Philip Catherine: The String Project

Philip Catherine: The String Project

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ACT 9594

„Fast wäre er gar nicht geboren worden. Sein Großvater mütterlicherseits spielte die erste Violine im London Symphony Orchestra. Im April 1912 wollte Mr. Brennan mit dem Schiff nach New York fahren und hatte bereits ein Ticket für die Titanic gebucht. Aber er kam zu spät, das Schiff legte ohne ihn ab. Und so kam es, dass zunächst seine Mutter das Licht der Welt erblicken konnte, und am 27. Oktober 1942 auch er, Philip Catherine. Diese Geschichte wurde zum Mythos seiner Kindheit und damit pflanzte seine Mutter in Philip auch die Liebe zur Musik. Jetzt, mit fast 73 Jahren, konnte Philip Catherine sich den großen Wunsch erfüllen, seine Musik mit einem großen Orchester aufzuführen, dem Orchestre Royal de Chambe de Wallonie unter dem Dirigenten Frank Braley.“ So liest man es auf dem „Waschzettel“ des Labels ACT.

Vielleicht kann man das vorliegende Album als das Spätwerk von Catherine bezeichnen. Es hat durchaus „altmeisterliche Züge“, auch und gerade wegen der Melange zwischen der Combo Catherines und einem von Streichern dominierten Orchester. Mit Catherine sind auf der aktuellen Einspielung folgende Musiker zu hören: Nicola Andrioli (piano), Nicolas Fiszman (acoustic guitar & electric bass), Philippe Aerts (double bass) und

Hans Van Oosterhout (drums). Alle sind langjährige Weggefährten von Catherine. Sie traten nun im legendären Flagey (Brüssel) gemeinsam mit dem Orchestre Royal de Chambre de Wallonie (ORCW) unter der Leitung von Frank Braley auf. Dieser Auftritt wurde live mitgeschnitten und liegt jetzt als Album vor. Zwölf Komposition, davon elf von Catherine, sind zu hören, angefangen bei „Philip à Paris“ und endend mit „Pendulum“.

Nach einer kurzen, dramatischen Einleitung, die in den Händen der Streicher des Orchesters liegt, schweben die Streichersequenzen durch den Raum, über die sich die Klangfolgen legen, die Catherine seiner Gitarre entlockt. So klingt also „Philip in Paris“, ein wenig melodramatisch, ein wenig melancholisch und eher an die Musik des europäischen Nordens, also an Grieg und Sibelius, angelehnt. Dabei bestimmen die Streicher weitgehend die Hörfarben und akustischen Farbverläufe. Nachfolgend entführen uns die Musiker in die Toskana. Dabei ist nichts von einem ausgelassenen Leben auf der Piazza von Volterra, Siena oder anderswo zu spüren. Kammermusikalisches und Getragenes dominieren, wenn uns Catherine auf seine (herbstliche) Exkursion in die bei vielen Deutschen so beliebte Toskana mitnimmt. Lebensfreude und südliche Sonne hören sich allerdings anders an. Irgendwie drängt sich der Eindruck auf, es ginge Catherine um die Verarbeitung der Vergangenheit, der verflossenen Erinnerungen. Sentimental erscheint das, was wir hören. Wie bei der ersten Komposition muss man konstatieren, dass sich zwischen Orchester und Catherines Ensemble nicht wirklich ein aufregender Dialog entwickelt. Versucht man die Musik ins Bildhafte umzusetzen, so klingt es so, als würde man Augenzeuge eines symphonischen Wasserlichtspiels sein. Die Streicher sind dabei die im steten Schwall sprudelnden kleinen Fontänen, in deren Mitte sich Catherine befindet, der nur hier und da eine prägnante auditive Fontäne in den Nachthimmel abgibt.
Insgesamt scheint in allen Kompositionen ein gewisser Gleichklang in der Struktur der Stücke vorhanden zu sein. Es fehlt an dem für den Jazz so wichtigen Unvorhergesehenen, an Drama und Tempowechseln, an Nähe und Ferne, Antwort und Frage. Das Orchester verharrt in einer klassischen Attitüde, der sich über weite Strecken Catherine in seinem Spiel anpasst. Manchmal hat man wie bei „Climate warning“ den Eindruck, das Orchester erdrücke das Spiel der Mannen um Catherine.

Gemächlich geht es in „L'éternel désir“ zu. Irgendwie scheint die Musik dahinzuplätschern. Auch in „Isabelle“ ändert sich der grundlegende Spielduktus nicht, sodass man beinahe die Auffassung vertreten kann, Catherine habe sich in seinem altmeisterlichen Werk ganz in die Hände der klassischen Kompositionslehre begeben. Im letzten Stück des Albums namens „Pendulum“ hört man zunächst den „Schlag des Pendels“, lauscht man Aerts bei seinem Bassspiel und den darüber gelegten Gitarrenpassagen. Doch im weiteren Verlauf erdrückt der Klang der Streicher das ausgewogene, feine Spiel der Combo Catherines. Das mag nicht jeder bedauern, aber es gibt gewiss Jazzfreunde, die sich ein wenig wehmütig an Catherines virtuoses Zusammenspiel mit Niels-Henning Ørsted Pedersen erinnern. Genau die werden gewiss bei diesem Album nicht auf ihre Kosten kommen. Diejenigen jedoch, die das Kammermusikalische und Symphonische schätzen, werden die Einspielungen goutieren. Das im Flagey anwesende Publikum - das zeigt der mitgeschnittene Beifall - waren jedenfalls restlos begeistert.

Text © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
www.actmusic.com

Musiker

Philip Catherine
www.philipcatherine.com

Tracks

Philip à Paris ( Petit, Jean-Claude ) 03:21
2 Toscane ( Catherine, Philip) 06:29
3 December 26th ( Catherine, Philip) 07:04
4 More Bells ( Catherine, Philip) 05:40
5 Transparence ( Catherine, Philip) 06:46
6 Climate Warning ( Catherine, Philip) 05:38
7 Virtuous Women ( Catherine, Philip) 07:40
8 L’Eternel Désir ( Catherine, Philip) 04:23
9 Noburl ( Catherine, Philip) 06:34
10 Isabelle ( Catherine, Philip) 03:37
11 Homecomings ( Catherine, Philip) 03:18
12 Pendulum ( Catherine, Philip) 04:24


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