Daniel Wilfred, Paul Grabowsky and Peter Knight – Raki

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Earshift Music
Über das Album eine Einführung: „Daniel Wilfred, Paul Grabowsky and Peter Knight’s Raki is a profound and innovative collaboration rooted in Yolngu manikay (song cycles) and the spontaneous energy of master improvisers and sound artists. Raki is a musical dialogue of sound and tradition, building on decades of creative partnership between an Aboriginal ceremonial leader and two of Australia’s leading improvisers. Raki is a distinctive musical statement bridging ancient and modern traditions. Recorded live in concert at Monash Performing Arts Center, Raki is a testament to the enduring power of manikay, the Yolŋu song tradition performed across Arnhem Land (far northern Australia) to celebrate and strengthen connections between families and their homelands.“
Musikalische Brücken zu bauen zwischen der Kultur der First Nation und den Nachkommen weißer Kolonisatoren, freier Siedler und Strafgefangener sowie Neuankömmlingen der letzten Jahrzehnte - das ist der Sinn des Albums. Raki bedeutet Saite und Schnur – aus den Fasern von Pandanus (Schraubenbaum) gewebt fürs Fischen und für rituelle Zeremonien. Der Begriff ist zugleich ein Symbol für Kontinuität, Verbindung und die Weitergabe von Wissen von Generation zu Generation.
Es gibt zwei Teile von „Raki“, nämlich eins und zwei. Der erste Teil beginnt mit kristallinen Klängen, die der Pianist Paul Grabowsky uns präsentiert. Man hat das Bild vor Augen, Regentropfen unterschiedlicher Größe würden in eine Regentonne fallen. Nach dem Intro erhebt dann Daniel Wilfred seine Stimme, und die Klavierlinien werden eher weicher und zudem hört man elektronische Effekte, die ein Klangbett bilden. Die Stimme von Daniel Wilfred ist aufgeraut und guttural, kommt eher als Kehlstimme daher denn als Bruststimme. Ob dabei eine Kunstsprache oder die Sprache eines der Klans aus dem Norden Australiens genutzt wird, kann nicht aufgelöst werden. Die Stimme jedenfalls und die aneinander geschlagenen Klapphölzer sind auffällig, heben sich ab, sind für „westliche Ohren“ ungewohnt und lassen an Obertonsingen und Kehlkopfsingen aus Zentralasien denken, oder? Diskantes dringt nachfolgend an unser Ohr; dicht geführt sind die Tastenschläge. Und zudem verbreitet sich Sphärisches, während im Vordergrund der Sänger seine Stimme erhebt. Pling-Pling-Pling – das sind die Lautäußerungen des Pianisten. Die sprachlichen Klangfolgen verdichten sich, versinken im elektronischen Sphärenklang. Dazu hören wir das systematische Schlagen der Klapphölzer und einen lang gehaltenen Trompetenklang.
In English wird ein Text eingesprochen, in dem die Bedeutung des Begriffs Raki und Songlines erläutert werden. Dazu ist es an Paul Grabowsky, Klavierlinien zu entwickeln. Lautstark ist das, was der Sänger als Botschaft zu sagen hat. Teilweise scheinen sich in der Stimme und den stimmlichen Äußerungen Zorn und Vorwurf zu bündeln. Orchestrales wird beigemischt. Die Trompete erhebt sich und schnurrt zu den Bassklängen des Pianos. Die Trompetenklänge sind außerdem mit Hall unterlegt. Die Bassklänge, die auf dem Klavier erzeugt werden, lassen an Kirchenglocken unterschiedlicher Größen denken. Für Rhythmisches sorgt Daniel Wilfred mit kurzen Schlag-Intervallen der Klapphölzer. Es ist eine Art Tick-Tick-Tick, wiederkehrend. Und dann ist es wieder der Gesang von Wilfred, der im Fokus steht, gleichwertig zu den beiden Instrumentalisten. Eine explosive Atmosphäre entwickelt sich, so wirkt es auf den Außenstehenden. Dramatik wird aufgebaut. Dazu trägt auch Paul Grabowsky mit seinem eher basslastigen, vor allem energischem Tastenspiel bei, das wir nun hören.
Graduell ist der Unterschied von Raki Teil 2 zu Teil 1. Zu elektrischen Effekten, die verdichtet werden, hört man Diskantes, Fragiles auf dem Piano. Anschließend durchdringt die Stimme von Wilfred den Klangraum. Im Hintergrund vernimmt man Orchestrales, das aus „Tubular Bells“ entsprungen sein könnte. Und auch der Trompetenklang wird elektronisch verfremdet. Die eingespielten Effekte klingen teilweise wie Sirenengesang. Formelhaftes Gemurmel des Sängers vergeht, und Paul Grabowsky greift in die Tasten des Klaviers. Im Hintergrund schnurrt es. Der Trompeter sendet seine Signale aus, leicht verfremdet. Kristalline Klavierklänge werden hinzugesetzt. Hört man da nicht auch ein Schwirrholz? Wiederkehrendes Diskantes dringt an das Ohr des Hörers. „Bassgesang“ des Pianisten steht an, wenn das Stück seine Fortsetzung findet. Noise Music spielt in der Inszenierung von Raki II auch eine Rolle, oder? Und dann ist da auch immer wieder David Wilfred, der seine Stimme erhebt. Schwaden von Trompetenklang füllen den Raum, ebenso Diskantes, das den Fingern von Paul Grabowsky zu verdanken ist. Klickende Perkussion mischt sich mit dem formelhaften rituell erscheinenden Gesang. Und dann erhebt Peter Knight erneut seine Stimme. Scheinbar entführt er uns in eine riesige unterirdische Kaverne mit allerlei Hall, so jedenfalls klingt es, wenn Knight Trompete spielt.
Melodische Fäden, die kontinuierlich gesponnen werden, sind sehr selten. Eher vernimmt man Klangfragmente, die addiert werden. Effekte sind gleichsam Additive. Bezüglich Daniel Wilfred und dessen Gesang würde man gerne mehr erfahren, ansonsten bleibt der Gesang ähnlich rätselhaft wie ein Joik der Sami und der Kehlkopfgesang höömii aus dem mongolischen Altai.
© ferdinand Dupuis-Panther
Musicians
Daniel Wilfred - voice and bilma (Klapphölzer)
Paul Grabowsky – piano
Peter Knight - trumpet, electronics, and live signal processing