Anna Koroleva – Antigravity

Anna Koroleva – Antigravity

A

Jazzist

„Anti-Schwerkraft“ so nennt die Saxofonistin, Pianistin und Vokalistin Anna Koroleva ihr vorliegendes Album. Es ist das zweite Album, dass bei dem russischen Label Jazzist erschienen ist. Zwei Jahre zuvor hat die Musikerin das Album „Ocean Inside” herausgebracht. Dabei verband sie russische Folklore mit modernem Piano-Jazz. Nunmehr ist sie auf den Spuren von Bop unterwegs, durchaus mit Sinn für Swing und "Platin-Aroma".  Zugleich ist ihre Musik auch als Verneigung und ein Augenzwinkern zu verstehen. Beides gilt Eric Dolphy und Paul Bley.  Zu hören ist aktuell das Quartett um die russische Pianistin und Saxofonistin bestehend aus Daria Chernakova (double bass), Vartan Babayan (drums) und Anton Baronin (piano). Subtil und nicht linear ist das Spiel des Pianisten, sodass der Hörer des Albums hier und da an Keith Jarrett und dessen Quartett denken muss.

Alle Kompositionen lassen Raum für die Entfaltung, für Improvisationen und kreative Erkundungen. Das gilt auch für  Anna Koroleva. Sie folgt in ihren Phrasierungen und Paraphrasierungen keinen festen Mustern, sondern begibt sich stets auf neue Pfade. Auf diese folgen ihr ihre Mitmusiker.

Beginnen wir mit der Komposition  „Meet Today“. Der Drummer stimmt uns ein und dann folgt ein Bläsersatz, der uns den Hüftschwung lehrt. Samba oder was, fragt man sich, oder? Nein, ist vielleicht doch Salsa die Vorlage gewesen? Ein wenig Latin Fever vermittelt Koroleva mit ihrer Band auf alle Fälle. Hier und da muss man an die Musik von Paquito de Rivera denken, oder? Im Laufe des Stücks gerät die Saxofonistin in eine echte Spielekstase. Dies überträgt sich in abgemilderter Form auf den Pianisten, der ein fulminantes Tastenspiel an den Tag legt. Bei diesem kann man als Zuhörer kaum stillstehen. Das Wippen der Schuhspitzen ist nicht genug, um der Musik zu folgen. Wie sich der Herbst anfühlt, vermittelt uns das Quartett in dem Track „Feeling of Autumn“. Das Rauschen vergilbter Blätter und ein säuselnder Herbstwind – das scheint uns die Saxofonistin in ihrem musikalischen Vortrag zu vermitteln. Ein wenig „Autumn Leaves“ scheint sich dabei auch einzubringen. Nein, nicht Akkord für Akkord, sondern eher vom Gefühl, das mit der Musik einhergeht.

Bei „Aquatil de Coca“ macht uns der Pianist tatsächlich glauben, wir lauschten sanft gurgelndem und plätscherndem Wasser. Sobald dann Koroleva ihren Holzbläser zum Schwingen bringt, werden wir von Latin Fever eingenommen. Zugleich vernehmen wir Verknüpfungen mit Bop.2.0. Die Rhythmusgruppe nimmt übrigens  gegen Ende dann das Flair von lateinamerikanischer Tanzmusik auf. Schnurrend und weich-samten ist die Saxofonistin bei „Blues Waltz“ zu vernehmen. Auch ein wenig Soul legt sie an den Tag. Wer beim Hören an die The Temptations oder an einen der bekannten Bluesbarden und -gitarristen wie B.B. King denken muss, der hat sich in die Musik des russischen Quartetts und in den Blues wahrhaftig eingegroovt. Mit energischen Setzungen macht der Pianist im Weiteren auf sich aufmerksam. Dabei scheint er mit Tuschfarben ein farbenfrohes Aquarell zu malen, so jedenfalls ein Bild zur Musik.

Namensgebend für das Album und zugleich die vorletzte Aufnahme auf dem Album ist „Antigravity“. Lauscht man den Passagen der Altsaxofonistin , so überkommt den Hörer der Eindruck, dass sie sich musikalisch erhebt, davonschwebt und für Momente die Bodenhaftung aufgibt. Doch stets kehrt sie wieder zu den Anfängen zurück, versteigt sich in Paraphrasierungen, die den vollen Tonumfang des Altsaxofons nutzt. Die Rhythmusgruppe scheint derweil wie ein Fundament, auf dem die Saxofonistin baut. Im Solo des Pianisten vernimmt man Perlendes, Sprudelndes, Rinnendes, sieht musikalische Fontänen aufsteigen. Auch der Bassist meldet sich in einem Solo mit Saitensprüngen, die an die Phrasierungen der Saxofonist anknüpfen. Zart ist die Begleitung des Pianisten dazu. Doch die Farbsetzungen liegen in der Hand von Anna Koroleva. Gestische Verwischungen gleicht das, was sie spielt. Zum Schluss begegnen die Hörer dann dem Mann im Mond: „Moon Man“. Wie Wildwasser, das auf Kehrwasser trifft, erscheint das Spiel des Pianisten, sehr dramatisch, sehr wild, sehr unbändig, im steten Flow, durchaus auch mit Zitaten an klassische Musik. Nach dem unbändigen Beginn verstetigt sich das Spiel, das aber noch Basspassagen aufweist, die an eine Wasserwalze und einen starken Wassersog denken lassen. Weich gezeichnet erhebt dann Anna Koroleva ihre Stimme. Vom Charakter der Musik her ist der Zuhörer dann Ohrenzeuge einer Ballade. Wer die Malerei der Romantik mit Stadt- und Hafenansichten sowie fahlem Mondlicht kennt, der erlebt beim Abschlussstück des Albums musikalisch Entsprechendes.

© ferdinand dupuis-panther




Info

Line-up

Anna Koroleva: alto sax
Anton Baronin: piano
Daria Chernakova: double bass
Vartan Babayan: drums

Tracks

1. Meet Today
2. 14
3. Feeling of Autumn
4. Aqua de Coco
5. Blues Waltz
6. Antigravity
7. Moon Man


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