HARTMANN & BRUNN: Nineteen Strings

HARTMANN & BRUNN: Nineteen Strings

H

Laika Records

19 Saiten, die in allen nur erdenklichen Variationen gespielt werden: gezupft, geschlagen, mal hart, mal zart berührt, gerissen, gedrückt, immer wieder neu gestimmt. Das ist „die musikalische Spielwiese“ von Hans Hartmann, der in der Vergangenheit mit so illustren Musikern wie Chet Baker, Johnny Griffin und Guru Guru zusammenarbeitete, und Andreas Brunn, dem Gründer des Ensembles For Free Hand. Zwei Saitenspieler haben sich in einem Duo zusammengefunden, der einen spielt den 12-saitigem Chapmanstick (Hartmann) und der andere die 7-saitige Gitarre (Brunn).

Erstmals kreuzten sich die Wege der beiden Saitenartisten in den 1990er Jahren. Erst bei einem späteren Besuch von Andreas Brunn bei dem Kontrabassisten Hans Hartmann hat es dann sprichwörtlich „Klick“ gemacht. „Als Hans mir seinen Chapmanstick vorführte, war ich auf der Stelle angekickt", erinnert sich Brunn. "Ein Instrument, auf dem man gleichzeitig zwei völlig voneinander unabhängige Linien spielen konnte. Das kannte ich bis dahin allenfalls vom Klavier, aber nicht von einem Saiteninstrument, das zudem noch elektronisch verstärkt wird. Mir war sofort klar, dass sich damit schier unbegrenzte musikalische Möglichkeiten bieten.“

Noch ein Wort zum Chapman Stick: Dabei handelt es sich um ein elektrisches, bundiertes Saiteninstrument, das lediglich aus einem großen Griffbrett mit acht bis zwölf Saiten und ein bis zwei Induktions-Tonabnehmern besteht. Erfinder dieses Instruments ist der Jazz-Gitarrist und Session-Musiker Emmett H. Chapman aus Los Angeles.

Mit „Guardian Angels“ von John McLaughlin und „Nica's Dream“ finden sich zwei Kompositionen auf dem Album, die nicht aus der Feder der beiden Saitenspieler Hartmann und Brunn stammen. Aufgemacht wird das aktuelle Album mit „Killer Joke“ und zum Schluss wird dann Hans Hartmanns „Walzer“ getanzt. Mit „Tango el Cercado“, auch von Hartmann geschrieben, findet sich noch eine weitere „Tanznummer“ auf dem Album. Andreas Brunn steuerte unter anderem „Kontraste“ und „Good Movement“ zum Gelingen des Albums bei.

Betrachtet man das Cover des Albums – es zeigt die beiden Musikern mit geschlossenen Augen, sprich in Kontemplation pur –, so scheinen Erwartungen geweckt zu werden. Man muss als Hörer wohl annehmen, dass „Nineteen Strings“ zur Tiefenentspannung beiträgt, und diese ist in hektischen Zeiten sehr willkommen.

„Killer Joke“ beginnt wie ein Kanon, so hat man den Eindruck. Nachfolgend sorgt Andreas Brunn für eine Art ostinate Basslinie, während Hans Hartmann uns mit einem schmeichlerischen Gitarrenlauf auf einen musikalischen fliegenden Teppich setzt und mit uns davoneilt. Im Weiteren obliegt es Andreas Brunn nicht nur für die Rhythmik zu sorgen, sondern im Dialog mit Hans Hartmann die Melodielinie weiterzuentwickeln. So reisen wir dann durch die Klanglüfte, manchmal auch ein wenig wie ein Albatros die Thermik nutzend, derweil sich die Gitarre unter den Händen von Andreas Brunn zu einem Perkussionsinstrument verwandelt und auch als Schlagwerk den Klangraum füllt.

Der „Tango el Cercado“ ist tatsächlich ein Tango, bei dem Andreas Brunn sich dem Rhythmischen und dem Tangotakt hingibt, während Hans Hartmann seinem Fingerspiel freien Lauf lässt. Im Verlauf des Stücks verwischt sich allerdings der Eindruck von Tango, und man muss eher allgemein an Latin Fever und an „Friday Night in San Francisco“ denken. Dabei gehört dann auch in weiten Passagen Andreas Brunn die Klanghoheit, wenn er die melodische Linienführung bestimmt, ehe dann Hans Hartmann in beinahe folkloristischer Manier auf Andreas Brunn antwortet. Im letzten Teil des Songs wird es dann noch einmal sehr rhythmisch. Auch ein Hauch von Flamenco kommt dabei zum Vorschein, oder?

„Antonio's Night“ eröffnet mit einer Folge von Flageoletttönen, ehe uns dann Andreas Brunn nach Andalusien entführt und der Flamenco eines Paco de Lucia sehr nahe ist. Ole! So wird man auf eine fiktive Reise nach Granada, Cordoba und Sevilla mitgenommen, auch wenn keine klappernden Kastagnetten zu vernehmen sind. Der Charakter des Songs wandelt sich im Verlauf der Darbietung, vor allem weil Hans Hartmann mit einer sehr ohrschmeichlerischen Melodieführung ganz andere Töne anstimmt, auch mediterrane Töne, aber eben nicht Flamenco oder Artverwandtes. Andreas Brunn jedoch hält an dem Grundcharakter seiner Komposition fest – und diese ist gewiss vom Flamenco geprägt.

Eher basslastig ist der Einstieg bei der Interpretation von Horace Silvers „Nica's Dream“ angelegt, doch dann stimmt sich Hans Hartmann auf die Melodieführung ein und greift das Original auf, dabei auch immer die Basslinie im Blick behaltend. Nach und nach swingt es hier und da. Zudem wird im Original der 4/4-Jazz mit einer Prise Latin Rhythmik angereichert. Dem folgen die beiden Saitenkünstler in ihrer Adaptation in sehr kreativer Weise.

Zum Schluss noch ein Wort zu „Walzer“. Auch in diesem Stück scheint die Rollenverteilung klar: Andreas Brunn ist neben dem Melodischen für das Rhythmische und die Bassstruktur zuständig. Doch hier und da lässt er sich auch auf das Verspielt-melodische ein, so wie es Hans Hartmann vornehmlich auf der vorliegenden Einspielung pflegt. Klassischen Walzer gibt es nicht zu hören, eher einen Latin modulierten Tanz.

Für gute Laune sorgt die Musik des Duos auf alle Fälle. Allein die schwebenden Melodiewölkchen sorgen dafür. Man wird mitgenommen und nimmt gleichsam auf einer rosaroten musikalischen Wolke Platz, lässt sich mittreiben und kann alles rundherum vergessen. Danke!

Manchmal sind in diesen Zeiten Stimmungsaufheller abseits der Pharmaindustrie zwingend, zumal die Jazzwelt im Sommer 2016 schmerzliche Verluste hinnehmen musste: Toots Thielemans und Bobby Hutcherson verließen diesen Jazz-Planeten und hinterließen eine musikalische Lücke. Nur gut, dass es Musiker wie Andreas Brunn und Hans Hartmann gibt, denen mit ihrer Musik ein brillanter musikalischer Lückenschluss gelungen ist.

Text: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

Laika Records
http://www.laika-records.com/

Musiker

Andreas Brunn
Interview in Jazz'halo
http://www.jazzhalo.be/interviews/andreas-brunn-im-gespraech-mit-dem-berliner-gitarristen-bandleader-von-for-free-hands/

http://akustik-art-kontakt.de/deutsch/kunstler/hartmann-brunn/

Hans Hartmann
http://www.hanshartmann.net/


In case you LIKE us, please click here:




Foto © Leentje Arnouts
"WAGON JAZZ"
cycle d’interviews réalisées
par Georges Tonla Briquet




our partners:

Clemens Communications





Hotel-Brasserie
Markt 2 -
8820 TORHOUT

 


Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse


Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée


Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant


Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon


Special thanks to our photographers:

Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte

Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper

Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Jeroen Goddemaer
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein

Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre

Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten

Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden

Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner


and to our writers:

Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst