PLOT - Cadenza

PLOT - Cadenza

P

WhyPlayJazz (WPJ048)

Vorhang auf für die junge Jazzszene, Vorhang auf für Sebastian Wehle (saxophone), Robert Lucaciu (double bass) und Philipp Scholz (drums), von der Besetzung her ein klassisches Saxofon-Trio. Wer auf deskriptive oder narrative Kompositionstitel gehofft hat, muss sich umorientieren. Das Trio verweigert Derartiges zwar nicht in Gänze, wählt stattdessen den Begriff der Sequenzen, also der Folgen, teilweise mit französischen Zusätzen versehen wie „la fille“, „île perdue“ und „mémoires“. Noch etwas fällt auf: Die Binnenstruktur der Sequenzen zeichnet sich durch die Kürze der Teilsegmente einer Sequenz aus. Insoweit ähnelt diese Struktur sogenannten Zwischenspielen und Miniaturen.

In der Ankündigung des Albums lesen wir: „Skizzen, Ideen und Bildfindungen in Tönen ergeben ein großes Ganzes, das kammermusikalisch anmutet, dem aber doch die improvisatorische Beseeltheit des Jazz Sinnlichkeit und Individualität einschreibt. Der Blick ist geschärft für Details, Nuancen und Differenzierungen.“

Zu Beginn des Albums vernimmt man eine Art Nebelhorn, das dichten Nebel durchdringt. So jedenfalls klingt das, was Sebastian Wehle seinem Holzbläser entlockt. Dabei scheint der sanfte Klang des Saxofons auf einem schwebenden Klangteppich gebettet zu sein. In der Sequenz C.1 vereinen sich die drei Musiker. Allerdings ist das wesentliche Klangbild vom Saxofonisten bestimmt. Dieser ergeht sich in lyrischen Passagen, die von Bassgezupfe gebrochen werden. Auch das Schlagwerk setzt Zäsuren, ehe der Saxofonist uns mit Klangturbulenzen umgarnt, die im Off entschwinden. Auch die nachfolgende Sequenz D, la fille verharrt in dem Duktus, den das Trio gleich zu Beginn verfolgt. Wer die Malerei des Symbolismus, vor allem symbolistische Ansichten von Brügge in Grau kennt, sprich eine beinahe gespenstische Ansicht des menschenleeren Stadtraums, wird eine Verbindung zum Gehörten ausmachen können und erkennen, dass der Musik auch etwas Geheimnisvolles, Aufgeladenes und Gespenstisches beiwohnt. Zugleich kann man sich Filmszenen des Cinema Noir vorstellen, die von derartiger Musik begleitet werden.

Heller Glockenklang, ein Dong-Dong, ein Fellschaben, wieder ein Dong-Dong, Fellschaben – das macht die Miniatur II.1 aus, lässt an Trommeln zu Ritualtänzen denken. Furioses und Klangüberschläge sind dann in II.2 auszumachen. Im Klangraum finden Entfesselungen statt. Doch diese Entladungen sind kurz und treffen bruchlos  auf Sequenz B1, in der der Kontrabassist mit kammermusikalischer Anlehnung den Bogen über die Saiten streicht.

Ist da nicht auch ein Vibrafon mit im Spiel, wenn wir II.3 hören? Oder ist es nur ein Xylofon, auf dessen Klangbett sich feinste Klangtröpfchen ausbreiten, dank an den Saxofonisten? An Motorenlärm bzw. Flugzeuglärm muss man bei I.4 denken, wenn der Kontrabassist den Bass sonor schwingen lässt. So drängt sich im Verlauf des Hörens der einen oder anderen der 20 Miniaturen die Vorstellung auf, dass das Trio eigentlich ein Hörspiel bzw. Collagen mit Geräuschen zusammengestellt hat.

„Séquence C, planifie passé“ vereint den tiefen sprunghaften Bassklang mit den Auf- und Abschwüngen, die der Saxofonist zelebriert. Er scheint dabei klanglich den Wechsel der Thermik einzufangen, in der Gleitschirmspringern dahinschweben. Es gibt ein Hier und ein Dort, die in disruptive Klangbilder umgesetzt werden. Weniger Kontinuum als denn Bruch scheint das Trio-Spiel zu signalisieren. Unruhe verbreitet sich im Spiel; ekstatisch geht es im weiteren Verlauf zu. Eruptives bahnt sich den Weg; dabei sind viele Beckenverwirbelungen hörbar. Sonor ist die Bassstimme als Kontrapunkt zum Saxofon, das nach hörbarer Ekstase langsam zur Mitte findet.

Zum Schluss sei noch auf „séquence A, mémoires“ eingegangen: Sehr lyrisch angelegt ist diese Sequenz, in der auch kammermusikalische Momente wahrzunehmen sind. Spielt da der Bassist tatsächlich Bass oder nicht doch Cello? Dunkle Farbschlieren auf einer Leinwand erscheinen als Bild vor dem geistigen Auge. Erdfarben und Schwarz verschmelzen miteinander.

text © ferdinand dupuis-panther


Informationen

http://www.real-live-jazz.de/musiker-einzeln/Artist/show/lucaciu.html
https://www.neue-musik-leipzig.de/lehrer-und-faecher/saxophonunterricht/sebastian-wehle/
http://www.philipp-scholz.info

https://whyplayjazz.de/


In case you LIKE us, please click here:




Foto © Leentje Arnouts
"WAGON JAZZ"
cycle d’interviews réalisées
par Georges Tonla Briquet


our partners:

Clemens Communications


 


Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse


Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée


Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant


Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon


Special thanks to our photographers:

Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte

Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper

Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein

Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre

Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten

Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden

Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner


and to our writers:

Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst