Camille Bertault / David Helbock – Playground
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ACT
„Camille Bertault und David Helbock, zwei Ausnahmekönner des jungen europäischen Jazz erkunden das unermesslich-wundersame Spielfeld des Jazz. Sie ist Frankreichs Rising Star des Jazzgesangs und der Österreicher einer der interessantesten Pianisten des Kontinents. Auf den ersten Blick zwei Persönlichkeiten wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Die quirlige, humorvolle Bertault und der besonnene, in sich ruhende Helbock wirken aber nur äußerlich verschieden, denn musikalisch ticken sie gleich: Beide sind sie beispiellos wandelbar und fesselnde Geschichtenerzähler mit einem tiefen Sinn für Klangfarben und großer Lust, die Grenzen ihres Metiers zu sprengen. „Playground“ präsentiert ein wesensgleiches Klavier-Gesangs-Duo, opulent und vielseitig.“ So lesen wir es im Pressetext zur vorliegenden Veröffentlichung.
Dass David Helbock ein Faible für brasilianische Musik hat, zeigt sich nicht nur beim Eröffnungsstück des Albums, einer Komposition von Egberto Gismonti, sondern auch im Schlussstück „Para Hemeto“. Das eingespielte Repertoire entstammt überwiegend aus der Feder beider Musiker. Allerdings gibt es mit „Ask Me Now“ eine Verneigung vor Thelonious Monk . Zudem findet sich auf dem Album ein Stück des russischen Pianisten, Komponisten und Synästheten Alexander Scriabin.
Lyrik/Text und rhythmisierter Tastenklang mit Bassgründungen „paaren“ sich auf dem Album. Stakkatosetzungen des Pianisten und lautmalerischen Gesang, der dahin zu schweben scheint, vernimmt man bei „Frevo“. Stimme und Klavierpassagen verschränken sich, verweben sich, entfernen sich von einander, driften wechselnd in Höhen und in Tiefen. Beide Musiker zeigen sich gleichberechtigt, lassen sich Raum. So kann Helbock auch sein dynamisches Klavierspiel entfalten, das einer Meeresbrandung gleicht. Bertault hingegen lotet die Klangbreite ihrer Stimme aus, folgt dabei bisweilen in ihrer eigenen Lage dem rasanten Tastenspiel Helbocks.
Mit einem Hauch Blues kommt „Lonely Supamen“ daher. Das ist vor allem David Helbock zu verdanken, der ein sehr akzentuiertes, sich aus Basstiefen entwickelndes Pianospiel pflegt, auch wenn er dann und wann im Diskant unterwegs ist. Camille Bertault zeigt sich zeitweilig in „clownesker Manier“, aber ohne eine rauchig-raue, tiefe Blues-Stimme, wie wir sie von afroamerikanischen Sängerinnen, einschließlich Nina Simone her kennen. Bertaults Stimme klingt zwar nicht zerbrechlich, aber ist eher in den Sopranhöhen daheim und nicht in den Tiefen des Blues. Schwebend über den Klaviersequenzen erleben wir Bertault in ihrem Gesang in „Étude in C-sharp minor, Op. 2, No.1“. Der Gesang gleicht dabei Verwischungen in Kreidezeichnungen, derweil David Helbock die stimmlichen Gründungen und klanglichen Pfahlsetzungen verantwortet.
„Aide Moi“ zeigt zu Beginn Anlehnungen an Konnakol, ehe dann das Textliche die Oberhand gewinnt. Die Klavierpassagen scheinen wie Kehr- und Wildwasser, wie die Wasserwalze an einem Wehr, ohne Unterlass strömend. Sobald aber der Gesang einsetzt, nimmt sich Helbock zurück, verzichtet auf die tonalen Strudel und Gezeiten. Die Basssetzungen vereint Helbock in „Das Fabelwesen“ mit kristallinen Klängen, ehe dann Bertault ihre teils gehauchte Stimme erhebt und dabei stimmlich an die bekannten Ladys im Jazz anknüpft, die einst die heute zum Standardrepertoire gehörenden Broadway-Melodien vortrugen. Die textfreien Passagen füllt Helbock mit beeindruckenden Basswellen und klirrenden Diskantläufen.
Zunächst vernehmen wir gedämpfte Klaviersaiten und stimmlich „Björksche Lautmalereien“ in „Dans ma boîte“, ein Stück, das im Folgenden zwischen Tempi driftet und in dem auch das Rhythmische zelebriert wird. Das Monksche „Pling, Plang, Plong“ lässt sich beim Vortrag von „Ask Me Now“ dechiffrieren, obgleich der gesangliche Vortrag das ein wenig verwischt und die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf den Text lenkt. Und zum Schluss wird eine Hommage an den brasilianischen Multiinstrumentalisten Hermeto Pascoal angestimmt, wenn „Para Hermeto“ zu hören ist. Dabei läuft Bertault zu Hochform auf, lässt feinste Verästelungen von Scat Vocals hören, ohne jedoch den Vortrag zu dominieren. Helbock schafft sich auch bei diesem Stück Räume, um sein virtuoses Klavierspiel zu manifestieren, auch und gerade in diesem Stück mit ausgeprägtem Latin Flavour.
© ferdinand dupuis-panther
Infos
www.davidhelbock.com
www.camillebertault.com
Playlist
01 Frevo 5:08
(Egberto Gismonti)
02 Good Morning Heartache 5:49
(Irene Higginbotham, Ervin Drake, Dan Fisher)
03 Lonely Supamen 3:06
(David Helbock)
04 Étude in C-sharp minor, Op. 2, No.1 3:02
(Alexander Scriabin)
05 Aide-moi 3:52
(Camille Bertault)
06 New World 5:29
(Björk)
07 Das Fabelwesen 5:03
(David Helbock)
08 Dans ma boîte 4:04
(Camille Bertault)
09 Ask Me Now 5:12
(Thelonious Monk)
10 Never Lived 2:52
(David Helbock)
11 Biarre 4:23
(Camille Bertault)
12 Para Hermeto 4:14
(David Helbock)