterland, von Wohlstand und Heimatland. Dabei ist ein schunkelnder Rhythmus nicht zu überhören. Gestrichene knarrende und brummende Basspassagen und eine fein gestimmte Klarinette eröffnen „Ode an die Freunderlwirtschaft“. Der Gegensatz zwischen beiden Instrumenten und deren Klangfärbungen wird im Fortgang ausgebaut. Kurz scheint auch mal ein Polkarhythmus im Raum zu sein. Volkstheater oder Volksmusik fragt man sich. Was wir hören, gleicht einer Persiflage und ist mit Augenzwinkern ausgestattet, sozusagen ein Seitenhieb auf Wirtshausmusik, oder? Bei „Grausig Dur“ meint man, Benny Goodman würde auf die Schippe genommen und auch Klezmer. Largo ist angesagt, und eine sehr elegisch ausdifferenzierte Weise wird zum Besten gegeben. Das Stück nimmt seinen weiteren Lauf, mit einer säuselnden Klarinette, die ab und an in einen Klezmer-Modus abgleitet. Spätestens dann wird deutlich, dass das Trio vor Zitaten aus der Musikgeschichte nicht zurückschreckt. „Balkan-Grooves“ werden außerdem als Teil einer Klangmelange angeboten. Sehr differenziert und aus dem bisherigen Schema fällt der Bass mit seinem Solo, auch wenn man bei diesem ebenfalls an ein flottes Tänzchen denken muss, links herum und rechts herum. In Gleichmaß verharrt der Bassist in „Imperfection“, während der Saxofonist aufgewühlt und nervös agiert, um danach in einen Habitus zu verfallen, wie wir ihn von Dexter Gordon und anderen Saxofonisten der 1960er Jahre kennen. Dabei scheint man, in das nächtliche Barleben jener Tage einzutauchen und der blauen Stunde entgegenzufiebern. „Round Midnight“ scheint hier und da gar nicht fern zu sein, oder?

„Frunk Groove“ heißt es auf dem Album. Man fragt sich, ob es ein Tippfehler ist und ZNAP eigentlich „Funk Groove“ meint. Egal, Funk im klassischen Sinne erleben wir eh nicht. Gebrochen sind die einzelnen Passagen, die aneinandergefügt worden sind. Zeitweilig ist der Saxofonist in seinem Spiel enthemmt, schnattert, geifert, ereifert sich, ist rechthaberisch. Doch am Ende zeigt er dann Gleichmaß bis zum letzten Ton. Wer bei „Swingtuplet“ Swing erwartet, tanzbaren Swing, der hat die Rechnung ohne das Trio gemacht. Nicht nur bei diesem Stück scheinen Guggenmusik und freie Impro näher als alles andere, auch wenn das Trio ja Stein und Bein auf Modern Jazz schwört. Abschließend vernehmen wir Versöhnliches, wenn „reconciliation“ erklingt, Und fürwahr, dann erleben wir Post-Modern Jazz mit durchgehend melodiöser Strukturiertheit. Was das Trio jedoch generell auszeichnet, ist das Unvorhergesehene, die rücksichtslose Bedienung bei verschiedenen Genres, das Augenzwinkern, der Mut zur Provokation und die Verarbeitung des Volkstümlichen.

© ferdinand dupuis-panther

 



Infos

https://www.leonhardskorupa.com/projects
https://www.znap.at
https://waschsalonrecords.bandcamp.com/album/boa-boa


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