Calle Rasmusson - ONE
C
Prophone Rec. /Naxos Schweden
Seit Jahrzehnten ist Calle Rasmusson Teil der umtriebigen schwedischen Musikszene, als Drummer, Komponist und Arrangeur. Dabei arbeitet er mit sehr bekannten schwedischen Jazzmusikern wie Rigmor Gustafsson, Mathias Algotsson and Peter Asplund zusammen. Als Arrangeur blickt er zudem auf die Zusammenarbeit mit international anerkannte Künstlern wie Chaka Khan, Cory Henry, Lalah Hathaway und Ibrahim Maalouf zurück.
Nun liegt mit „One“ das Debütalbum des Drummers vor. In diese Veröffentlichung flossen zwei Projekte ein: Das Roots Project wurde von der Provinz Halland ausgeschrieben und besteht aus der Musik, die Calle für ein zehnköpfiges Ensemble komponierte. Das Orchestra Project war darauf angelegt, die Freiheit eines Trios mit der reichen Textur eines Kammerorchesters zu verbinden. Dabei fußt das Projekt auf Aufnahmen des schwedischen Pianisten Adam Forkelid und des Bassisten Kristian Lind, während Calle die Arrangements und neue Musik für das Orchester DalaSinfoniettan schrieb und mit dieser Musik das „Spiel“ des Trios bereicherte.
Hören wir mal einen O-Ton von Calle Rasmusson zu seiner musikalischen Arbeit: „ I’ve always been fascinated by the freedom of playing in a trio setting. For me, it’s the perfect sized group if you as a musician want to create and shape the music in the moment. At the same time I’m very fascinated by the sound and the energy that only a large ensemble can produce. The purpose of this project was to combine the playfulness of the trio with the many textures of the orchestra.“
Zu den Tracks des Albums zählen u. a. „The Kingdom“ als Opener, „Här och där“, „Isthmus“, „October“, „Promenade“ und „Rubbel Moral“ sowie zum Abschluss „The Stars“.
Die Zahl der beteiligten Musiker der Projekte ist groß, sodass nur einige genannt werden sollen: Frederike Davidsson (Trumpet, Fluegelhorn), Björn Claeson (Flute, Alto Saxophone, Acoustic Guitar), Peter Fredman (Flute, Clarinet, Bass Clarinet, Soprano Saxophone, Baritone Saxophone), Per Thornberg (Tenor Saxophone, Keyboards), Martin Söderlund (Trombone), Carl Mörner Ringström (Acoustic & Electric Guitars), Magnus Hjorth (Piano), Max Thornberg (Acoustic Bass), Klas Assarsson (Vibraphone, Marimba, Percussion), Adam Forkelid (Piano, Celesta), Kristian Lind (Acoustic Bass), Calle Rasmusson (Drums, Percussion, Timpani, Keyboards, Conductor). Dazu kamen noch die Musiker des DalaSinfoniettan mit acht Geigern, vier Violaspielern, zwei Cellisten, zwei Kontrabassisten, zwei Flötisten, einem Oboeisten, einem Hornisten, vier Klarinettisten, zwei Waldhornisten und zwei Trompetern. Unschwer kann man sich nach diesen Aufzählungen die Allgewalt beider Ensembles vorstellen!
Hören wir da nicht zu Beginn der Komposition „The Kingdom“ ein Vibraphon mit schwingenden Klangstäben? Oder handelt sich schlicht um ein moduliertes Tasteninstrument? Danach drängen sich zart und Schritt für Schritt einzelne Bläser in den Vordergrund. Trotz sich dann entwickelnder Bläsermacht entsteht zum Glück kein klassischer Big-Band-Sound. Das ist auch der Melange aus den anderen Instrumenten geschuldet, die unter die Bläser gelegt wurden und bisweilen auch herausfordernd nach vorne drängen. Sie scheinen vertieft in einem rhythmischen Spiel mit Redundanzen. Ja, ein Schlagzeug ist auch zu hören, aber erst im weiteren Verlauf der Komposition. Gleiches gilt für die Verflüssigung des Klavierspiels, das eher an einen Malstrom und an dichte Wasserwirbel denken lässt, mit und ohne Triller.
In der Mitte von „The Kingdom“ übernehmen die Bläser die Führungsrolle im musikalischen Geschehen. Teilweise lösen sich einzelne aus dem Tutti. Ist da nicht auch eine vorwitzige Gitarre im Verbund der Bläser zu erleben? Wechselnde Bläsersätze machen das Stück im übrigen hoch lebendig.
Aufbäumen und Entspannen scheinen die Spielarten zu sein, die das Stück durchziehen. Auch das Wimmern und Jaulen einer Gitarre ist wahrzunehmen. Mit Big Band hat das nun ganz und gar nichts zu tun. Eher wandelt die Komposition gegen Ende auf rockigen Pfaden, scheint mehr mit Jazz Rock verknüpft als mit orchestralem Überfluss verbunden.
Streicher beinahe im Off belassen, angetippte schwarze und weiße Tasten im Fluss, bisweilen im hohen Diskant zu hören, sakral anmutende „Liedpassagen“, eine gewisse Portion Melancholie und Traurigkeit – daraus erwächst das Stück „Här och där“. Sind da nicht auch eine Oboe und Hörner für die Klangfärbungen verantwortlich? Die Streicher legen für dieses Stück eine Art Fundament. Besen streichen über Trommelfelle. Ein wenig an einen plätschernden Springbrunnen erinnernd – so entwickeln sich die Klänge des Klaviers, Stück für Stück. Immer wieder treten Passagen auf, die schwermütig anmuten, und das bis zum Ende.
Über dem wiederkehrenden Tastenklang schweben Bläsersequenzen beim Stück „Isthmus“, das auch ein wenig an Tanzmusik denken lässt. Sehr fein gesponnen ist ein Trompetensolo zu südamerikanischen Rhythmen. Nach diesem Solo greift einer der oben genannten Pianisten in die Tasten. Durch Bläserzugaben ergibt sich dann doch ein gewisser Big-Band-Klang, der ansonsten beim Vortrag von Calle Rasmusson und seinen Mitmusikern weitgehend abwesend ist. Dass immer nur „Versatzstücke von Big Band“ zu vernehmen sind, ist im vorliegenden Stück dem Gitarristen Carl Mörner Ringström zu verdanken, der ein ums andere Mal wie bei anderen Stücken auch für ein Häppchen Jazz Rock sorgt. So verschmelzen zwei „Stilrichtungen“ zu einem harmonischen Ganzen. Tanzmusik trifft Jazz Rock, so könnte man verkürzt sagen.
Xylofon oder was – das ist die Frage zur Instrumentierung zu Beginn von „Doppelmoral“, einem Stück, das vor allem durch die dicht gesetzten Streicher die notwendigen Farben der musikalischen Palette erhält. Ein verhalten-perlendes Klaviersolo ist Teil der Farbfacetten, die dem Stück beigemischt wurden. Dazu gehört auch das Wischen des Schlagzeugers mit den Besen, derweil Tastenklänge dahin rinnen, und ein sehr bewegter Bass die Stimme erhebt. Doch dann ist es an den vereinten Streichern für eine anhaltende Klangbasis zu sorgen. Gewiss, Flöten und Oboe tragen auch dazu bei, dass das Stück in Richtung klassische Musik driftet.
Das Ende von „One“ bildet die Komposition „The Stars“. Solistisch darf sich dabei einer der Pianisten vorstellen. Filigran ist das Tastenspiel zunächst angelegt. Doch dann entwickelt sich nachhaltig eine basslastige Kontur. Im weiteren Verlauf drängt sich außerdem die Nähe zu sakralen Weisen auf. Einen dichten Klangteppich bilden die Streicher. Diesen durchbricht hier und da ein Tastenklang des Pianisten, der damit die Färbung des Stücks aufhellt.
Text: © ferdinand dupuis-panther / The review is not public commons!
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