Wheelhouse – House and Home

W
Aerophonic
Mehr als ein Jahrzehnt ist es her, dass „Boss of the Plains“ von Wheelhouse erschienen ist. Nun liegt das jüngste Kind des Trios vor, das aus dem Vibrafonisten Jason Adasiewicz, dem Bassisten Nate McBride und dem Aerophonic-Gründer und in Chicago lebenden Saxofonisten Dave Rempis besteht. Dass erst jetzt ein neues Album zustande gekommen ist, liegt daran, dass die Bandmitglieder nicht mehr am gleichen Ort leben und jeder seinen eigenen Verpflichtungen nachgeht: McBride ging zurück nach Boston, Adasiewiecz tourte weltweit, auch mit Hamid Drake und Peter Brötzmann. Und dann kamen auch die Beschränkungen angesichts der Covid-Pandemie hinzu. Nun also war die Reunion einer Band, deren Mitglieder nie den Kontakt zueinander verloren, möglich, einige Konzerte im Vorweg der Plattenaufnahme eingeschlossen.
„Stash“ steht am Beginn des Albums. Wir vernehmen den glockenhellen Klang des Vibrafons, das sich zugleich wie eine Glasharfe anhört, fragil und gläsern-transparent; H inzutritt der Saxofonist mit seinem Tenorsaxofon (?), aufgeraut im Klang, kehlig ein wenig, zugleich aber mit langem Atem gespielt. Es scheint, als erlebe man auch einen Mix aus Nebelhörnern. Dazu setzt der Vibrafonist hier und da Klangfragmente. Ganz leise ist der Bassist im Hintergrund aktiv. Doch der Fokus liegt auf dem Saxofonisten und dem Vibrafonisten. Bei dessen Spiel hat man im Übrigen den Höreindruck eines Glockenspiels, das von einem der belgischen Stadttürme zur vollen Stunde erklingt. Linear-melodisch ist das Spiel des Vibrafonisten, derweil sich der Saxofonist so anhört, als würde er Atemzug nach Atemzug dazusetzen und teilweise nur diese durch das S-Rohr seines Instruments strömen lassen. Man kann stellenweise aufgrund der Klangeindrücke lediglich vermuten, dass Dave Rempis nur das Mundstück oder das S-Stück zum Spielen benutzt. Und zum Schluss meldet sich der Bassist mit einem rhythmisierten Plong-Plong. Danach ist Schluss. Auch bei „Sydney Opera“ ist es die Verquickung von Saxofon und Vibrafon, die aufhorchen lässt. Spielt Dave Rempis diesmal Sopransaxofon? Nein, auch wenn er teilweise in Klanghöhen enteilt, ist er wohl auf seinem Tenorsaxofon unterwegs. Es schnarrt, zittert, schwirrt, flirrt, schnurrt, krächzt, trumpft auf, changiert zwischen Klangtiefen und Klanghöhen, klingt gelegentlich wie ein Rhaita, ein Doppelrohrblattinstrument aus Afrika, so der Höreindruck. Kommentierend, so könnte man sagen, agiert derweil der Vibrafonist. Da scheint es, als würden gläserne Klangstäbe zum Flirren gebracht oder würden gläserne Dominosteine, in Reihe aufgebaut, nacheinander umfallen. Unaufhaltsam baut der Saxofonist seine Klangbögen auf. Das hat nicht nur etwas von Impro, sondern durchaus auch von melodiösen Linien, insbesondere wenn das Klangspektrum konstant gehalten wird. „Kleine Springfluten“ fügt der Vibrafonist zu den „Saxofonwellen“ hinzu, auch zu den leicht eruptiven Sequenzen, die Dave Rempis anstimmt.
Nach „Gingerbread“ steht „Saltbox“ auf dem Programm. Wieder erlebt man den Dialog zwischen dem Vibrafonisten und Saxofonisten. Dabei hat es den Eindruck, Dave Rempis würde mit seinen Klangschraffuren dem Vibrafonisten enteilen. Rempis agiert durchaus mit Verve, zeigt auch mal „Saxofonsalti“, vertieft sich nur kurz in Weichzeichnungen. Der Saxofonist erzeugt eher ein Bild von Bewegung. Man könnte beim Zuhören außerdem an Sturmböen denken, die ihr Spiel mit dem Laub der Bäume treiben und diese in Schieflagen bringen. Nach und nach folgt der Vibrafonist dann dicht an dicht dem, was Rempis vorträgt. Auch bei „Rising Sun“ können wir nicht an einen Instrumentenwechsel denken. Oder doch? Hier und da scheinen die Passagen des Saxofonisten nach Sopransaxofon zu klingen. Hinzu gesellt sich das „Glockenspiel“ des Vibrafonisten. Dave Rempis scheint die Klänge wie ein Wollknäuel zu bündeln, die Klangfäden aufzurollen und übereinander zu legen. Klangspirale an Klangspirale setzt Dave Rempis. Es erscheint als ein durchaus nervöses Spiel. Und dann ist auch der Bassist am Zuge, ähnlich nervös wie Rempis agierend. Die Klänge sind von kurzer Dauer, verhallen schnell. Die Saiten werden kurz angeschlagen und nur selten schwingen sie lange nach. Auch die Resonanz ist eher begrenzt, und der Bassist ist kaum hörbar, während im Hintergrund der Vibrafonist Kristallines kreiert. Mit „Arrest“ beschließt das Trio dieses „Comeback-Album“, in dem der Fokus auf Dave Rempis und Jason Adasiewicz liegt.
© fdp 2025
Musicians
Dave Rempis – soprano/tenor/baritone saxophone
Jason Adasiewicz - vibes
Nate McBride – bass
Tracks
1. Stash 07:10
2. Sydney Opera 13:49
3. Gingerbread 12:18
4. Saltbox 04:11
5. Rising Sun 14:16
6. Arrest 06:13
Tracks 1, 3, 4, 5, 6 recorded June 1st 2024 at Constellation in Chicago, IL by Cooper Crain
Track 2 recorded June 2nd, 2024 at The Sugar Maple in Milwaukee, WI by Dave Zuchowski