TL;DR and Peter Knight - Too Long; Didn't Read

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Earshift Music
TL;DR ist ein neues Quartett des Trompeters, Komponisten und ehemaligen künstlerischen Leiters des Australian Art Orchestra, Peter Knight. In der Musik, die zu hören ist, gibt es Einflüsse von Brian Eno, John Hassell, The Necks und „Schwaden“ von elektronischer Musik. Die Band besteht aus mehreren Generationen von Musikern/Musikerinnen: die Bassistin und Vokalistin Helen Svoboda, der Gitarrist Theo Carbo sowie der erst 20-jährige Drummer Quinn Knight, Sohn von Peter Knight.
Nachstehend ein O-Ton von Peter Knight: “When I finished up with the Australian Art Orchestra in 2023 I wanted to continue being inspired by some of the incredible young artists I had worked with over that ten years. When Helen, Theo, and my son Quinn got together we all wanted to form a band that makes music for its own sake… music that is not trying to ’say’ anything, not telling you how to feel, but rather creating a space into which your own thoughts can drift. The name of the group reflects that intent.” Dass es keine Grenzen mehr zwischen Jazz und Elektronika gibt, ist für die gegenwärtige junge Generation von Musikern keine Frage. Wir hören mal Helen Svoboda: “We want to make music that’s improvised but hypnotic. It’s a simple concept that uses live and electronic looping setting up repetitive rhythms that overlap like rhythms in nature, and where the music develops through repetition and iteration. Our music is accessible and even catchy in a way, but is also kind of strange!”
Wenn man die Titel des Albums Revue passieren lässt, dann stehen Wolkenformationen auf dem musikalischen Programm. Von Haufen- oder Quellwolke ist ebenso die Rede wie von einer massigen und dichten Wolke von beträchtlicher vertikaler Ausdehnung in Form eines hohen Berges oder mächtiger Türme. Das beinhalten die beiden ersten Titel, Cumulus und Cumulusnimbus. Cirrus hingegen wird auch Federwolke genannt und ist eine Eiswolke in sehr großer Höhe. Und schließlich ist da noch Nimbus: Wir kennen das als Regenwolke, aber eigentlich ist es eine graublaue, mehr oder weniger konturlose Wolkendecke. Und zu all diesen Formationen soll es also adäquate musikalische Umsetzungen geben?_
Na, dann hören wir mal ins Album rein: „Cumulus“ steht zu Beginn auf dem Programm. Tiefes und langes Bass-Schnarren mit und ohne Begleitung einer „Tonfülle“ trifft elektronische Klangschauer. Da gehen Klänge wie Meteoriten auf uns nieder. Stetig und wiederholend sind die Sequenzen der Bassistin. Sie scheint wie eine tragende Säule zu sein und sich nicht von den Effekten beeindrucken zu lassen. Ihren Modus ändert sie jedenfalls nicht und auch nicht, wenn Peter Knight seine Trompete erklingen lässt. Die Band präsentiert uns gleich zu Beginn ein detailliertes Klanggemälde. Theo Garbo setzt ganz feine Saitensetzungen, rhythmisiert und sich nicht von dem dahin schwebenden Klangbild einnehmen lassend. Inmitten des elektronisch inszenierten Klangbildes agiert augenscheinlich auch der Trompeter. Schlagwerkschauer werden eingebracht. Und bei den elektronisch erzeugten Klangteppichen denkt man hier und da auch, dass ein Keyboarder seine Finger mit im Spiel hat. Für den einen oder anderen Zuhörer hat das Stück auch Elemente von Trance, oder? Klangfelder werden eröffnet und verdichtet. Daran beteiligt ist auch der Gitarrist, wenn auch Peter Knight wohl derjenige ist, der die Klangeruptionen mittels Elektronik hervorruft. Kraftwerk und Can kommen Zuhörern vielleicht in den Sinn, die sich von „Cumulus“ einnehmen lassen. Und andere spekulieren unter Umständen darüber, dass die Musik für eine Goa-Party gedacht ist. Ein gewisses Maß an „Psytrance“ ist gewiss in der “musikalischen Haufenwolke“ auszumachen. Man achte mal diesbezüglich auf Helen Svoboda und ihren stimmlichen Beitrag gegen Ende des Stücks.
Weiter geht es mit „Cumulonimbus“: Turmuhrenschlag oder was? - das fragt man sich bei der Eröffnung des Stücks, die der Gitarrist mit durchdringenden Saitenklängen bestreitet. Zudem vernehmen wir ein Schwirren und Flirren, so als würde man ein feines Mikro in Myriaden von fliegenden Insekten halten und den Flügelschlag aufnehmen. Wie im ersten Stück werden die Zuhörer mit einem dicht geflochtenen Klangteppich konfrontiert mit rhythmisierten Dreiklängen und ohne, mit und ohne Plong. Schwingungen werden im Klangraum präsentiert. Hört man da eine gedämpfte Gitarre, die auch in einem Wimmern zu hören ist? Im Hintergrund schwirren die Becken des Drumsets. Schlagwerknebel werden erzeugt. Dazu gibt es ein trockenes Pling-Plong zu hören, dank an Theo Carbo, so ist anzunehmen.
„Federwolken“ wurden fürs Album auch vertont. Dabei spielt die Stimme von Helen Svoboda eine zentrale Rolle. „Begleitet“ wird sie wohl von dem Klang, der durch das Mundstück des Trompete erzeugt werden kann, so ist die Vermutung des Rezensenten. Und auch in diesem Stück ist Trance-Musik mit im Spiel. Die Stimme von Svoboda ist den Instrumenten und der Elektronika gleichzusetzen. Es geht nicht um den Vortrag von Lyrik, sondern um tonale Schraffuren der Stimme. Sie legt sich über einen Klangvorhang, der von Peter Knight oder Theo Carbo konzipiert wird. Die Stimme scheint ab und an in der Tiefe des Raumes zu verschwinden. Das umgesetzte musikalische Konzept mündet in meditativen Momenten, oder? Der Zuhörer kann sich innerlich versenken und sich von der Klangwelt der Band mitnehmen lassen. Dass zwischendrin die Vorstellung auftreten mag, dass eine Orgel oder Harmonium zu hören ist, mag mit der Vielfalt der Effekte zusammenhängen, die sich Peter Knight und Theo Carbo ausgedacht haben. Gelegentlich dringt auch in diesem Stück der Klang der Trompete an unser Ohr, derweil die Stimme von Helen Svoboda in der Tiefe des Raums vergeht. Mit „Nimbus“ finden die musikalischen Feinzeichnungen mit viel elektronischen Klangeffekten einen gelungenen Abschluss.
© ferdinand dupuis-panther 2025
Info
BANDCAMP
Musicians
Peter Knight - trumpet, electronics, live signal processing
Helen Svoboda - bass, voice
Theo Carbo - guitar, electronics
Quinn Knight - drums
Tracks
1.Cumulus
2. Cumulonimbus
3. Cirrus
4. Nimbus