trio akk:zent: solidaire

trio akk:zent: solidaire

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alessa records ALR 1034, veröff. 2014

Grenzgänger zwischen Neuer Musik, Jazz und Volksmusik – das macht das Dreigespann Paul Schuberth (acc), Johannes Münzner (p, acc) und Victoria Pfeil (ss, as, bs) aus. Obgleich auf ihrer aktuellen CD der Titel 'red love story' erscheint, erklären die Musiker nachdrücklich, dass sie weder verwandt, noch verschwägert, gar verliebt oder in einer gemeinsamen Liebesbeziehung stehen, auch in keiner Dreiecksbeziehung – außer natürlich musikalisch. Der Titel des Albums scheint Programm zu sein, ein Kontrapunkt gegen die alltägliche Entdemokratisierung und Entsolidarisierung. Was hilft da mehr, als sich solidarisch zu organisieren. Außergewöhnlich ist die Besetzung des Trios – zum Glück. Es ist nicht das zigste Trio mit Piano, Bass und Schlagzeug, sondern mit zwei Akkordeons und einer Auswahl von Saxofonen, angefangen beim Sopran- bis hin zum Baritonsaxofon. Dazu gesellen sich bei einigen Titeln Steirische Ziehharmonika, E-Bass und Flöte, mit denen das Trio seine Klangfarben aufzufrischen und aufzumischen versteht.

 

Blättert man im beigefügten Booklet, dann finden sich zahlreiche durchaus prägnante Aussagen des Trios, bei denen sich der Zuhörer bisweilen die Augen reibt, denn politisch sich artikulierende Musiker sind in diesen Zeiten eher Außenseiter. Zu ihrem Titel 'whistleblower's satisfaction' lesen wir: „Der Whistleblower trägt eine irreführende Bezeichnung, ist er doch derjenige, der von allen am wenigsten auf uns pfeift.“ Hm, da muss man schon wein wenig Nachdenken.
Auch das verbale und musikalische Statement für ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht Mainstream – und das gilt auch für den musikalischen Auftritt. Zum einen ist das Akkordeon nicht unbedingt ein landläufiges Instrument im Jazz, sondern eher in der Volksmusik im argentinischen und finnischen Tango geläufig, zum anderen gleich zwei Akkordeons und dazu noch eine Saxofonvirtuosin aufzubieten, das muss man aktuell schon wie eine Nadel im Heuhaufen suchen. Liebe Freunde der gepflegten Jazzunterhaltung, das Trio verlangt Einlassen, auch auf einige politische Aussagen, die aber weit von billigem Agitprop entfernt sind. Nachdenken ist gefordert – und das ist ja nicht das Schlechteste. Nein, Tango nuevo in Reinheit ist nicht zu hören, aber dafür akzentuierte Akkordeonklänge, teilweise im Zwiegespräch der beiden Instrumente, die Schuberth und Münzner meisterlich beherrschen. Der eine scheint mehr den Part der Basslinie und des Rhythmus zu übernehmen, der andere eher den melodiösen Part. Bisweilen dient eines der Akkordeons auch als Schlagwerk. Und über all dem erhebt sich der Wohlklang des Saxofons. Gleich zwei Suiten präsentiert uns das Trio. Doch verwunderlich ist, dass neben 'suite solidaire“ die 'suite solidaire trois' vorgestellt wird. Was ist jedoch mit der zweiten Suite? Bei 'suite solidaire' erklingt kein kämpferisches Solidaritätslied, nein, eher melancholisch geht es zu und man meint, da trällere vielleicht auch kurz mal eine Klezmer-Klarinette, ehe dann das Duett der Akkordeons sich ausbreitet. Das Saxofon lässt sich nicht lange bitten und erweitert den Kreis. Gibt das Saxofon gar Kommentare zu den Akkordeonläufen ab? Die Klangabläufe scheinen sich nach und nach zu überschlagen, so als sei eine hitzige Debatte ausgebrochen und der eine falle dem anderen ins Wort. Anschließend steuert das Trio wieder ruhiges Fahrwasser an. Die „Solidaritässuite“ neigt sich dem Ende zu. Aufgeregt geht es beim „Whistleblower“ nicht zu, weiß er doch, um was es geht. Konzertant ist vielleicht der richtige Begriff, um das Spiel des Trios bei diesem Stück zu umschreiben. Temposteigerungen im Verlauf von Kompositionen kennen wir von dem Trio bereits und auch beim dritten Stück der Einspielung, dem besagten „Geheimnisverräter“ ist dies der Fall. Gleichsam aus dem Off entwickelt sich die Komposition 'ombra', die für das Ohr des Rezensenten den Klang des Südens einfängt. Erstmals sind auch Klavier und E-Bass bei einer Einspielung Trümpfe, die die Klangfarben bereichern. Doch wessen Schatten wird hier eigentlich umspielt? Anklänge von Alpenvolksweisen und Balkan Pop gemischt mit Jazz zeichnet 'Spontaninnovation' aus. Wir wissen ja: Eine Liebesgeschichte ist eine Liebesgeschichte, aber die, die das Trio erzählt, ist nicht die des Trios, außer musikalisch betrachtet. So verklingt 'red love story', ehe dann nach 'Akk:zeptanz' eine weitere Suite und ein lyrischer Zauber dem Zuhörerohr schmeichelt. Nicht mit einem Paukenschlag, aber mit einem Pulsschlag – der Titel lautet ' puls' – verabschieden sich Schubert, Münzner und Pfeil von ihrem Publikum und hoffen gewiss auf Akzeptanz, auch wenn alle drei die Auffassung vertreten – so schreiben sie es im Booklet: „Akk:zeptanz: Tanz für diejenigen, die wissen, dass Akzeptanz nicht reicht oder sogar der falsche Ansatz ist.“. Ein nachdenkenswertes Schlusswort, oder?


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