Yves Theiler Trio – Omega

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XJAZZ Music
Kurz und knapp lesen wir dies über das vorliegende Album: „Mit dem fünften Album „OMEGA“ entführt das Yves Theiler Trio, begleitet von Gastmusiker Bardia Charaf am Tenorsaxophon, die Zuhörer in eine Klangwelt voller Verspieltheit, Tiefe und raffinierter Kompositionen. Pianist Yves Theiler, der erneut als Komponist und Arrangeur aller Stücke fungiert, bildet zusammen mit Luca Sisera am Kontrabass und Lukas Mantel am Schlagzeug eine pulsierende Einheit – eine Mischung aus Jazz, Pop und sogar Anklängen moderner Klassik.“
Nicht Alpha, also Anfang, sondern Omega, also Ende, lautet der Albumtitel. Und die Frage nach dem Warum sei an dieser Stelle gestattet. Beide genannten Buchstaben sind Teil des griechischen Alphabets. Zugleich steht die Redewendung „Alpha und Omega“ im theologischen Sinne für Ewigkeit und Allgegenwärtigkeit Gottes. Auf diesen Bezug hat Yves Theiler verzichtet und sich nur des letzten Buchstabens des griechischen Alphabets für den Albumtitel bedient. Gleicht der Buchstabe nicht einem stilisierten Torbogen? Und was bedeutet dieser? Ein Schweizer Uhrenhersteller namens Omega existiert und auch in Mangas kommt Omega vor. Nur was hat das alles mit dem Jazzalbum eines Trios zu tun, das aus Schweizer Musikern besteht? Aber das ist auch alles. So bleibt die Frage nach dem Warum des Titels offen, es sei denn man würde Yves Theiler nach dem Hintergrund für seine Wahl befragen. Das jedoch würde eine Plattenbesprechung doch gewiss überfordern. So nehmen wir die verschiedenen Definitionen von Omega einfach mal hin und widmen uns der live eingespielten Musik des um einen Saxofonisten erweiterten Trios.
Vorab: Jazz kann aufregend, provozierend, explosiv, gegen den Strich gebürstet oder verkopft sein oder aber durch die Schönheit des Melodischen bestechen. Und Letzteres gilt insbesondere für das vorliegende Album. Da gibt es kein „marktschreierisches Saxofon“, das die Aufmerksamkeit auf sich lenkt und alle anderen Instrumentalisten in den Schatten stellt. Nein, Bardia Charaf versteht sich auf die weich gezeichneten Linien und Schraffuren, auf ein sonores Timbre und auf den Verzicht von kehligem Röhren im Überschwang. Sein Tenorsaxofon klingt nicht nur im Schlussstück durchaus nach Altsaxofon und nach dem Versuch mit einem Holzbläser die menschliche Stimme zu imitieren.
Doch nun zurück auf Alpha, auf Anfang: Was verbindet den ungarischen Komponisten Béla Bartók mit Jazz? Wenig, war er doch von Richard Strauß ebenso fasziniert wie er eine Abkehr von der Musik der Romantik suchte, aber dennoch dem Volkslied einen Platz gab und wie Strawinsky der rhythmischen Vielfalt Vorrang einräumte. Letzteres findet ja auch man im Jazz. Fingerzeig darauf, dass Bartók ein Suchender war, ist der Eröffnungstitel des Albums, oder?
Zu Beginn heißt es: „Bela Bartok is Lost“. Wild und ungestüm geht es in diesem Stück zu. Auch an heilloses Durcheinander mag man beim Hören denken, wenn rasante Trommelwirbel auf unbändigen Saxofon-Klang treffen. Eine Stampede des Klangs scheint das Trio plus 1 zu zelebrieren. Klang-Getrappel ist jedenfalls wahrzunehmen. Der Pianist zeigt uns allerdings im Verlauf eher behutsame Schritte des Klangs, nimmt das anfängliche Tempo aus dem Stück, das im Kern der Saxofonist definiert hat. Man müsste die Werke Bartóks genau kennen, um zu wissen, ob Yves Theiler in seinen Klaviersequenzen daraus schöpft. Sprudelnde Klänge sind es jedenfalls, die an unser Ohr dringen. Zu einem nachhaltigen Tack-Tack vernimmt man Luca Sisera in seinem Solo. Und auch er scheint eher Trittsteine des Klangs umzusetzen als eine wilden Klangritt wie zu Beginn des Stücks.
Mit „Broken Dreams“ geht es weiter: Eisler oder wer – das fragt man sich zu Beginn, auch und gerade angesichts der aufgeregten Klangpassagen des Saxofonisten. Gleichsam als Bruch folgt dann eine Sequenz, die als symbolistisch aufgeladen angesehen werden kann. Da gibt es schnellen Bogenstrich und „Sphärenklang“ in Andeutungen. Und auch der Saxofonist trägt dazu seinen Anteil bei. Wenn man ein Bild ins Feld führen möchte, dann scheint es, als würden ein Schiffbruch und tosende Meereswellen musikalisch eingefangen werden. Zum anderen aber meint man, unter Umständen, Arnold Böcklin wäre mit der dritten Version des Gemäldes von der Toteninsel gleichsam Stichwortgeber gewesen. Dann wären „Broken Dreams“ wohl eher Albträume, oder?
„Omega“ macht mit einer Klaviereinführung auf. Die melodischen Linien sind eindringlich, lassen sich gar mitsummen, scheinen passend für ein Frühlingslied und haben nichts von Ende, das man wohl eher mit Lamento oder Requiem verknüpfen würde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es tanzen die Klänge kreuz und quer und manchmal auch in Reih und Glied. Man vernimmt außerdem Lyrisches, insbesondere bei der dahin rinnenden Klaviersequenz, sorgsam begleitet von Schlagwerk und Bass. Zerbrechliche Tastenklänge vernehmen wir zu Beginn von „The Circle“. Getragen ist das, was der Saxofonist im weiteren hören lässt. Schmerz und Sehnsucht gebündelt in Klängen, so könnte man beim Hören meinen. Sehr hörenswert und durchaus als ein Moment der Kontemplation zu begreifen ist das, was das Trio danach vorträgt. Da lässt Yves Theiler Klangtropfen auf uns niedergehen, ehe dann der Saxofonist mit weichem Timbre seine Stimme erhebt. Alles scheint seinen ruhigen Gang zu gehen. Entspannung ist angesagt, Abkehr von Hektik. Welch eine Wohltat. Und anschließend heißt es: „The Legacy of an Old Feeling“. Es ist gleichsam das Omega im Sinne von Ende.
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Bestellung: 20.- plus Versand / yvestheiler@gmail.com
Digital / Streaming: https://orcd.co/omegayvestheilertri
Musicians
Yves Theiler (p, comp)
Luca Sisera (b)
Lukas Mantel (dr)
Bardia Charaf (ts)