Patrick Manzecchi – talking to myself

Patrick Manzecchi – talking to myself

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Der in Paris geborene und nun am Bodensee lebende Drummer Patrick Manzecchi hat in seiner bisherigen Karriere mit namhaften Jazzmusikern zusammengespielt, so mit der Vokalistin Sheila Jordan, einem „Urgestein des Bebop“, dem Trompeter Paolo Fresu, dem Gitarristen Torsten Goods, dem Trompeter Dusko Goykovich, dem Waldhornist Arkady Shilkloper oder dem Vibrafonisten David Friedman, um nur einige Musiker namentlich herauszugreifen. Er hat bisher fünf Alben unter eigenem Namen herausgebracht und ist für die Konzertserie  “Jazz im Kulturzentrum” in Konstanz verantwortlich. Über ihn sagt die Vokalistin Sheila Jordan: „You really listen and do swing. Not that common anymore!“ Das „Schlagzeug-Gen“ ist wohl das Erbe seines Vaters Franco Manzecchi, ein angesagter Drummer seiner Generation (Chet Baker, Bud Powell, Eric Dolphy, Clark Terry, Dexter Gordon …).

Nun dem Gebot der Stunde, sprich der Pandemie mit all ihren Einschränkungen,  gehorchend, hat der Konstanzer Drummer Patrick Manzecchi ein Soloalbum eingespielt, das er „Selbstgespräch“ nennt, wenn er auch den englischen Begriff „Talking to Myself“ anstelle eines deutschen Titels wählt. Warum eigentlich? Wenn man die Pressemitteilung zum Album liest, dann ist von „Zwiegespräch mit sich selbst“ die Rede. Das irritiert, denn nur bipolare Menschen, also solche mit mehreren Persönlichkeiten, können eine solche Zwiesprache zwischen ihren Persönlichkeiten vornehmen. Alle anderen halten in der Regel Zwiesprache, wenn sie mit einer anderen Person reden. Wie ja auch das pure Solo beim Jazz eher eine Ausnahme ist und ansonsten integraler Bestandteil innerhalb eines Ensembles.

Das Selbstgespräch ist ein inneres Abwägen, ein Für und Wider, mit und ohne Konflikt, Dabei geht es dem Schlagzeuger, der uns „Klangschnipsel“ bzw. „Klangsplitter“ hören lässt, um „conflict“, „challenge“, „joy“ freedom“ „tradition und am Ende auch um „love & peace“.  In diesem Tun ist er ganz auf sich geworfen, auf sein Drumset, auf zwei Tage im Studio, um die „Schnipsel“ aufzunehmen und zunächst einmal zu entwickeln. Doch wie entwickelt man diese so alleine, ohne ein Du gegenüber, ohne Interaktion, die doch für den Jazz so lebensnotwendig ist? Wie beginnt man und wie endet man? Wie findet man den Impuls und wie lässt man diesen auslaufen? All das sind Fragen, die sich sonst in einem Ensemblekontext ergeben, die, soweit es um Improvisation geht, eine Frage der Antizipation ist, der Abstimmung, der Aufnahme dessen, was das Du vorgetragen hat, zugleich aber auch die Ahnung davon, wie die Klangformen fortgesetzt werden sollen.

All das wird in einem reinen Soloalbum nun auf die eigene Person zurückgeworfen und auf ein begrenztes Instrumentarium bestehend aus Toms, Snare, Hi-Hat, Blechen, Basstrommel, Perkussionsinstrumenten, ohne wie bei einem Piano eine tonale Bandbreite vom Bass bis zum Diskant zur Verfügung zu haben, die Möglichkeiten nutzen zu können, die Saiten im Flügel zu manipulieren, mit den Händen anzureißen, mit Papier oder Stöckchen zu dämpfen. Was der Schlagzeuger bei seinen Aufnahmen nutzte ist auf der CD nur recht summarisch erfasst. So erfährt man nichts über den Umfang des Drumsets. Hatte es Dimensionen wie die eines Billy Cobham? Oder was es ein „Basis-Set“? Was steckt eigentlich hinter dem Begriff „toys“ und „bells“?

Glockenklang oder was? Zumindest vernimmt man das zu Beginn von „challenge“, ehe dann eher hartes Blechschwirren den Hörer umgibt. Ist da nicht auch die Hi-Hat mit kurzen Intervallen zu vernehmen?  Tdam-Tdam sind die nächsten Schritte und immer wieder das raschelnd flirrende Blech, und vor allem kurze trockene Trommelschläge, die wohl auf  Toms niedergehen. „Spontaneity“ zeigt sich mit ebenso viel Blechrauschen und einem starken Dam-Dam-Dam. Nervös und im Stakkato agiert der Drummer bei „fun“. Tttd-ttdt-ttdt und dann wandern die Sticks, mal kurzer und mal länger im Schlag. Auch kurze Zwischenschläge gleichsam wie schnelle Flügelschläge sind zu vernehmen. Und weiter geht’s mit „confidence“. Kurz ist nämlich die Pause zwischen den Impros am Schlagwerk. Fast wie bei Fanfarenzügen mit Trommlern muten Teile an, die wir hören. Und immer sieht man die fließenden Gesten des Schlagwerkers, dessen Sticks zwischen den Elementen seines Drumsets hin- und herfliegen.  Etwas verzögert und mit Ttt-ttt-ttt kommt dann das „Stück“ namens „memories“ daher. Perkussives wie Klangschalen auf einem der Felle oder Ketten, die über Bleche streifen oder Besen, die über Trommeln „fegen“ sind bisher nicht zu hören gewesen,

Bambusrohr, das in Schwingungen versetzt wird, oder gar Klangstäbe von einem Marimbaphon, die zum Einsatz kommen – das fragt man sich bei „searching/finding“. Es könnten aber auch gedämpfte Kuhglocken sein, die Patrick Manzecchi einsetzt, um einen „Findungsprozess“ anzugehen. Was suchte er? Was fand er? Das müsste man ihn fragen. Gegen Ende meint man, der Schlagzeuger schlage hier und da auch die Sticks gegeneinander.  Gedämpfte Bleche oder Kochtopfdeckel dienen wohl als Perkussionsinstrument in „creativity“. Hat der Drummer da nicht auch ein kurzes Metallrohr, auf das er trommelt?

Ein Stundenglöckchen wird angeschlagen. Ein Läuten ist zu vernehmen, als ob der Glöckner auf dem Kirchturm zugegen ist und das „Glockenwerk“ bedient. Zumindest ist das ein  Höreindruck von „stopp-off“. Bei „detachment“ wartet der eine oder andere darauf, dass sich das Drummingsolo irgendwann eruptiv entlädt. Da gibt es flottes Besengetätschel, wenn es um „tradition“ geht. Und „ticketicketacketacke“ heißt es bei „gratitude“. Irgendwie fehlt dem „Selbstgespräch“ aber auch das Visuelle, denn Musik ist ja auch theatralisch, gestisch, ist auf Aktion und Reaktion aus. Die erleben wir nur akustisch und müssen uns die Bilder dazu vorstellen.

© ferdinand dupuis-panther 2023




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