Christian von der Goltz Project – limbo

Christian von der Goltz Project – limbo

C

Two Nineteen Records

Nach einigen Jahren ohne Albumerscheinung präsentiert diese in Berlin beheimatete, moderne Mainstream-Band, bestehend aus den Musikern Henrik Walsdorff (altosaxophone), Rudi Mahall (bassclarinet), Martin Klingeberg (trumpet/euphonium), Christian von der Goltz (piano/compositions), Jan Roder (bass) und Kay Luebke (drums), nun ihr zweites Album "limbo".

Über das Album hören wir im O-Ton den Bandleader Christian von der Goltz: „Wie schon auf "paradise", der ersten CD des "cvdg projekt", die 2016 auf die Longlist der Deutschen Schallplattenkritik kam, wechseln sich komponierte Stücke mit harmonischen Mustern und traditionellen Jazz-Grooves mit freien Improvisationen ab. Ich bin sehr stolz darauf, einige der besten Musiker, die ich derzeit habe, in der Band zu haben, und ich denke, man kann hören, dass sie die Band und das Konzept lieben, das sich leicht mit "spiel, was du am meisten liebst" übersetzen lässt. Die Platte lässt sich zwar kaum in eine stilistische Kategorie einordnen, aber das ist vielleicht eher ein Problem der Kategorien als der Musik.“

Um es vorweg zu nehmen: Die vorliegende Einspielung wartet mit musikalischen Überraschungen auf. Bisweilen meint man, den Swing zu spüren und auch ein wenig Nat & Cannonball Adderley, doch im nächsten Moment erklingen Aufruhr, Chaos, freie Improvisation, Klangtsunami und Instrumentengewitter. Das ist nicht nach dem Geschmack eines jeden, aber es birgt überraschende Momente in sich, liegt doch  nicht ein nach Kalkül glatt gestriegeltes Album vor, das sich gängigen Subgenres unterwirft. Aber das war ja nicht zu erwarten, vergegenwärtigt man sich den zitierten O-Ton.

Mit „Über Los“ scheint uns die Band in die 1950er Jahre zu entführen und harmonisch meint man, hier und da auch Passagen von „Hit The Road Jack“ reloaded herauszuhören, oder? Zugleich ist das Swingende nicht zu überhören. Sehr gelungen sind die eingestreuten Solos der Bläser. Alles scheint im Fluss. Und auch der Bandleader tritt solistisch in Erscheinung, nicht in perlenden Sequenzen, sondern in Kaskaden der Tastenklänge. Insgeheim scheint es so, als sei man bei einer Jazztanzveranstaltung zugegen. Doch dann mit dem zweiten Stück namens „Neidkopf und das dahinter“ echauffiert sich einer der Bläser, kreischt und lässt die Atemluft durch sein Instrument streichen. Im Hintergrund erhebt sich ein Klangvorhang, an dem die Bläser und der Pianist beteiligt sind. Unruhe wird musikalisch umgesetzt. Man könnte auch an ein nahendes Gewitter denken.

Nahtlos geht es dann mit „Shlepping/Fleeing“ weiter. Sind wir dabei nun Ohrenzeuge eines Trauermarsches durch die Straßen von New Orleans? Anfänglich könnte man dies meinen. Doch dann löst sich einer der Bläser aus dem Bandkontext, begleitet vom Bassisten. Zitieren da nicht einige Bandmitglieder „Sentimental Journey“? Für einen Wimpernschlag möchte man das meinen. Sehr versiert führt dann der Saxofonist aus diesem „Musikzitat“ heraus, lässt dem Geist der freien Improvisation seinen Lauf. Nein, tatsächlich erklingt dann auch die eher bariton- und basslastige Stimme eines Euphoniums, ganz ähnlich einer Bassposaune und einer Tuba. Und dann ist da auch erneut das Thema, das an die „sentimentale Reise“ anzuknüpfen scheint. Perlendes Pianospiel ist obendrein Teil der musikalischen Inszenierung, die im Abschluss überaus temporeich daherkommt. Fragmente, die aneinandergefügt werden, machen „Hush“ aus. Stimmen blitzen auf, verschwinden, verharren im Bass, scheinen guttural gestimmt.

Nachfolgend setzt sich die musikalische Collage in „Was, wenn und dann“ fort. Man meint, man folge einem aufgeregtem Stimmgewirr in einer Debatte, bei der keiner nachgeben möchte.  Und dann ja dann präsentiert uns das Christian von der Goltz Project „Happiness, Dancing“ und zugleich auch eine Hommage an die Adderley Brothers, oder? Jedenfalls ist dieses Stück wirklich so gestaltet, dass man das Tanzbein schwingen möchte. Ein besonderer musikalischer Leckerbissen ist das Trompetensolo als Teil des Stücks. Und auch der Altsaxofonist sowie der Klarinettist tragen zur musikalischer Freude und zum Glück bei.

Die Titel der Stücke sind durchaus gewöhnungsbedürftig, so auch „Besenkammer und angrenzende Bereiche“, wieder eine Klangkollage mit schnalzenden Bläsern und einem dumpfen Wauhwauh. Ähnlich wie zu Beginn ist auch das Ende der Einspielung gestaltet. „Serenade“ heißt es dann und wir vernehmen eher bedächtig vorgetragene Melodielinien. Barmusik zur blauen Stunde oder musikalischer Höhepunkt auf einem Tanzmarathon?

© fdp2023


https://christianvondergoltz.blog
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https://www.janroder.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Henrik_Walsdorff
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudi_Mahall


Tracks

1. Über Los
2. Happiness, Dancing
3. Shlepping/Fleeing
4. Hush! (Fauna)
5. Ballade in gelbgrün
6. Was, wenn, und dann
7. Running In Circles
8. Besenkammer
9. Serenade


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