Peter O’Mara – Big Band Birthday Concert

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Marangani Records
Der aus Australien stammende Gitarrist und Komponist Peter O’Mara lebt seit Jahrzehnten in München und nicht wie viele andere europäische und nicht-europäische Musiker in Berlin, das sich in den letzten Jahren zu einem Hotspot der aktuellen Jazzszene entwickelt hat. Peter O'Mara ist bekannt für seine Auftritte und Aufnahmen mit so renommierten Musikern wie Dave Holland, Joe Lovano, Bob Mintzer, Kenny Wheeler, Randy Brecker, Charlie Mariano, Adam Nussbaum, der NDR Big Band und dem United Jazz & Rock Ensemble. Er war drei Jahrzehnte lang Mitglied in Klaus Doldingers "Passport". Anlässlich seines 65. Geburtstags erfüllte der Münchner Jazzclub Unterfahrt einen Traum des Gitarristen, der mit seiner Big Band seine Kompositionen für Big Band vorstellen konnte. So geschehen am 9. Dezember 2022. Diese Aufnahmen liegen nun als Album vor.
Wer sich mit der Geschichte des Jazz in Deutschland nach 1945 befasst, der kommt um die Tatsache nicht herum, dass es Big Bands waren, die gehört wurden und wie die von Kurt Edelhagen und Max Greger auch zum Tanz aufspielten. In dem Film „Jazzfieber“ – siehe auch die Besprechung unter https://www.jazzhalo.be/articles/3-x-jazz-im-film/ - kann man die Geschichte des Jazz in Deutschland und der Big Bands gut nachvollziehen Unterdessen haben einige Rundfunkanstalten eigene Big Bands. Typisch für derartige Bands ist eine gewisse Ritualisierung von Soli, die zumeist vom 1. Tenorsaxofonisten und 1. Trompeter bestritten werden. Von derartiger Ritualisierung weicht die Band des australischen Gitarristen Peter O’Mara zum Glück ab. Gewaltig ist der Klangkörper, der da in der Unterfahrt zu hören war. Umso mehr erstaunt es, dass der Bandleader auf seiner Gitarre in so manchem Solo zu erleben war. Wunderbar!
Aufgemacht wird mit „Scufflin“, sehr beschwingt, wenn nicht gar Swing. Und O’Mara ist gleichsam der musikalische „Eintänzer“ für die, die die Schritte von Swing und Lindy Hop beherrschen. O’Mara versteht es ganz im Sinne der Granden der Jazzgitarre sein Instrument vorzustellen. Da bedarf es keines elektronischen Zauberkästleins mit Drehknöpfen und Pedalen, um das Instrument zum Klingen, besser zum Swingen, zu bringen. Im Hintergrund agieren derweil die vereinten Bläser des Ensembles. Doch der Fokus liegt auf der Jazzgitarre, auch und gerade in Färbungen des Stücls, in die O’Mara das Stück taucht. Nachfolgend schnurrt ein brummiges Baritonsaxofon, eher rar in einer Big Band. Der Solist ist Gregor Bürger. Und im Chorus bzw. Tutti vereinen sich die anderen Blech- und Holzbläser, die mit ihrer Stimmgewalt den Gitarristen in seinem Spiel „einspinnen“. Schließlich meint man gar, auch ein Hauch von Rock `n Roll herauszuhören, gegen Ende des Stücks.
„Maratime“ lautet der nächste Titel der Live-Einspielung. Dabei handelt es sich um eine Wortspielerei aus maritim und dem Name des Bandleaders. Die Band ist anfänglich in der Gesamtheit zu hören, ehe sich dann ein Saxofonist herauslöst. Tenor- oder Alto-Sax fragt sich der Zuhörer. Und am Ende löst O’Mara die Frage, indem er den Altsaxofonisten Florian Trübsbach als Solisten vorstellt.
„Verwegen“ ist das Spiel im Auf und Ab. Vor allem ist es überaus schnell und aufbrausend. Leichte südamerikanische Rhythmik durchzieht das Stück in wenigen Momenten. Ja, wer erwartet hat, dass O’Mara solistisch in Erscheinung tritt, der wird nicht enttäuscht. Der Gitarrist entfaltet fürwahr einen „Lavastrom des Klangs“ auf seinem Saiteninstrument. Geschwindigkeit scheint ein wesentliches Moment. Dabei breitet er ziselierte Klänge auf dem Klangteppich des Gesamtensembles aus. Olala, kurz hört man auch mal einen der Drummer solistisch agieren.
Seiner Tochter hat O’Mara „Waltz for Vivien“ gewidmet, wie er dem Publikum gegenüber erläuterte. Mit einer Weise, die an ein Kinderlied erinnert, eröffnet O’Mara das Stück zu Schlagzeug-Geraschel und Bass-Setzungen. Im Weiteren hat man den Eindruck, man höre eine Ballade. Getragen spielen die Bläser der Band. Immer wieder setzt der Gitarrist seine zarten und sensiblen Klang-Akzente. In „sonnengelber Färbung“ erscheinen die Klangäußerungen der vereinten Bläser. Schließlich erleben wir ein Posaunensolo, vollmundig und voller Vibration des Klangs. Zu hören ist der aus Kuba stammende Denis Cuni Rodriguez. Schließlich taucht der Solist an seinem Blechbläser wieder in den Chorus des Ensembles ein. Nein. den Standard „Autum Leaves“ spielt die Band nicht, statt dessen „When the Autumn Comes“, eingeleitet durch ein Gitarrenspiel, das eher an Frühling als an Herbst denken lässt. Oder sollte das getragene Tempo uns an das Fallen des Herbstlaubs erinnern? Die einzelnen Saitenklänge könnte man als vereinzelte Sonnenstrahlen interpretieren, die den grauen Herbsthimmel durchbrechen, oder? Wie in anderen Stücken des Albums ist der Gitarrist präsent, taucht nicht ins Tutti der Bläser ein und wird von diesen vereinnahmt. Nein, O’Mara hat eine eigene Stimme, und das ist auch gut so. Und die Bläser haben ihre Stimmen, die sie zum Herbstanfang erheben. Durchaus schwingt dabei ein bisschen Melancholie mit, oder?
Ein Stück ist dem kanadischen Trompeter Kenny Wheeler gewidmet, so O’Mara, nämlich „A Quiet Man“. Denn der war Wheeler. Mit einer Flügelhornintro, so der Klangeindruck, beginnt das Stück. Dabei gleiten die Klänge schwebend dahin, haben eine gewisse Leichtigkeit. Doch im Tutti der Bläser bündelt sich auch eine gewisse Schwere. Sehr hörenswert ist das Klarinettensolo durch Uli Wangenheim. Weitere Solisten des Stücks sind am Tenorsaxofon Matthieu Bordenave sowie am Flügelhorn Andi Unterreiner.
„The Remedy“, dt. Abhilfe bzw. Heilmittel, stand auch auf dem Programm des Abends, geprägt durch starke Interventionen des Schlagzeugers und dem versammelten Gebläse. Zudem hat der E-Bass eine tragende Rolle, der unablässig „Klänge in Erdfarben“ schafft und auch O’Mara bei dessen Solo begleitet. Ja, da gibt es auch Bass-Slapping zu hören; auch etwas eher ungewöhnlich für eine Big Band. Als neue Klangfarbe ist die Hammond-Orgel zu erwähnen, an der Matthias Bublath agiert.
Christian Lettner sitzt bei „Game of Tones“ am Schlagzeug. Dieses Stück wurde für Big Band geschrieben und nicht wie andere für Big Band arrangiert, wie O’Mara dem Publikum erläuterte. Eine seltene Stimme im Big Band-Kontext ist ein Fender Rhodes, aber in diesem Stück hört man die teilweise kristallin klingenden Tastenklänge des Instruments. Mit leichtem Jaulen äußert sich die Gitarre in den Händen von O’Mara. Dabei scheinen auch Mark Knopfler und andere Gitarrenbarden der Gegenwart durchaus im Geiste anwesend, oder? Sehr überzeugend ist das Trompetensolo, das wir dank an Gero Hensel hören.
Noch ein Wort zu „Cross Current“: Gegenwind oder Gegenströmung sind die deutschen Übersetzungen des gewählten Titels. Noch einmal erleben wir die Klangstärke der Bläser, aber auch einzelne Solisten. So erhebt sich, mit Hall unterfüttert, die Trompete zu einem Hohelied. Das ist ein Ohrenschmaus neben anderen. Mit „Wang Thang“ wird das Live-Konzert in der Münchner Unterfahrt beschlossen, ein Genuss für diejenigen, die bei Big Bands auch instrumentelle und musikalische „Wagnisse“ honorieren. In der Tat O’Mara verlässt die ausgetretenen Pfade des Big Band-Klangs und schafft ein wahres Klangerlebnis, das im Gedächtnis bleibt.
© ferdinand dupuis-panther 2025
Musicians:
Peter O’Mara – guitar
The Big Band:
Trumpets: Andi Unterreiner, Florian Jechlinger, Vincent Eberle, Gero Hensel
Saxes: Uli Wangenheim, Florian Trübsbach, Alexander von Hagke, Matthieu Bordenave, Gregor Bürger
Trombones: Lukas Jochner, Eberhard Budziat, Christian Landsiedel, Denis Cuni Rodriguez
Piano: Christian Elsässer
Fender Rhodes & Hammond Organ: Matthias Bublath
Double Bass: Henning Sieverts
Electric Bass: Patrick Scales
Drums: Matthias Gmelin, Guido May and Christian Lettner
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