Atzko Kohashi & Tony Overwater – Crescent (fdp)

Atzko Kohashi & Tony Overwater – Crescent (fdp)

A

Jazz in Motion

Atzko & Tonys jüngstes Album "Crescent" – der Bezug zu John Coltrane ist eine bewusste Entscheidung – wurde  mitten in der pandemischen Lage in den Niederlanden im Beauforthuis, einer ehemaligen Kirche, eingespielt. Bei ihren Aufnahmen ließen sich der Bassist und die Pianistin von der Musik Coltranes inspirieren. Über das Album lesen wir in einem englischen Pressetext Folgendes: „It is said that people have long considered the gradually waxing moon to be a symbol of the fulfilment of their wishes, and that praying to the crescent moon was a special occasion. The crescent moon, which reflects the sunlight and waxes day by day, is like a piece waiting to be fully formed. You do not just entrust your dreams but you set your sights and your hopes, looking forward to the future and preparing to take action. It is no wonder that Coltrane's Crescent connected with their hope to realize this recording session.“

Coltrane ohne Tenor- oder Sopransaxofon – geht das? Ja, es hängt einfach vom Arrangement ab. Dabei kann man bei „Wise One“ bisweilen den Eindruck gewinnen, dass der Kontrabassist an die Stelle Coltranes getreten ist. Doch es gibt auch ein Wechselspiel mit der Pianistin, die ähnliche klangliche Verläufe skizziert wie der Bassist des Duos Tony Overwater & Atzko Kohashi. Auffallend ist der lyrische Duktus, in dem die beiden Musikern zu erleben sind. Keiner von beiden stellt sich dominant in den Fokus. Das wäre für eine so intime Formation wie ein Duo auch nur kontraproduktiv. Das Original ist übrigens auf dem Album „Crescent“ zu finden. Zu hören sind bei der Aufnahme von 1964 John Coltrane (sax), McCoy Tyner (piano), Jimmy Garrison (bass) und Elvin Jones (drums). Das ist gewiss ein gänzlich anderer Klangkörper als das Duo Tony Overwater & Atzko Kohashi. Zudem lässt sich auch die Stimme eines sonoren, weichzeichnenden Altsaxofons kaum mittels Kontrabass und Piano ersetzen. Die Anfangspassagen wie auch weitere der Duo-Einspielung entsprechen gänzlich dem Original. Doch Overwater kann nicht den Bass des Coltrane-Quartetts und zugleich die führende Stimme des Saxofons ersetzen. Teilweise übernimmt diesen Part auch die Pianistin. Im Gesamteindruck ist das Duo-Arrangement allerdings sehr viel mehr einem schmelzenden Klang verschrieben, als dies bei Coltranes 4tet der Fall ist.

Nicht von Coltrane, sondern von Bob Haggart wurde „What’s New“ komponiert, ein Stück, das ebenfalls Eingang ins aktuelle Album gefunden hat. Getragen und episch ausgebreitet erscheint die Version, die zum Beispiel der Altsaxofonist Vincent Herring mit einem Quartett 2017 im Thelonious Club (Buenos Aires) zum Besten gegeben hat. Vom Duktus her entspricht der Vortrag auch in seiner lyrischen Ausformung Coltranes „Wise One“. Und wie geht das Duo mit seiner begrenzten Instrumentierung diesen Titel an? Na ja, den Solos sind im Duo Grenzen gesetzt, auch in den Klangfärbungen natürlich. Dunkle Basslinien vernehmen wir zu Beginn der Duo-Version, gefolgt von kaskadierenden Piano-Klängen. „Untergezogen“ unter die Piano-Phrasierungen sind geerdete Basstönungen. Beim Zuhören drängt sich mehr und mehr das Bild von einer Kette von Stromschnellen auf, die es zu meistern gilt. Da scheint sich Wildwasser unterschiedlicher Form zu mischen. Mit großer Geste erleben wir die Pianistin, die ein Aquarellgemälde des Klangs vor uns vollendet.

„De Boot“ ist eine Komposition von Tony Overwater. Es ist die einzige Eigenkomposition und das ist bei aller Verehrung für das kompositorische Werk von Coltrane bedauerlich. Irgendwie fehlt auch eine Komposition der Pianistin für die Balance des Albums, oder? Zerbrechlich mutet das Piano-Spiel an. Es scheint als würden zerbrechende Eiszapfen von der Dachrinne auf die Straße fallen. Erst nach und nach mischt sich der Bassist in die Piano-Passagen ein, die dann auch eher erdfarbene Tönungen erhalten. Rollend wird der Duktus, so wie sich Wolkengeschiebe aufrollend am Himmel formieren. In gewisser Weise atmet das Stück auch Weite, scheint eine musikalische Landschaft zu zeichnen, die den Blick auf den Horizont öffnet. Das eher Liedhafte ist sehr markant. Angesichts des Titels mag man auch an das Bild eines auf den Wogenkämmen tanzenden Bootes denken. Das trifft dann aber lediglich bei den Piano-Passagen zu. Die Linien des Basses sind eher bodenverhaftet, gegründet und im Boden verwurzelt. Was also erzählen sie? Das Anlanden eines Bootes, den Feierabend eines Fischers, der sein Boot auf den Strand gelegt hat und seine Netze für den nächsten Fang klarmacht?

Namensgebend fürs Album ist „Crescent“ – auch auf John Coltranes gleichnamigem, oben erwähnten Album zu finden. Der gestrichene Bass lässt in diesem Stück aufhorchen. Von seinem Klangvolumen erinnert nun gar nichts an das Altsaxofon von Coltrane. Das Tempo des Stücks lässt an die hereinbrechende Nacht denken. So verheißt uns die Pianistin mit ihren Sequenzen, dass der Feierabend angebrochen ist, dass einige zur Ruhe gehen, derweil der Mond fahl am Himmel scheint. Und was besingt danach der Bass? Einer von zwei Titeln auf dem Album, für die Charlie Haden verantwortlich zeichnet, ist „Nightfall“. Bei diesem Stück schwingt ein wenig Wehmut mit, lässt man die Harmonien und das perlende Spiel der Pianistin auf sich intensiv wirken. Da fühlt man sich an Gemälde nordischer Symbolisten erinnert, die entfremdete Paare zeigen, die aufs Meer starren. Auch der Bassist ist bei seinem filigranen Solo in diese eher düstere Stimmung eingebunden. Melodramatik bis zur letzten Note ist präsent, oder? Zum Schluss hören wir „As Long As There`s Music“, komponiert von Jule Styne. Dabei handelt es sich um ein Stück, das sich nahtlos in die übrigen Stücke des Albums einfügt.  

Fazit: Um das vorliegende Album in vollen Zügen genießen zu können, muss man sich von den Originalen befreien, sollte sich ausschließlich dem vorliegenden Album widmen und nicht dieses mit dem Hören von Coltranes Album „Crescent“ verbinden. Dann lernt man auch die feinen Tönungen der Duo-Einspielungen zu schätzen.

© ferdinand dupuis-panther




Infos :

Tony Overwater - Double bass
https://www.tonyoverwater.com

Atzko Kohashi - Piano
https://www.atzkokohashi.com


Tracks :

1.  WISE ONE (00:05:12) – John Coltrane               
     2. WHAT`S NEW (00:04:53) – Bob Haggart          
     3. LONNIE`S LAMENT (00:07:03) – John Coltrane               
     4. DE BOOT (00:06:53) – Tony Overwater               
     5. CRESCENT (00:04:56) – John Coltrane               
     6. NIGHTFALL (00:04:02) – Charlie Haden           
     7. MR.SYMS (00:04:56) – John Coltrane          
     8. OUR SPANISH LOVE SONG (00:05:37) – Charlie Haden               
     9. AS LONG AS THERE`S MUSIC (00:04:55) – Jule Styne      


In case you LIKE us, please click here:




Foto © Leentje Arnouts
"WAGON JAZZ"
cycle d’interviews réalisées
par Georges Tonla Briquet


our partners:

Clemens Communications


 


Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse


Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée


Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant


Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon


Special thanks to our photographers:

Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte

Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper

Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein

Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre

Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten

Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden

Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner


and to our writers:

Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst