Ilona Haberkamp 4tet feat. Ack van Rooyen: Tribute to Jutta Hipp

Ilona Haberkamp 4tet feat. Ack van Rooyen: Tribute to Jutta Hipp

I

Laika Records, LAIKA 3510295.2

So wie es vergessene bildende Künstlerinnen in diesem Lande gibt – erinnert sei u. a. an die neusachliche Malerin Elfriede Lohse-Wächtler – gibt es auch vergessene Musikerinnen. In diesem Fall handelt es sich um die aus Leipzig stammende und in den 1950er Jahren nach New York ausgewanderte Pianistin und Grafikerin Jutta Hipp.

 

Laika Records hat dankenswerterweise Einspielungen herausgegeben, die an Jutta Hipps musikalisches und lyrisches Schaffen erinnern. Bereits Mitte der 1980er Jahre hatten sich die beiden Musikerinnen Ilona Haberkamp (Altsaxofon) und Iris Kramer (Jazzorchester Reichlich Weiblich) auf ihre Spurensuche begeben und Jutta Hipp, die in den 1950er Jahren ihre Karriere als Musikerin aufgeben musste, in New York besucht. Teile eines Interviews mit Jutta Hipp sind als Fragmente und Schnipsel zwischen die aktuellen Tonaufnahmen gesetzt worden. Jutta Hipp ist also nicht nur mit ihren Kompositionen auf der aktuellen CD zu hören, sondern auch in O-Tönen. Insoweit kann man bezüglich der CD von einem besonderen Zeitdokument sprechen. Zugleich ist die Einspielung auch eine Hommage an die Künstlerin, die zehn Jahre nach deren Tod zustande kam. Lobend zu erwähnen ist vor allem das Booklet, dass nicht nur zwei Zeichnungen Hipps enthält, sondern auch zahlreiche Gedichte von Jutta Hipp, die auf der CD von Silvia Droste vorgetragen werden.

Die Zeichnungen von Lester Young und Horace Silver, die im Booklet abgedruckt worden sind, verraten die überaus hohe Begabung Jutta Hipps als Grafikerin und Zeichnerin. Sie hat diese beiden mit ihr bekannten Größen des Jazz in einer Mischung aus Neusachlichkeit und Karikatur zu Papier gebracht. Dabei fragt man sich, was eigentlich aus dem zeichnerischen Konvolut der Jutta Hipp geworden ist.

Das kompositorische und musikalische Werk Hipps findet man nicht nur auf der vorliegenden CD, sondern auch in der Reihe „Lost Tapes“, die Art House Music herausgegeben hat. Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass Jutta Hipp die erste weiße Europäerin war, die beim Label Blue Note unter Vertrag stand und Alben einspielen durfte. Doch die Karriere in den USA dauerte nicht lange und war nach einem halbjährigen Klubengagement jäh beendet. Trotz Nachfragen um Unterstützung bei Musikerkollegen wie Charles Mingus und Zoot Sims blieb ihr die Solidarität der Kollegen verwehrt. So beschloss Jutta Hipp, den Deckel des Klaviers für immer zu schließen und sich als Schneiderin in der Bekleidungsindustrie New Yorks zu verdingen. Anders konnte sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Über diesen Teil ihres Lebens erfährt man in den O-Tönen der CD nichts, jedoch umsomehr über ihre Begegnungen mit den oben genannten Musikern, mit denen sie teilweise in Horatio Street 47-49, wo sie lebte, gejammt hat. Auch Paul und Carla Bley gehörten zu den Musikerfreunden, die Jutta Hipp hatte und mit denen sie gemeinsam den Jazz lebte.

Die „Projektarbeit“, die Ilona Haberkamp geleistet hat, ist nicht hoch genug zu bewerten. Sie hat nicht nur das Lebenswerk von Jutta Hipp, wenn auch erst nach deren Tod, ins öffentliche Bewusstsein gerückt, sondern auch dem Cool Jazz eine neue Stimme gegeben. Brillant ist die Einspielung des Stückes von Stan Getz namens „Dear Old Stockholm“. Dabei überzeugt besonders das Spiel des Flügelhornisten Ack van Rooyen. Zuvor hatte Jutta Hipp noch einige Worte zu Horace Silver verloren, einem Pianisten, den sie wohl sehr verehrte, wie man ihrem Gedicht „Horace Silver“ entnehmen kann: „Zehn Finger spreizen über weißes Elfenbein / in Arabesken, koboldhaften Läufen / Er zieht den Kopf in seinen Schildpanzer ein, / als ob sich dort verborg'ne Töne häufen. ...“.

Nicht nur im Getz-Werk, sondern auch in den übrigen Aufnahmen ist die Struktur des Cool Jazz als linear und ohne obertonige Ausschweifungen auszumachen. Piano und Altsaxofon bestimmen die Klangsprache, auch bei der Komposition von Laia Genc zu Monk. Dabei bilden die von Jutta Hipp geschriebenen Zeilen „Plink, Plank, Plonk, Monk“ ein ganz wichtiges Element des Werks. Silvia Droste rezitiert nicht nur Hipps Gedicht, sondern erweitert die Lyrik durch gekonntes Scat Vocal.

In Anlehnung an Jutta Hipps bekannte Pianosolos wurde „What's New“ konzipiert. Immer wieder kommt also auch Jutta Hipp zu Wort, mal direkt, mal indirekt, mal in O-Tönen und mal in ihren Kompositionen und Gedichten wie das über Lester Young, der wie so viele andere Musiker seiner Generation dem Alkohol und anderen Drogen verfallen war. Das spiegeln auch die Verse Hipps wieder: „ … Ein Lächeln starb im Angesicht, / als ob die Welt ihm nichts bedeutet. Privat liegt er im Bett allein, / schläft lächelnd durch die lichten Stunden / umringt von Whiskey oder Wein / in Flaschen, oder ungesunden meist bleichen Freunden um sein Lager ...“.

Eine der Aufnahmen auf der CD ist dem Sohn von Jutta Hipp gewidmet. In „Mon Petit “ - von Ilona Haberkamp zu einer kleinen Suite erweitert - erinnert sich die Musikerin wohl an ihr „braunes Baby“ Lionel, das sie als Alleinerziehende im Nachkriegsdeutschland nicht aufziehen konnte und daher weggeben musste. Da Fraternisierung im Nachkriegsdeutschland untersagt war, bekannte sich auch der afroamerikanische GI und Vater Lionels nicht zu Mutter und Kind. So war der Lebensweg von Lionel wohl beinahe schicksalhaft vorgegeben.

Charly Parker ist der Titel „Bird“ gewidmet. Er gehörte eben auch zur Riege der heute als Jazzgrößen verehrten Musiker im Umfeld von Jutta Hipp. Die CD, deren Herausgabe mehr als überfällig war, endet mit einem Blues für „Ju“ und „Mi“, für Jutta Hipp und Charles Mingus. So schließt sich ein Kreis um die fast vergessene Pianistin Jutta Hipp, der eine große Karriere als Musikerin leider verwehrt blieb. Auch Versuche des Klarinettisten Rolf Kühn, Jutta Hipp nochmals auf die Bühne zu holen, scheiterten. Jutta Hipp hatte wohl ihren Frieden gefunden und wollte nicht mehr ins Rampenlicht der Bühne. Die CD jedoch bleibt und macht wenigstens Hipps Lyrik und Musik nicht vergessen.

© ferdinand dupuis-panther

Informationen

Label

Laika Records
www.laika-records.com

Musiker

Ilona Haberkamp
http://ilonahaberkamp.com/

Laia Genc
http://www.laiagenc.com/news/

Ack van Rooyen
http://www.ackvanrooyen.com/

Silvia Droste
http://www.silviadroste.de/


In case you LIKE us, please click here:




Foto © Leentje Arnouts
"WAGON JAZZ"
cycle d’interviews réalisées
par Georges Tonla Briquet


our partners:

Clemens Communications


 


Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse


Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée


Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant


Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon


Special thanks to our photographers:

Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte

Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper

Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein

Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre

Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten

Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden

Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner


and to our writers:

Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst