John di Martino Trio: Turnaround

John di Martino Trio: Turnaround

J

Hitman Jazz, HMCD0375

Der aus Philadelphia stammende Pianist John di Martino hat sich für sein Trio den Bassisten Boris Kozlov und den Schlagzeuger Alvin Atkinson an seine Seite geholt. Längst ist di Martino in New York heimisch geworden und hat sich hier sehr stark für die Latin Jazz-Szene interessiert.

Eröffnet wird das vorliegende Album mit Ornette Coleman's „Turnaround“. Doch di Martino hat dieser Komposition seinen eigenen Stempel aufgedrückt, indem er es in einem 6/8-Afro-kubanischen Rhythmus arrangiert hat. Energetisch und auch mit einem Hauch von Funk stellt uns di Martino diesen Song vor. Wüsste man es nicht besser, könnte man „Turnaround“ auch für einen Popsong der frühen 1970er Jahre halten. Die Bühne gehört bei „Turnaround“ ganz und gar di Martino, der eine Flut von Tonkaskaden auf seinem Tastenmöbel erzeugt. Doch auch Boris Kozlov kommt zu seinem Recht und wandert flink mit seinen Finger über seinen Viersaiter. Das klingt dann so, als ob jemand aufgeregt hin- und herlaufe. Dann ist es wieder an di Martino mit hartem Tastenschlag die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Eine gewisse Sprunghaftigkeit ist dabei nicht zu überhören.


Als Nächstes steht „Brother Can You Spare Me A Dime“ auf dem Programm. Nein, Gesang hören wir nicht, obgleich es eine sehr bekannte Version von Bing Crosby gibt. Die Lyrik sei an dieser Stelle in Auszügen zitiert: „They used to tell me I was building a dream. And so I followed the mob. When there was earth to plow or guns to bear. I was always there right on the job. ...“. Dieser Song gilt als die Hymne der Großen Depression und macht einen Teil des 1932 geschriebenen Musicals „Americana“ aus. Die Melodie des Songs basiert auf einem russisch-jüdischen Kinderlied. Arrangiert hat di Martino den Song mit einer würzigen Prise Bop. Die Melodie allerdings erinnert beim Zuhören auch an das Heer der umherziehenden Vagabunden, immer auf der Suche nach unsteter Arbeit. Es klingt m. E. nach „Heute hier, morgen dort“. Für meinen Begriff scheint di Martino bei seinem Arrangement durchaus auch die Klangkünste von Monk und Garner im Kopf gehabt zu haben, oder?

Der Name Billy Strayhorn ist fast vergessen, obgleich er viele Kompositionen für und mit Duke Ellington geschrieben hat, doch schwul und schwarz zu sein war in den USA für Dekaden ein No-Go. Di Martino hat sich für das aktuelle Album des Songs „A Flower Is A Lovesome Thing“ angenommen. Di Martino bewegt sich hier sehr auffällig im Diskant, stets den rauschenden Klangfluss vor Augen. Romantik pur strahlt das Arrangement aus, obgleich auch Anleihen an südamerikanische Rhythmen hier und da nicht zu überhören sind.

Jazzliebhaber kennen „Moon And Sand“ vielleicht von der Einspielung mit Chet Baker. Der Song entstand 1941 und ist der Feder von Morty Palitz und Alec Wilder zu verdanken. Wundervoll lyrisch ist der Trompetenpart von Baker. Vergessen werden darf jedoch nicht, dass die erste Aufnahme 1941 mit Xavier Cugat and His Waldorf-Astoria Orchestra entstand. Hört man den sehr lyrisch angelegten Song, dann fühlt man sich in die sogenannte „blaue Stunde“ versetzt, glaubt sich in einer Bar mit Schummerlicht, in der Gäste an ihren diversen Cocktails nippen und ein einsamer Barpianist für die Hintergrundmusik sorgt, nicht zu aufdringlich. Derweil scheint der Mond am Himmel auf die Spätheimkehrenden weit nach Mitternacht. Gut geeignet wäre ein derartiger Song auch für einen Streifen des Film Noir.

„Cold Duck Time“ ist ein Song, den Eddie Harris geschrieben hat. Der Song gehört zu den vom Rock maßgeblich beeinflussten  Jazz-Standards und war erstmals auf dem Album „Swiss Movement“ von Les McCann und Eddie Harris zu hören. Der Bassist Boris Kozlov eröffnet das Stück, ehe sich dann di Martino mit energischen und dramatischen Setzungen ins Spiel bringt. Ja, ja, das klingt ganz und gar wie Les McCann und Eddie Harris – funky, funky, funky halt!

„Black Orpheus“ verrät schon in der Wahl des Songs di Martinos Vorliebe für südamerikanische Rhythmen. Geschrieben wurde der Song vom brasilianischen Komponisten Luiz Bonfa als Thema für den 1959 gedrehten Film “Orfeu Negro”. Im Liner zum Album wird in diesem Kontext auch Antonio Carlos Jobim aufgeführt. Wer Jazz aus Brasilien und Latin Jazz schätzt, der kann gewiss verschmerzen, dass nicht das „Girl from Ipanema“ auf dem Programm steht.

Auf dem Album „Turnaround“ findet sich außerdem Stevie Wonder's „I Can't Help it“. Wonder schrieb diesen Song für Michael Jackson's „Off The Wall“. In der vorliegenden Version des di Martino-Trios klingt es weniger nach Pop Musik als im Original. Man könnte vielleicht sagen, dass di Martino dem Stück ein wenig Swing eingehaucht hat. Mit dem sehr getragenen Song „Passion Flower“ von Billy Strayhorn klingt das flott und sehr abwechslungsreich arrangierte Album schließlich aus. Für diesen Schlussakkord hat di Martino ein Arrangement vorgenommen, das Anleihen an einem Bolero nimmt. Dann also: Olé and let's jazz it!

Text © ferdinand dupuis-panther

Informationen

John di Martino
http://www.johndimartino.com/


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