Théo Zipper 4tet: Faith

Théo Zipper 4tet: Faith

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Eigenproduktion

Théo Zipper, Bassist aus Südfrankreich und Jahrgang 1994, hat gerade sein erstes Album gemeinsam mit Lucas Vanderputten (drums), Max Fortin (Soprano- und Tenorsaxofon) sowie Yannick Jacquet (Piano, Fender Rhodes, Cello) herausgegeben. Das Debütalbum entstand in Eigenregie, was heutzutage schon beinahe Normalität zu sein scheint, weil immer weniger junge und daher nicht etablierte Musiker bei einem angesagten Label einen Vertrag bekommen. Rock und Funk waren Genres, die Zipper bis in seine sehr frühe Teenagerzeit begleiteten, ehe er dann mit 16 Jahren Zugang zum Jazz fand und hinfort eine Jazz-Schule besuchte. Wer allerdings aufmerksam die Kompositionen des aktuellen Albums anhört, der wird wohl sagen, dass sich in Zippers Verständnis von Jazz auch immer Funk und Rock mischt.

Während seiner musikalischen Ausbildung traf er auf Francesco Castellani, Gerard Maurin und Lilian Bencini, die ihm die unterschiedlichen Facetten des Jazz jeder auf seine Weise näherbrachten. Jamsessions mit Didier Lockwood und Mike Stern waren gewiss Meilensteine auf dem weiteren Lebensweg. Dazu gehörte gewiss auch der Unterricht am Königlichen Konservatorium in Brüssel.

Für Théo Zipper war anschließend klar, dass es galt, eigene Kompositionen zu schreiben und einzuspielen. Mit den oben genannten Musikern fand er die geeigneten Partner, um sein 4tet zu formen und die ersten Aufnahmen zu realisieren. „Faith“, also Vertrauen, scheint auch so etwas wie ein Lebensmotto für den noch recht jungen, gerade mal 21-jährigen Bassisten und seine ebenfalls jungen Musikerkollegen zu sein. Außerdem gilt, so ein O-Ton des 4tets: „play in the instant, look for vibration, be true.“ Sprich: „Spiele aus dem Moment heraus, denke an die Schwingungen bzw. Swing und sei du selbst!“

Zu hören sind auf dem Debütalbum – selbstverständlich gibt es das auch als iTunes (!) und als CD – insgesamt neun Kompositionen, angefangen mit „Opening“ und endend mit „A Call For The Absent“. Angenehm ist es, dass sich Zipper nicht in jedem Stück mit einem ausgedehnten Solo aufdrängt. Ja, er lässt seinen E-Bass schwirren und schwingen, mal mehr und mal weniger, so auch in „Les 7 plumes d'aigle“, benannt wohl nach einem Werk des französischen Schriftstellers Henri Gougaud. Dieser entführt uns mit seinem Roman nach Cordoba in Argentinien, am Fuße der Sierra Grande gelegen, und zur Kultstätte und Welterbestätte Tiahuanaco, wo ein Schamane über das kulturelle Erbe wacht. In Zippers Komposition ist aber wenig von südamerikanischem Flair zu vernehmen: Es klingt nicht nach Bossa Nova, nach Samba, nach Tango und oder Rumba. Zipper bleibt auch bei diesem Stück seinem musikalischen Konzept treu und verortet sich m. E. nachhaltig zwischen Bebop, Hard Bop und Fusion.
Ton für Ton für Ton entspringen den Tasten – weißen oder schwarzen –, und dann folgt in der „Eröffnung“ der Bass mit tiefem Dumdumdumdum. Mal perlen die Klavierpassagen, mal sind nur einige Akkorde zu vernehmen. Beinahe wie ein Flügelhorn mutet das von Max Fortin gespielte Saxofon an, das den offenen Raum umspielt. Ein „Opening“, eine Eröffnung steht also ins Haus. Dabei schwingen Becken sanft, und im weiteren Verlauf kaskadiert das Spiel des Pianisten Yannick Jacquet. Bisweilen schwermütig erscheint der Sound des Saxofons. Was treibt es nur um?

Eine Ode an die belgische Metropole entsprang ebenfalls Théo Zippers Feder und fand die richtigen Notierungen. Woran nur dachte der junge Bassist und Komponist, als er das leere Notenblatt vor sich legte? Dachte er an das Atomium, an das Modeviertel der rue Dansaert, ans legendäre Archiduc oder gar an Brüssels Wahrzeichen Manneken Pis? Wir können nur Vermutungen anstellen. Prägnant ist zu Beginn des Songs nicht etwa der Spiritus rector des Stücks, sondern der Pianist, der uns mit seinen Klangfolgen auf den Brüsselbesuch einstimmt. Schnelle Beats sind zu vernehmen, und das Saxofon umgarnt das Ohr des Brüsselbesuchers. Vernimmt man Stop and Go in der Rush Hour auf den Brüsseler Ringen? Strömen die Brüsseler nachts in die Klubs der Stadt, wenn die ausländischen Besucher längst in ihre Hotels zurückgekehrt sind? Vernimmt man nicht da die Sirene der Reichspolizei? Im Untergrund von Brüssel geht es ganz brummig zu, dank an den Bass. Das Saxofon hingegen zeigt sich beschwingt. Partytime in Brüssel am Freitag – oder?

Auf dem Album heißt es zudem „Friede, Bruder“, wenn das Vierergespann „Shalom Kouya“ anstimmt. Hat der Titel vielleicht etwas mit dem algerischen Film gleichen Namens zu tun, der 2010 gezeigt wurde und sich mit dem Thema der häuslichen Gewalt befasst? Ohne Frage, diese Komposition hat eine orientalische Würze bekommen, als der Titel entstand. Der Maghreb ist nahe, getreu des Sprichworts: „Der Maghreb ist ein heiliger Vogel. Sein Leib ist Algerien, sein rechter Flügel Tunesien, sein linker Flügel Marokko.“ In diesem Stück verharrt der Bass über weite Strecken in einem Zwei-Drei-Ton-Schema, derweil sich das Schlagzeug in gehemmte Wallungen spielt. Schließlich tritt dann wieder das „orientalische Thema“ in den Vordergrund.

Ist es eigentlich Bebop reloaded, wenn wir „Nelson“ hören, sprich sind da nicht Dexter Gordon und Freddy Hubbard irgendwo präsent? Ist dieses Stück eine Ode an den englischen Kriegshelden Admiral Nelson oder nicht, fragen wir uns außerdem. Darauf könnte allerdings nur Théo Zipper die richtige Antwort geben.

Machen wir uns im Weiteren zum „Meeting Point“ auf, den Zipper bestimmt hat, für sich und seine Kollegen. Erstmals erklingt dabei auch das Fender Rhodes, begleitet von stimmungsfrohen Phrasierungen des Saxofons. Dahinperlend erscheinen die Klaviersequenzen, die durch nachhaltiges Schlagwerk unterbrochen werden. Bei all dem ist die Frage, ob sich alle am vereinbarten „Treffpunkt“ versammeln oder nicht.

Das Debüt ist gelungen, mit allem Zipp und Zapp, ohne allzu avantgardistisch zu sein. Zipper und seine Mannen bleiben dem melodischen Spiel verhaftet. Die Improvisationen ufern nicht in die freie Totale aus. Das mögen einige Hörer, die mehr dem Free Jazz zugewandt sind, vermissen, andere, die eher noch an „Old School Jazz“ hängen, gewiss nicht. Man darf gespannt sein, welche Hörmelange uns Zipper bei einem weiteren Album kredenzen wird.

© ferdinand dupuis-panther

Informationen

Théo Zipper
www.theozippermusic.com
www.facebook.com/theozipperquartet


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