Julian Erdem - Little Flower

Julian Erdem - Little Flower

J

Unit Records

Ungewöhnlich eine Besprechung so anzufangen, aber gleich zu Beginn mal ein Lob zum aktuellen Album: “All of the playing is at a very high level and there is a great deal of group listening and interplay going on. Lyrical and beautiful, almost transcendental.” (Scott Reeves, Director of Jazz Studies, City College of New York)

Can Olgun (piano), Keisuke Matsuno (guitar), Thomas Morgan (bass) und Julian Erdem (drums & compositon) haben gemeinsam das Album „Little Flower“ eingespielt. Für dieses trug Julian Erdem kompositorisch die Hauptverantwortung, da bis auf eine alle aus seiner Feder stammen.

Kurz und knapp ein paar Worte zum Bandleader: Julian Erdem, geboren in Berlin, ist Jazz-Schlagzeuger, Komponist und Lehrer. Während eines Fulbright-Stipendiums verbrachte er drei Jahre in den USA, um seinen Master in Jazz Performance am City College of New York (CCNY) zu absolvieren. Harmonielehre, Musiktheorie sowie klassischen und post-tonalen Kompositionstechniken standen im Mittelpunkt des Studiums. Für seine hervorragenden akademischen Leistungen erhielt Julian Erdem ein weiteres Stipendium vom Quadrille Ball Committee of the Germanistic Society of America. In diesen Zeitraum fällt die Gründung seines Quartetts mit Keisuke Matsuno, Can Olgun und Thomas Morgan, die nun ihr Debütalbum vorgelegt haben.

Auf dem bei Unit Records veröffentlichten Debütalbum „Little Flower” sind u. a. nachstehende Tracks zuhören:  Als Aufmacher „Flower II“, dann nachfolgend „Die Wanderung“ und „Endstation“ sowie „Deep Water Current“. Der namensgebende Track des Albums, „Little Flower“ ist ebenso eingespielt worden wie zum Schluss „Free #2“.

Was würde man erwarten, wenn ein Schlagzeuger ein Ensemble anführt? Ausgiebige Schlagwerksolos? Dezentes und sensibles Timing im Hintergrund? Freiräume für ein Quartett? Unterschiedliche Konstellationen innerhalb des Quartetts? Heruntergebrochene Formationen z. B. Duos und Trios, aber eben nicht allein gemeinsames Spiel?

Na dann hören wir mal, was Julian Erdem als musikalisches Menü serviert: Bereits bei den ersten Klängen, bestimmt vom Pianisten Can Olgun, drängt sich Neoromantik auf. Nein, Julian Erdem durchbricht diesen Eindruck nicht mit aufdringlicher „Arbeit“ an Hi-Hat, Becken oder Bassdrum. In sehr bedächtigem Tempo bewegt sich „Flower II“. Man wird von Beschaulichkeit eingenommen, muss vielleicht an die Gemälde von Carl Spitzweg denken, an verschrobene Stadtmenschen, die sich in die Natur begeben, die sie nicht kennen und die ihnen fremd ist und bleibt, bekommt den Eindruck von Suchenden, die mal hierher und mal dorthin laufen – so jedenfalls könnte man annehmen, folgt man Olguns „behutsamen und  forschenden Tastenschritten“. All das geschieht in einem Duo zwischen Erdem und Olgun, so scheint es jedenfalls. Dieses erweitert sich zu einem Trio, wenn der Bassist Thomas Morgan ins Geschehen eingreift, ebenso bedächtig und zurückgenommen wie die anderen Musiker des Quartetts. Im ähnlichen Duktus wie „Flower II“ ist „Die Wanderung“ gehalten. Sehr kontemplativ kommt die Komposition daher. Abgründe scheinen sich nicht aufzutun. Schmale Pfade müssen auch nicht gemeistert werden. Ungezwungenheit signalisiert der Pianist des Quartetts mit seinem kurzweiligen Tastenspiel. Losgelöst im hier und jetzt sind wir musikalisch unterwegs. Vielleicht hätte man den Track auch „Hopse“ oder „Hopsende Kinder“ nennen können. Wer schon mal Kinder beim Spiel „Himmel und Hölle“ beobachtet hat, mag diesen Vorstellungen folgen, vertiefte er sich in die „hopsenden und dahinfließenden“ Pianosequenzen. Völlig sensibel und ohne Aufdringlichkeit agiert Julian Erdem am Schlagwerk neben Bass und Piano, die die „wandernden“ melodischen Konturen auf die musikalische Leinwand bannen. Oh, gibt es da schließlich nicht auch noch elektronische Eskapaden zu erleben? Welch Kontrast!

Sehr viel mehr Verve als in den Tracks zuvor legt Julian Erdem in „Deep Water Current“ an den Tag. Zudem ist endlich auch Keisuke Matsuno (guitar) mit seinem Sechssaiter distinkt wahrzunehmen, auch wenn er in ähnlichem musikalischen Fahrwasser wie zuvor Thomas Morgan agiert. Die Gitarre wimmert und jault überaus dezent. Da gibt es kein Echauffieren, keinen Ausbruch, keinen Rabatz, sondern eher ein hintergründiges Fingerspiel auf den Saiten. Tiefwasserstömung fangen die vier Musiker ein. Doch gefährlich scheinen die Tiefen nicht zu sein. Eher hat man die Vorstellung eines Tauchgangs, der die faszinierende Unterwasserwelt eröffnet. Alles scheint im Fluss, geht seinen Gang, ohne Hektik und völlig entspannt, auch in den Tiefen des Meeres. Neben der Entspannung, die man wahrnimmt, kommt es zudem zu Spannung und Aufregung, wenn Julian Erdem im letzten Teil der Komposition und nur für Momente solistisch agiert und dann an den Becken seinen energetischen Fluss auslebt.

Auch in „Little Flower“ erlebt der Hörer keinen anders gelagerten als den zuvor beschriebenen Duktus. Erneut ist es an Thomas Morgan die Färbungen des Songs auf der musikalischen Palette zusammenzumischen und in lyrische Bildwelten zu übertragen. Ja, narrativ ist das, was die Musiker rund um Julian Erdem da vortragen,  hier und da obendrein elegisch im Sinne von wehmütig. Das muss man mögen. Eines kann man aber abschließend auch feststellen, der neoromantische Einschlag und der sensible Duktus garantieren beim Hören Momente der Entspannung und Besinnlichkeit. Und auch das muss man mögen, aber warum auch nicht?
 
Text: © ferdinand dupuis-panther. The review is not public commons!!

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http://julianerdem.com




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