Lina Allemano Four - The Diptychs

Lina Allemano Four - The Diptychs

L

LUMO Records

Wahrlich Trompeterinnen, die zugleich ein Label und auch Bands verantworten, sind eher rar gesät. Auch die Tatsache, dass wir mit Lina Allemano einer Instrumentalistin und keiner Vokalistin begegnen, ist hervorzuheben. Und all das geschieht in einer Jazz-Welt, die männlich dominiert ist, wenn auch immer mehr Absolventinnen von Universitäten der Künste sich nicht im Fach Vokales wiederfinden. Nun legt sie mit „The Diptychs“ ein neues Album vor. Der Albumtitel scheint Fingerzeig: Bei „Diptychon“ handelt es sich um  zweiteilige Relieftafeln oder Gemälde, die in der Regel mit Scharnieren zum Aufklappen verbunden sind. Sollte die Musik entsprechend gestaltet sein, also zweiteilig und aufklappbar?

Mit „Positive“ wird das Album eröffnete. Dabei ist der erste Höreindruck der, dass man eine musikalische Zweisamkeit zwischen Trompeterin und Saxofonisten wahrnimmt. Beide scheinen sich in ihren musikalischen Äußerungen zu umgarnen, zu nähern und zu entfernen, sich aufeinander zu beziehen, jeder in einer anderen Umlaufbahn, aber stets mit Blick und das Ohr auf den anderen.  Schrill und dynamisch ist das, was wir hören, begleitet von intensivem Schlagwerk. Man meint  in dem Spiel von Allemano und West auch Dialogisches und Kontroverses auszumachen. Es gibt eine Art Ja-Ja und ein Nein-Nein. Hier und da werden die musikalischen Fäden dicht verspannt, um dann wieder gelöst zu werden. Die Dualität, die sich im Albumtitel wiederfindet, spiegelt sich auch in den Tracks wider. Nach „Positive“ folgt „Negative“. Trompetenschwall und Trommelwirbel – das empfängt den Hörer zu Beginn. Fragil klingt das, was wir hören, trotz des Volumens und der lang gezogenen Töne. Wellige Klangfolgen verbinden sich, hier Trompetenklang und dort „Saxofonantworten“. Dazu gesellt sich ein schwergängiger, dunkel gefärbter Bass. Derweil zeigen sich beide Bläser aufgewühlt, verstörend, nervös. Crescendo paart sich mit Mezzopiano, oder? Weichzeichnungen sind in der Verantwortung des Saxofonisten. Ja,  da hören wir auch mal den gestrichenen Bass im Solo. Das ist ein kurzes Intermezzo, aber immerhin. Knistern unterliegt dem Spiel von Bassist und Saxofonist. Beinahe wie in einem Kanon sind die Bläser miteinander verwoben.

Anschließend geht es um „Widerstehen (Resist) und „Verschmelzen“ (Coalesce): „Signalgebläse“ und intensives Drumming steht am Beginn von „Resist“. Man möchte glauben, man höre einen Ruf wie „Aufgepasst!“ oder „Alarm“. Auch an eine „Attacke“ während eines militärischen Ausfalls könnte man denken, wenn man die Musik als Begleitung von Militärtrompetern interpretiert. Zugleich geht es aber auch um Gegenwehr, oder? Von der Komposition her meint man, sich in die Welt von Weill und Eisler versetzt, insbesondere, wenn man den Sequenzen des Saxofonisten lauscht. Und das Gegenstück folgt: „Verschmelzen“. Ausgeglichen erscheint das Zusammenspiel der Bläser, auch mit einer gewissen Lethargie vorgetragen. Viel stärker als in „Resist“ ist die Melange des Gebläses vorhanden, folgen sich die beiden Bläser in ihren Klangspektren und im Duktus.

Zum Schluss wählt Lina Allemano ein Begriffspaar, das man allgemein aus der Zubereitung von Eierspeisen kennt: „Rührei“ (Scrambled) und „Gewendetes Spiegelei“ (Over Easy). Der Begriff „Scrambled“ leitet sich im Übrigen auch von „Scramble“ her:  Deutsch also Gerangel, Gedränge, balgen, durcheinander geraten. Für „Over Easy“  konnte der Rezensent keine weitere Bedeutung ausfindig machen. Dumpfe Vibration trifft auf eine jubilierende Trompete. Sehr kurze Nebelhornanmutungen sind auszumachen – so ist der Beginn von „Scrambled“ zu beschreiben. Stufig entwickeln sich Klangmuster, die die Trompeterin und der Saxofonist vortragen. Dramatik ist vorhanden. Hier und da meint man, man lausche einer auf Spannung gerichteten Untermalung für Hochseilakte im Zirkus. Rasseln und Klappern sowie ein langsam gestrichener Bass, der in sich ruht, sowie Gebläse, das den Basslinien folgt – so eröffnet das letzte Stück namens „Gewendetes Spiegelei“. Eingeschoben ist ein Solo des Schlagwerkers Nick Fraser, ehe dann Brodie West seinen Holzbläser erklingen lässt. Wie kabbeliges Wasser bewegen sich die melodischen Linien des Schlussstücks, bevor der Bassist das Wort hat. Ausladend und düster klingt das, was wir hören. Hört man danach nicht Passagen, die Lina Allemano nur mit dem Mundstück spielt? Gegen Ende vermeint man auch musikalisch Aufbruch zu erkennen. Und dann ist Schluss mit den Wort- und den Klangpaarungen! Fazit: hörenswert  eine Musokmit Sinn für freie Formen trotz der Paarsetzungen.

© fdp 2025


BANDCAMP

Musicians
Lina Allemano, trumpet / compositions
Brodie West, alto saxophone
Andrew Downing, double bass
Nick Fraser, drums

Tracks
1. Positive 06:24
2. Negative 07:21
3. Resist 07:23
4. Coalesce 05:32
5. Scrambled 06:02
6. Over Easy 09:49


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