The Sound of Finland Spring 2025

Various
WeJazz Records / Eclipse Music
Kannaste4 / Jukka Haavisto / Pauli Lyytinen Rabbit Hole / Tomi Salesvuo East Funk Attack / Tuomas Paukku / Varre Vartiainen with Mike Stern
Foto © Tapani Hellman
Kannaste4 - Out Of Self and Into Others
WeJazz Records
Der Tenorsaxophonist Jussi Kannaste aus Helsinki hat lange auf sein Debütalbum als Bandleader gewartet. Der als Bandmitglied gefragte Spitzenmusiker der lokalen Szene präsentiert nun sein neues Werk Out Of Self and Into Others auf We Jazz Records. Sein Quartett Kannaste4 bringt die finnischen Musiker Tomi Nikku (vom Bowman Trio) und Joonas Riippa sowie den in Berlin lebenden schwedischen Bassisten Petter Eldh (von Koma Saxo / Post Koma und Y-OTIS) zusammen und bietet ein komplett von Kannaste geschriebenes Programm. Seine Musik ist sehr persönlicher zeitgenössischer Jazz, der sich an avantgardistische Ausdrucksformen anlehnt. Mal leise wie ein Flüstern, mal feurig und schwungvoll, ist Out Of Self and Into Others ein Produkt voller Klang-Marinade, ein Debütalbum, das sich nach viel mehr anfühlt als „nur“ das. So liest man im Kontext der Albumveröffentlichung.
Zunächst vernehmen wir Fanfarenklang bei „New Life“. Aus diesem Klang entwickelt sich ein langes Solo des Saxofonisten Jussi Kannaste, ehe es wieder in den Fanfarenklang zurückgeht. Überaus deutlich wird in diesem Stück, dass das Saxofon das dominante Instrument ist, dass klangliche Farbtupfer an Farbtupfer setzt. Die übrigen Musiker agieren eher im Hintergrund, wenn auch deutlich wahrnehmbar, so auch der Bassist. Und dann ist es am Trompeter die musikalischen Schraffuren zu zeichnen und aufzunehmen, was der Saxofonist zuvor zum Besten gegeben hat. Würde man aus der Musik eine Kurve gerieren, so müsste diese aus aufsteigenden Zickzacklinien bestehen. Hier und da hat man im Übrigen die Vorstellung, Hanns Eisler hätte das Stück mitkomponiert. Bassschläge eröffnen „The Bridge“, ehe man das zurückgenommene Gebläse des Saxofonisten hört. In dieses fällt anschließend der Trompeter Tomi Nikku ein. Trompeter und Bassist Petter Eldh skizzieren im Weiteren die Komposition, die auch etwas Tragisches und Bedrückendes ausstrahlt. Ein Hörgenuss besonderer Art ist das Solo von Eldh. Zu diesem agiert hier und da auch der Schlagzeuger, aber ansonsten kann man sich voll auf die Tieftönigkeit einlassen. Getragen geht es in diesem Stück zu, in dem man ab und an denken kann, der Tenorsaxofonist würde, vom Klang her betrachtet, ein Baritonsaxofon an seine Lippen setzen.
„No Name“ – Glockenspiel oder Schellenspiel denkt man zu Beginn. Zugleich hat man den Eindruck man lausche dem Klang einer Turmuhr und deren Minutenschlag. Basslastigkeit wird angefügt, dank an Petter Eldh. Und mit spitzen Klängen macht der Trompeter auf sich aufmerksam. Jeder der Musiker scheint eine Intervention zu inszenieren und sich auf ein Wechselspiel der Klänge einzulassen, auch der Tenorsaxofonist.
Mit weichen Trompetenklängen wartet „It’s All Good“ auf und dazu vernimmt man dumpfe „Basschritte“. Schließlich vereinen sich Trompeter und Saxofonist zu einem Duett. Der Charakter des Stück mutet ein wenig als Lamento an. „Pause“ gibt dem Schlagzeuger die Chance an seinem Schlagwerk zu agieren. Dabei hat man als Höreindruck die Vorstellung, Kesselpauken unterschiedlicher Größe würden zum Schwingen gebracht. Gepresste Atemluft dringt zu Beginn von „Elegy“ ans Ohr des Hörers. Aus dieser Atemluft, die ein Beiwerk zu den Klängen des Saxofons ist, entwickelt sich ein sonores Gebläse, das teilweise auch nach einer Klarinette klingt, oder? Besinnlichkeit ist ein Charakteristikum, das auf das Gehörte zutrifft. Und zum Schluss heißt es: „It’s All Good – repris“.
© fdp 2025
BANDCAMP
Musicians
Jussi Kannaste, tenor saxophone
Tomi Nikku, trumpet
Petter Eldh, double bass
Joonas Riippa, drums
Tracks
New Life
The Bridge
Ups and Downs
No Name
It’s All Good
Different Worlds
Pause
Elegy
It’s All Good – repris
All compositions by Jussi Kannaste, except ”Pause” by Joonas Riippa
Jukka Haavisto - Live at Eclipse Jazz Club
Eclipse Music
Kurz und knapp zur Entstehung des Albums und zum Bassisten Jukka Haavisto einige Zeilen aus dem vorliegende Pressetext: „Haavisto has done extensive work both in the studio and as a live musician. In addition to his own band he plays and performs with many different artists and ensembles. Among these, e.g. Jukka Haavisto Trio, Bossapoika, Beat, Bass & Bone, Heiskanen Bayatz Baharatz, VENHA and Helsinki Headnod Convention. Haavisto studied at the University of Stavanger, Norway, where he graduated with a master's degree in music performance and jazz improvisation in 2016. Live at Eclipse Jazz Club follows Haavisto’s acclaimed 2022 debut album, Reflections, which introduced audiences to his guitar-driven fusion sound. With influences rooted in iconic 70s fusion jazz, Reflections was praised for its compelling compositions and the synergy between Haavisto and his bandmates.“
Längst haben junge Musiker die Pfade von sortenreinen Genres verlassen. Die Grenzen sind fließend geworden. Da bedient man sich an Fusion, an Jazz Rock, Folk, Singer/Songwriter. Das gilt auch für Jukka Haavisto und seine Mitmusiker. Ja, Phrasierungen und Paraphrasierungen wie im Jazz sind vorhanden, Improvisationen weniger, Soloeinschübe durchaus. Bereits bei den ersten Klängen des Albums stellt sich die Frage nach dem Genre oder besser auch nicht. Denn Schubladendenken sollte man abstreifen. Es verstellt nur den Blick und blockiert das offene Ohr. So wie Deep Purple, Blood, Sweat & Tears, Spyra Gyra, The Nice und anderen Bands der späten 1970er und 1980er Jahre sich nicht um lupenreine Genres gekümmert haben, so ist das auch bei der gegenwärtigen Generation von Musikern.
„Opus nr 11“ hat eine veritable „Rockwürze“, ohne in ein banales Schema zu verfallen. Da vernimmt man die steten Basslinien zu den schrill anmutenden Klängen des Keyboards, durchaus im Fahrwasser kaskadierender Klangmuster. Starke Rhythmik prägt das Stück, das durch Haavistos Bassspiel geerdet wird. Doch die Farbgebung bestimmt über weite Strecken Vili Itäpelto an den Tasten. Satt ist der Gitarrenklang von Johannes Granroth. Übereifrig wäre es, Parallelen zu den oben genannten Rockbands und deren Klangbildern zu ziehen. Und doch es scheint, dass wir mit Granroth in vergangene Jahrzehnte der Rockmusik eintauchen. „Opus nr 8“ folgt auf dem Fuße. Temporeich ist das Stück und dem Tempo entzieht sich auch der Bassist nicht, vorangetrieben vom Drummer Severi Sorjonen. Keyboards und Bass verfolgen streckenweise ähnliche melodische Linien. Stetig in welligem Auf und Ab bewegt sich der Zuhörer mit den Farbtupfern des Keyboards, das streckenweise schnurrt und röhrt. Flinke Finger huschen über Gitarrensaiten und lassen explosive Klänge an unsere Ohren gelangen. Bisweilen meint man, man lausche einer Melange von Greatful Dead, Allman Brothers und Deep Purple reloaded. Auch ein veritables Drumming Solo ist Teil des „Opus nr 8“. Da werden Wirbel gesetzt, kurz und wie Stakkato. Blech rauscht und schrillt. Und gelegentlich vernimmt man auch den Gitarristen der kurz interveniert. Anschließend zeichnet der Gitarrist Klangfäden an Klangfäden, lässt zudem zwischendrin ein Klanggewitter aufblitzen. Und ist da nicht auch der Keyboarder mit von der Partie und „schlingt“ sich mit Klangverspielungen und Sphärenguss um die Gitarrenklänge? Nach „Morning Dew“ schließt der Live-Mitschnitt mit „Dancing in the Woods“: Wiederkehrendes Klong-Klong-Klong durchzieht den Beginn des Stücks, dank an den Drummer. Es ist jedoch der Gitarrist, der uns mit gestischen Klangformen in seinen Bann zieht. Für die Gründung sorgt Haavisto mit seinen stoisch gesetzten Bassklängen. Die Gitarre röhrt, wimmert, schreit, jauchzt und zeigt unbändige Energie, die sich ihren Weg bahnt. Sehr hörenswert ist auch das Duett von Keyboarder und Bassist. Da scheint dann Weather Report und beyond „aufzuerstehen“, oder?
© fdp 2025
BANDCAMP
Musicians
Jukka Haavisto - bass, compositions
Johannes Granroth - guitar
Vili Itäpelto - keyboards
Severi Sorjonen - drums
Tracks
1. Opus nr. 11 (Live at EJC) 10:42
2. Opus nr. 8 (Live at EJC) 13:50
3. Morning Dew (Live at EJC) 06:46
4. Dancing in the Woods (Live at EJC) 10:12
Pauli Lyytinen Rabbit Hole - Rabbit Hole
Eclipse Music
Aus einem Text des Labels zitiert: „Pauli Lyytinen Rabbit Hole makes electro-acoustic art music within the framework of jazz. It's a unit of three fearless improvisers and explorers, Finnish saxophonist Pauli Lyytinen, Norwegian pianist Andreas Løwe and Swiss drummer Julian Sartorius. Diving into the rabbit hole one will find a rich compositional blend with colourful sonority, complex rhythmical textures and imaginary improvisations. Their motto is a famous line by Lewis Carroll: "Why, sometimes I've believed as many as six impossible things before breakfast".“
Und zum Bandleader des Trios: „Lyytinen is a Finnish Grammy winner, a saxophonist and composer originally from Kuopio, who operates primarily in the realms of jazz, experimental, electro-acoustic, and contemporary music. Over his 20-year career, Lyytinen has made an impact not only in Helsinki but also in São Paulo, Gothenburg, and Århus. He has released over 25 albums with his own ensembles and performed concerts in over 30 countries worldwide.“
Die vorliegende EP umfasst drei Tracks, bei denen Elektronisches und Synthklänge durchaus einen fundamentalen Anteil an den Klangfacetten haben. Bei „Hanami“ vereinen sich wiederkehrende Tastenklänge und Klangtropfen, die auf einem Hackbrett oder einer Wölbzither angespielt sein könnten, auch wenn im Line-up davon nicht die Rede ist. Auch an Gezupftes auf einer Gitarre oder Geige muss man beim Zuhören denken. Zudem entfaltet sich ein elektronischer Klangrausch, der wie ein Wolkenschauer auf den Hörer niedergeht. Wurde da das Synth eingesetzt? Weiter geht es mit „Relieve“ und einem sanften Saxofongebläse. Dazu vernimmt man wiederkehrende Tastenschläge, die an das Ticken einer Uhr erinnern. Sonores breitet sich aus, auch die tiefen Lagen des Tenorsaxofons anklingen lassend. Teilweise klingt es zerbrechlich, was Pauli Lyytinen vorträgt. Im nächsten Moment kommt man nicht umhin, das Geerdete des Gebläses wahrzunehmen. Flirrende Klangsequenzen, die sich im Off verflüchtigen, sind Teil der Inszenierung. Hier und da meint man, man höre eine wimmernde Singende Säge, die digital geschaffen wird. Zum Schluss hören wir „Mooncat“. Ein satter Klangteppich wird dank des Synth ausgerollt. Zudem hören wir ein Plong-Plong, so als würde man auf einer Harfe oder Zither ein Arpeggio inszenieren. Und wird da von den Musikern gar ein EWI eingesetzt, um auch die elektronischen Klangwelten zu erschließen? Ob man angesichts der Musik von Ambient oder nicht redet, ist eine Frage des Standpunkt. Und den müssen die Hörer eh alleine finden.
© fdp 2025
BANDCAMP
Musicians
Paul Lyytinen
Andreas Løwe
Julian Satorius
Tracks
1.Hanami 02:59
2.Relieve 04:04
3.Mooncat 05:00
Tomi Salesvuo East Funk Attack
Rhythm Manifesto IV
Eclipse Music
O-Ton von Tomi Salesvuo zum Album: „I eagerly await how our new, even tighter sound will resonate with you listeners. Throughout the composition of the album’s tracks and the entire recording process, I kept a dogma in mind: to create concise, impactful, and even catchy music. We consciously avoided the forest of longer, expansive pieces where one might get lost. And while I love the longer works and grand arcs of previous albums, this felt natural now and was what had been playing in my head for a long time.“
Zunächst einmal fallen die zahlreichen Gäste auf, die das Kernensemble bei einigen Einspielungen erweitern. Zum anderen stellt sich die Frage nach dem Genre, das hier präsentiert wird. Lupenreiner Jazz ist gewiss nicht zu hören, eher ein Hybrid. Längst sind ja die Grenzen gefallen, werden Musikzitate ohne Skrupel genutzt, wird auch bei Rock, Pop, Jazz Rock und Fusion „gewildert“ und das gilt auch für das vorliegende Album. Elektronische Effekte schwirren bei „Hectic“ durch den Klangraum, ehe dann harte Bassklänge an unsere Ohren dringen. Ein Klangteppich wird geknüpft und ausgebreitet, derweil die rhythmische Durchwirkung des Stücks ihren Lauf nimmt. Keyboard-Klänge flammen auf und verschwinden. Eher scheinen wir in den Gefilden von Hard Rock denn im Jazz. Wir erleben vulkanisch aufgeladene Klangtänze bis zum Schluss. Und auch bei „Violence, Tyranny, Murder, Hypocrisy“ setzt sich der musikalische Malstrom fort, auch wenn wir nun gesungene Lyrics vernehmen. So sind wir eher in der Welt von Pop, oder? Oder sind wir Ohrenzeuge von Rock und Funk, dabei den katastrophalen Zustand der Welt beschreibend: „Look at this, this is our world, and it’s burning / These flames are soldiers of greed / This is wild, it’s crazy /And it’s too sad to believe / the news keep showing us / Only fighting, killing …“.
„Losing you“ setzt den Duktus des vorherigen Songs fort. Da meint man The Bangles und Blondie würden „Auferstehung“ feiern, oder? Und worum geht es in dem Song: „...I feel you´re slipping away, / love you baby but you’re gone today / Can’t we go back, rewind the track. / I’m not ready to let you go …“ Und zur „Beziehungsdebatte“ erklingen hämmernde Rhythmen und harte Gitarrenriffs. Weiter geht es mit „Forbidden Live“, in etwas ruhigerem Fahrwasser. Ganz wesentlich ist auch bei diesem Stück der gesungene Text: „I am try to keep you out of my head, / And fill my thoughts with someone else / I’ve behaved and kept my word, I promise / But you are something else …“ So hat das Album all das, was in der Welt von Pop und Rock Allgemeinplatz ist: Weltschmerz, Liebe, Liebeskummer, Gefühlswelten, Beziehungschaos …!
Zu hören sind auf dem aktuellen Album zudem „Rock´n´Roll Baby“ mit Verszeilen wie „Do you need me to be here for you to be free? Do you need me to feel so you can really feel? Yeah you know you do, that’s why I’m here for you I’ll help you to be free, I’m your rocknroll baby.“ … Nein, einen veritablen Rock n‘ Roll bekommen wir nicht kredenzt, sondern die Band bleibt bei ihrem gängigen Duktus zwischen Hard Rock und Funk. Allerdings hören wir auch ein Saxofonsolo neben dem „Liedtext“. Schließlich ist dann als Schlussstück „We are the Party“ zu hören. So geht dann die musikalische Rock-Party zu Ende und zum Schluss bleibt angesichts des Albums die Frage:“Quo vadis Jazz?“
© fdp 2025
BANDCAMP
Musicians
Tomi Salesvuo – Drums & Vocal
Taru Ratilainen – Vocal
Matias Kiiveri – Guitar & Vocals
Ilmari Aitoaho – Keys & Vocals
Janne Kinnunen – Bass
Featuring:
#3 Riku Rajamaa, Guitar
#7 Erja Lyytinen, Slide Guitar
#8 Nils Landgren, Trombone
#9 Sami Pitkämö, Vocals
#6 Ukko Heinonen, Tenor Saxophone
#2 and #7 Joonas Kaikko, Percussion
Tracks
1. Hectic 03:17
2. Violence, Tyranny, Murder, Hypocrisy 03:16
3. Losing You (ft. Riku Rajamaa) 04:00
4. Forbidden Love 03:47
5. Feeling Fine 05:24
6. Rock'n'Roll Baby 03:03
7. Summer Fling (ft. Erja Lyytinen) 03:31
8. With You (My Love) (ft. Nils Landgren) 03:14
9. We Are The Party (ft. Sami Pitkämö) 03:30
Tuomas Paukku - Peaces
Eclipse Music
In aller Kürze: „‘Peaces’ is the solo project of guitarist-composer Tuomas Paukku, who focuses on the possibilities of the jazz guitar as a solo instrument. The album combines compositions, improvisation, different playing techniques, effects and looping in the style of a more peaceful and reflective side of modern jazz.“ So lautet die Kurzbeschreibung über das Album von seiten des Labels.
„Utu“ heißt es zu Beginn des Soloalbums und beim Hören des Stücks keimt die Vorstellung auf, ein elektronisch verstärktes Harmonium würde zum Klingen gebracht. Doch weit gefehlt, elektronische und andere Präparationen an der Gitarre, die Tuomas Paukku spielt, sind dafür verantwortlich. Auch bei „Distances“ stößt der Hörer auf Verfremdungen, glaubt, das hier die Schläge einer Turmuhr in das Stück eingebunden sind, ehe dann weit schweifende Klangformen vom Gitarristen entwickelt werden. Dabei bleibt hintergründig ein gewisses Rhythmusmuster bestehen. Darüber gestaltet der Gitarrist seine melodischen, zerfließenden Linien. Fragiles dringt ebenso an unser Ohr wie tieftönige Klangfolgen. Klänge rinnen dahin, wie der Sand in einer Eieruhr, wenn das Bild erlaubt ist. Übrigens, auf Flageolett verzichtet der Gitarrist nicht. Doch im Übrigen scheint er eher die Klänge wie Perlen auf einer Schnur aufzufädeln, tiefe und hohe-fragile in gleicher Weise. In gewisser Weise plätschern die Klänge so dahin, als würde man einem Wasserspiel lauschen. Weiter geht es mit „Like Someone in Love“. Und genau das bündelt sich in den zarten Saitenklängen. Minnegesang in modernem Gewand scheint eine passende Beschreibung des Stücks zu sein. Liebeslied oder Ballade – das ist bei „Für Alina“ die Frage. Dabei scheinen auch Elemente von Folk in dieses Stück eingearbeitet worden zu sein. Zugleich hat man auch die Vorstellung, man lausche einem Walther von der Vogelweise in postmodernem Gewand, oder?Obendrein erinnern die Harmonien und die Stimmung ein wenig an das Schnitterlied, einem deutschen Volkslied aus dem 17. Jahrhundert.
Drei Stücke, die als „Improvisation“ betitelt sind, finden sich auf dem Soloalbum von Paukku, beginnend mit „Improvisation I“: Klangschritt und dann ein nächster Klangschritt mit kurzer Pause. Minimale Varianten werden eingeführt. Würde man die Klangabfolge graphisch darstellen wollen, dann als versetzte, parallel verlaufende Linien. Klangtropfen für Klangtropfen sind die Elemente von „Improvisation II“. Angestimmte Saiten klingen lange aus und nach, ehe der nächste Klang in den Raum gesetzt wird. Und beinahe zum Schluss folgt dann die dritte Improvisation.
Blues oder was – das fragt man sich bei „Sundown“. Dabei unterstreicht der finnische Gitarrist, dass eine Gitarre beim Blues nicht unbedingt stark verstärkt sein muss, im Gegenteil. Bei diesem Stück hat man den Eindruck, man höre eine akustische Jazzgitarre. Und auch die Klangfächerung entspricht dem, was man von den Granden der Jazzgitarre kennt. Zum Schluss des sehr hörenswerten Albums – nicht nur für Gitarrenliebhaber – genießen wir den feinen Wohlklang von „Dawn“!
© fdp 2025
BANDCAMP
Musicians
Tuomas Paukku - guitar, effects, loops
Tracks
1. Utu
2. Distances
3. Like Someone in Love
4. Ephemeral
5. Improvisation I
6. Für Alina
7. Improvisation II
8. Sundown
9. Sinking
10. Improvisation III
11. Spherical
12. Dawn
Varre Vartiainen with Mike Stern - Head & Heart
Eclipse Music
Zum Album aus Sicht des Labels: „The album’s music leans heavily into the golden era of 1970s fusion jazz and is composed almost entirely by Vartiainen. However, Stern also brings a strong artistic voice to the project, contributing to a rich and cohesive whole. Expect brilliant guitar work from both lead soloists throughout.“
Funk-Rhythmik, Rhythm `n Blues, Fusion – all das zu einer feinen Rezeptur verbunden – ist bereits zu Beginn des aktuellen Albums zu erleben. „Miked Up!“ heißt es zu Beginn. Ein sehr fein ziseliertes Gitarrensolo erfreut unsere Ohren im Verlauf des Stücks. Da fließen die Saitenklänge dahin. Und anschließend steht dann eher Rhythm `n Blues auf dem Programm, muss man an Jeff Beck oder Eric Clapton denken. Das Saxofonsolo von Joonatan Rautio ist ein weiterer Ohrenschmaus gleich zu Beginn des Albums. Insbesondere der Klangumfang, den der Saxofonist präsentiert, beeindruckt. Da ist von Sopranstimmen bis Baritonlagen alles dabei, obgleich Rautio Tenorsaxofonist ist. Hier und da scheint es Bezüge zu Chicago und zu Blood, Sweat & Tears zu geben, oder? „Head and Heart“ –Titel gebend für das Album – macht mit Effekten auf und mischt auch die feinen, kristallinen Klänge des Vibrafons bei, abgesehen von der sonoren Saxofonstimme. Weitgehend ist es im Übrigen das Saxofon, das uns als „Leitstimme“ im Gedächtnis bleibt. Sehr hörenswert sind auch die beiden Gitarristen, die sich als Rhythmusgeber und als Melodiestimmen erweisen. Dabei ist deren Spiel durchaus tempofreudig. Klangwelle folgt auf Klangwelle. Es gibt hier und da durchaus Bezüge zum Spiel der Granden der Jazzgitarre. Alles scheint im Fluss, im steten Fluss.
Chorgesang aus dem Off vernehmen wir bei „Bill From Sao Paolo“ sowie eine leicht wimmernde Gitarre, die Klang für Klang zu einem feinen Gefüge zusammenführt. Und dann hören wir noch den zweiten Gitarristen, der mit klassischen Jazzgitarrenklängen unterwegs ist. Beide Gitarristen schaffen eine ganz eigene Klangcollage. An dieser ist auch der Saxofonist beteiligt. Sehr angenehm ist es, dass beim anschließenden Gitarrensolo auf Distortions und Delays sowie elektronische Effekte verzichtet wird. So kann man den reinen Gitarrenklang vollumfänglich genießen. Ob dafür Mike Stern verantwortlich ist, müssen wir unterstellen. Es finden sich leider keine Angaben über die Solisten der einzelnen Stücke. Mit sonorem und sanftem Timbre stimmt der Saxofonist sein nachfolgendes Solo an. Es löst sich mehr und mehr von den Phrasierungen der Gitarristen, so der Eindruck, und folgt eigenständigen Linien. Was wir allerdings bei diesem Stück nicht finden, sind südamerikanische Rhythmen, was der Titel unter Umständen nahelegen würde.
Ist das Stück „For Mike“ eine Hommage an Mike Stern? Das wissen nur die beteiligten Musiker. Jedenfalls ist dieses Stück in einem langsamen Setting zuhause. Lautgesang ist Teil des Vortrags und dieser fügt sich in das Instrumentale des Stücks harmonisch ein. Ein Hochgenuss ist die solistische Gitarrenstimme, die einem warmen Wind aus der Sahara gleicht. Schmeichlerisch ist die Stimme, zu der sich auch das Kristalline des Vibrafons gesellt. Besungen wird schließlich der „Fat Time Blues“, der so eingeleitet wird, als handele sich um das Stück einer Street Marching Band. Vom Charakter her erscheint das Stück wie aus der Welt des Bop, oder? Sobald allerdings die Saitenklänge in den Mittelpunkt rücken ist der Blues lebendig. Mit „Mood Swings“ findet das Album einen „beschwingten“ Schlussakkord!
© fdp 2025
Musicians
Varre Vartiainen – composition, guitar
Mike Stern – guitar
Leni Stern – ngoni, vocals
Joonatan Rautio – saxophone
Severi Pyysalo – vibraphone
Visa Oscar – keyboards
Timo Hirvonen & Juho Kivivuori – bass
Jukkis Uotila & Jussi Lehtonen – drums
Mongo Aaltonen – percussion
Tracks
1.Miked Up! 08:02
2.Hardly 06:02
3.Head and Heart 09:45
4.Dark Size Life 06:46
5.Waltz for Roni 06:06
6.Bill From Sao Paolo 09:54
7.For Mike 07:55
8.Blue Velvet St. 05:33
9.Fat Time Blues 06:17
10.Mood Swings 02:55
INFO
BANDCAMP WE JAZZ RECORDS
ECLIPSE RECORDS