Clara Haberkamp Trio – Plateaux
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TYXart
Vorangestellt sei eine Bemerkung zum Verhältnis von Musikerinnen zu Musikern im Jazz: Musikerinnen sind in der Minderheit und dabei sind sie überwiegend Vokalistinnen und keine Instrumentalistinnen. Clara Haberkamp ist eine Ausnahme, da sie Pianistin ist, auch wenn sie sich auf dem vorliegenden Album auch als Vokalistin zu erkennen gibt, wenn am Schluss des Albums „Danny Boy“ erklingt. In der dramaturgischen Inszenierung des Albums ist diese Exkursion allerdings nicht nachvollziehbar. Und wenn schon Gesang, warum dann nicht bei „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, ein Stück von Marlene Dietrich, das auf dem Album auch zu finden ist. Komponiert hat das Stück übrigens Friedrich Hollaender für den Film „Der Blaue Engel“.
Zum Trio von Clara Haberkamp gehören der Kontrabassist Oliver Potratz und der Schlagzeuger Jarle Vespestad. Um es vorwegzunehmen: Über weite Strecken steht die Pianistin im Fokus; ihre Mitmusiker erscheinen mit Verlaub weitgehend als Staffage. So darf die Frage gestellt werden, warum Clara Haberkamp kein Soloalbum eingespielt hat. Staffage scheint ein scharfer Begriff zur Charakterisierung dessen, was musikalisch zu erleben ist, aber es fehlt an dezidierten Soli der beiden Mitmusiker oder auch an Duos. Nur selten nimmt man den Bassisten als solchen wirklich wahr, unter anderem teilweise in „Cycle“. Doch gegen die Dominanz der Klavierstimme kommt er nicht wirklich an. So darf man doch fragen, was gegen eine Soloeinspielung gesprochen hat.
Liest man den Text zum Album, so ist man gewiss irritiert, nimmt man insbesondere das Nachstehende im Vergleich zum Höreindruck auf: „Die Leitung eines Klaviertrios ist eine Konstante in Clara Haberkamps beruflicher Laufbahn; ihr erstes Trio gründete sie 2010. Jarle Vespestad ist seit 2022 fester Schlagzeuger der Gruppe, und "Plateaux" ist die erste Aufnahme mit ihm. Was bei "Plateaux" am stärksten zum Tragen kommt, ist die Beherrschung eines erstaunlichen Spektrums an Stilen und Stimmungen. Über das Trio sagt sie: "Wir spielen auf Augenhöhe und sind jederzeit bereit, neue Wege zu gehen. Das erfordert eine große Risikobereitschaft. Ich kann auch die Verantwortung abgeben und mich gehen lassen".
Das erste Stück macht in den Klangfärbungen und in der dynamischen Gestaltung dem Titel alle Ehre. Da erleben wir eine Klangwoge nach der nächsten, blitzen beim Hören Bilder von Courbets „Woge“ ebenso auf wie die expressiven Farbmeere von Emil Nolde. Wie gesagt, der Bassist hat seine kurzen Momenten, aber die Tastenflut überrollt den tieftönigen Saitenklang. Clara Haberkamp scheint Meeresrauschen pur zu inszenieren, unbändig, ungestüm. Weniger expressiv ausgeformt ist „Fantasmes“. In diesem Stück vernimmt man zwar die dunklen Klangfärbungen, die der Bassist zum Stück beisteuert, teilweise auch in dem Versuch als zweite Stimme wahrgenommen zu werden. Doch nachhaltig ist doch das eher perlend angelegte Tastenspiel, das einem mäandrierenden Bächlein gleicht. Zurückgenommen ist das Spiel der Pianistin keineswegs. Das rückt die beiden Mitspieler des Trios ein wenig in den Hintergrund, oder? Schweigen kann Clara Haberkamp in diesem Stück zu Potratz Saitenspiel nicht. Warum nicht? Denn der Bassist zeigt, dass der Bass nicht nur in Umbra schwärmen kann, sondern auch in hellen Sandtönen.
Sprudelnd ist gewiss ein passendes Adjektiv, um die Klanglinien zu beschreiben, die bei „Plateaux“ zu vernehmen sind. Auch die Kaskaden eines Wasserfalls fallen dem Hörer des Stück zu den Klängen ein. Die Pianistin bedient sich in ihrem Spiel des Diskant und überlagert damit den eher verhaltenen Saitenklang des Basses. Nach „On A Park Bench“ folgt der oben bereits aufgeführte Song aus dem Film „Der Blaue Engel“. Ist das als Hommage an Marlene Dietrich zu begreifen oder an den Komponisten Hollaender?
Getragen-lyrisch kommt „Enfold Me Like a Poem“ daher. Und dann, ja dann kann sich der Bassist auch mal kurz in einem Solo in den Fokus rücken. Doch das sind kurze Momente, denn ansonsten steht die Pianistin im Spotlight und sei es, dass sie dem Bassmotiv ein Pling-Pling hinzusetzen muss. Es folgen Titel wie „Counter-Curse“ und „If You Could Read My Mind“, ehe wir dann mit „Collage“ konfrontiert werden: Es scheint, dass bei diesem Track sich die Klänge nach und nach aus der Ferne herausschälen, dahinschmelzen und dahinfließen. Getragen ist das, was wir hören und erinnert in Teilen an ein Lamento. Mit dem Song „Danny Boy“ schließt das Album eines klassischen Klavier-Trios.
© ferdinand dupuis-panther
Info
https://www.clarahaberkamp.com
https://www.oliver-potratz.de/bands-infos-videos/clara-haberkamp-trio/
https://de.wikipedia.org/wiki/Jarle_Vespestad
Track Listing
Cycle
Fantasmes
Plateaux
On a Park Bench
Ich bin von Kopf bis Fuss auf Liebe…
Enfold Me Like a Poem
Counter-Curse
If You Could Read My Mind
Collage
Danny Boy