Rain Sultanov – Influence

Rain Sultanov – Influence

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Jazz eines aserbaidschanischen Saxofonisten ist nicht alltäglich. Für viele erscheint Aserbaidschan genauso exotisch wie Turkmenistan oder Georgien. Nunmehr legt der aus Baku gebürtige Rain Sultanov sein Album „Influence“ vor. In der Vergangenheit hat er sich mit den musikalischen Wurzeln seiner Heimat, so auf Alben wie „Mugham – Megham“ sowie seiner umfassenden „Anthology of Jazz in Azerbaijan“ befasst. Doch auch die Natur seines Heimatlandes inspirierte den Saxofonisten zu Kompositionen, die er in dem Album „Inspired by Nature“ bündelte. Nunmehr stehen epische Balladen im Fokus der musikalischen Inszenierung.

Dieses aktuelle Album ist nicht ohne Bezüge zu „Vorbildern“ wie Michael Brecker zu begreifen, dessen Platte Sultanovs Brüder mit nach Hause brachten und die er tagelang studierte, transkribierte und schließlich verinnerlichte. Der wie Brecker bereits verstorbene Trompeter Kenny Wheeler hinterließ ebenfalls nachhaltige Eindrücke. Das kann auch von Joe Zawinnul gesagt werden, dem Sultanov auf dem Jazzfestival in Baku begegnete. Doch wer nun meint, diese Vorbilder scheinen in Sultanovs Musik gänzlich durch, der unterliegt einer Fehleinschätzung: „Ich habe nicht versucht, Musik zu spielen, die ihnen ähnlich ist. Ich habe nicht einmal versucht Musik zu spielen, die sie gemocht hätten. Ich habe einfach jede meiner Kompositionen zu Ehren eines meiner Idole benannt. Jeder von ihnen hat mir neue Einsichten, eine neue Liebe, neue Emotionen gegeben. Und obwohl ich nach Jahren zu meiner Musik gefunden habe, höre ich immer noch nicht auf, ihnen zuzuhören und appelliere an ihre Gedanken.“ So die Klarstellung Sultanovs.

Für die aktuellen Aufnahmen hat sich Sultanov den schwedischen Bassisten Nils Ölmedal und den Ausnahmepianisten Isfar Sarabski mit ins musikalische Boot geholt. Miles Davis widmete Sultanov „I know that you'll never come back“, Jaco Pastorius „Morning Flight“ (für Pastorius) und Dexter Gordon „Solaris“. Übrigens bei „Morning Flight“ ergänzt Dagobert Böhm (guitar) das Trio Sultanovs. Böhm zeichnet auch für die Komposition als Urheber, während alle weiteren Titel Sultanov verantwortet, angefangen bei „My John C.“ und „Solaris“ über „Behind the sky“ sowie „The nice Simple things“ bis schließlich zu „I'll never forget you Mike“.

Aus der Tiefe des Raums lässt Sultanov sein Lamento, so hat es den Anschein, auftauchen, mit dem er sich an John C., sprich John Coltrane, erinnert. Episch sind die Passagen und mit jedem Ton vermeint man, ein Klagelied zu vernehmen. Hier und da hellt sich das Melancholische auf. Wer allerdings meint, „A Love Supreme“ wird nachgezeichnet, der muss sich eines Besseren belehren lassen.

Sehr ausgereift ist die Basslinie, die über den zarten, dahinperlenden Klavierpassagen angelegt ist. Nordische Schwere im Sinne von Grieg und Sibelius umhüllt den Hörer. Die eher melancholische Gesamtstimmung wird spätestens mit dem Pianosolo aufgebrochen, im Diskant verwoben und kaskadierend. Auf den Spuren des Pianisten wandelt dann Sultanov nachfolgend, zurückhaltend und ein wenig an einen Fadosänger erinnernd.

Vom Titel her denkt man bei „Solaris“ eher an Sun Ra als an Dexter Gordon, dem dieses Stück gewidmet ist. Mit feinsten Klangziselierungen macht das Stück auf. Neben seinen Mitmusikern ist es Sultanov, der im weiteren Fortgang ein feines Klanggespinst webt. Dabei zeichnet sich das Stück durchaus auch durch Meditatives aus.

Es gibt wenige Sopransaxofonisten, die einen Ansatz beherrschen, der so fein ist wie der von Sultanov. Mit klassischen Anmutungen werden wir des weiteren konfrontiert, wenn der Pianist Isfar Sarabski zu hören ist. Eher an ein zurückgenommenes Spiel auf einem Cello erinnert das Bass-Solo von Nils Ölmedal.

„I know that you'll never come back“ eröffnet mit Sequenzen, die dem zornig, trotzigen und zeitweilig rotzigen Spiel von Miles Davis so ganz fern sind. Nun ja, Miles hatte auch andere Seiten, man denke an „Sketches of Spain“. Sultanov lässt sich jedenfalls nicht dazu hinreißen, von seinen weichen Linien im Spiel mit dem Sopransaxofon abzuweichen. Hier und da meint man, vom melodischen Charakter her in „Sketches of Spain“ einzutauchen, oder?

„Behind the sky“ schließt beinahe nahtlos an „Solaris“ an. Da gibt es keinen exaltierten Bläserschwall; Sultanov agiert zurückgenommen; Ausuferungen sind nicht seins. Die melodischen Linien gleichen heißen Saharawinden, sprich einem nachhaltigen Flirren und Diffusionen. Klangliche Stromschnellen meistert der Pianist in seinem Solopart, begleitet vom Bass, der sich nach und nach löst. In einer Rollenumkehrung ist dann der Bass der musikalische Regisseur!

Dagobert Böhm fügt „Morning Flight“ dank seines Gitarrenspiels eine weitere Klangnote hinzu und ergänzt die Weichzeichnungen des Trios. Bleibt man in einem Bild, so ist es an Sultanov den Flügelschlag und den Gleitflug in Klangformen zu transponieren. Dabei wird er von Böhm, der sich im Hintergrund hält, unterstützt. Zeitweilig lässt sich der Gitarrist auf einen fein austarierten Dialog mit dem Pianisten ein, der feinsten Klangregen versprüht.

Wie bei allen anderen Einspielungen des aktuellen Albums steht auch in der Hommage für Jaco Pastorius der schöne Melodiefluss im Vordergrund. Zum Schluss erinnert dann Rain Sultanov an den viel zu früh an Krebs verstorbenen Michael Breker: „I'll never forget you Mike“. Und auch bei diesem Stück verlässt Sultanov nicht seine klanglich eingeschlagenen Pfade und wandelt etwa auf den Spuren der Breker Brothers. Er bleibt schlicht seinem Stil des Spielens und seinen harmonischen Setzungen bis zum letzten Takt treu.

text © fdp

Informationen
www.ozellamusic.com
https://www.rainsultanov.com
https://www.rainsultanov.com/copy-of-discography


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