Gerald Selig, Andreas Mayerhofer, Gerald Endstrasser - a piacere
G
ATS Records
Folgende Anmerkungen lassen sich zum aktuellen Album finden: „a piacere bedeutet „nach eigenem Gefallen“, eine Anmerkung zur Spielweise, die gelegentlich auch in der Klassik den Musikern freie Hand zur Interpretation lässt. In diesem Projekt meint dies den Umgang mit den Kompositionen – klanglich, improvisatorisch und formal, ist aber auch eine feinsinnige Andeutung der Musiker, die sich ja schon lange kennen, zu einem „klassischen“ Verständnis ihrer Musik. „Nach Gefallen“ ist auch die Auswahl der Musikstücke, einzig die Tauglichkeit des Materials für genau DIESE Konstellation entscheidet.“ (zit. n. Homepage von Gerald Endstrasser)
Eigenes wie aber auch je eine Komposition von Henry Purcell, Hildegard von Bingen sowie Egberto Gismonti und als Schlussakkord „Der Mond ist aufgegangen“ sind Teil eines bunten musikalischen Mosaiks des Trios Selig-Meyerhofer-Endstrasser.
Nein, nicht ein elektrisches Vibrafon, sondern ein Vintage Vibe Piano ist es, dass in dem Eröffnungsstück über weite Strecken die Klangfarben auf der Palette gleichsam anmischt. Bei dem benannten Piano handelt es sich im Kern um ein Rhodes mit einem speziellen Klang, der uns an ein Vibrafon erinnert. Perlend und kaskadierend reiht Andreas Mayerhofer Klangnuance an Klangnuance. Für den „Ancient Song“ ist es aber auch der Saxofonist, der Farbtupfer setzt. Im vorliegenden Fall hören wir wohl Gerald Selig am Sopransaxofon in seiner ganzen Klangfülle. Mit Bedacht agiert übrigens Gerald Endstrasser am Drums und Percussion.
Henry Purcell, der bedeutendste Komponist des englischen Hochbarocks, komponierte „They Tell Us that You Mighty Powers Above". Diesmal hören wir nicht Gerald Selig am Saxofon, sondern an der Querflöte, dabei eine durchaus sakral anmutende Melodie spielend. Die Sequenzen, die der Flötist vorträgt phrasiert der Pianist in der Nachfolge. Dabei hat man als Hörer dann den Eindruck, man lausche höfischer Musik nach einem ausführlichen Bankett der adligen Herren und Damen. Mit einem „Flötenkonzert“ geht es weiter. Und auch hier kann man sich durchaus in die Barockzeit versetzen und Augenzeuge eines höfischen Tanzes werden, der sich an das Festmahl anschließt. „Einkehr“ stammt aus der Feder von Gerald Selig: Erneut wechselt Gerald Selig das Instrument und greift zur Bassklarinette. Zwischen deutschem Volkslied und Musik der Romantik changiert die Komposition. Diese lebt wie andere Stücke zuvor, auch und gerade von den Klangbildern, die Andreas Mayerhofer vor unseren Augen entstehen lässt. Dabei meint man, dass der Musiker wie ein bildender Künstler Farbtupfer an Farbtupfer setzt. Sonores trägt der Bassklarinettist auf Zeit zum Ganzen bei. Das hat etwas überaus Beschwingtes, scheint wie eine tänzerische Facette.
„Winter Waltz“ verdanken wir Andreas Mayerhofer. Kristalline Klänge vereinen sich mit den Weichzeichnungen, die Gerald Selig zu verdanken sind. Wie eine Ballade mutet das Stück an. Gemächlich ist das Tempo, so als würde Winterschwere eingefangen, also eine Zeit, in der der Alltaglangsamer dahinrinnt. Erneut ist es der Pianist, der mittels seines speziellen Pianos Melodisches hinzufügt, „gläsern-kristallin“ in der Ausformung. Und was besingt der Klarinettist in der Folge? Einen Tag mit Frost, Kälte und blauem Himmel sowie Eisvergnügen wie wir es von den entsprechenden winterlichen Genremalereien aus den Niederlanden her kennen? Man könnte es annehmen.
Mit einem Zeitsprung „wachen“ wir nachfolgend in der Welt von Hildegard von Bingen auf. Diese ist eine Dichterin und Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters. „Caritas abundat“ lautet der Titel des Stücks, zu dem uns der Pianist mit einer Art Harmonium_Klang begrüßt, ehe dann die Färbung des vermeindlichen Vibrafons durchschlägt. Ohne Frage ist es sakrale Musik, die das Trio präsentiert. Statt des Vintage Vibe Piano könnte man sich übrigens auch eine Harfe als Leitinstrument vorstellen. Passend erscheint auch der weiche, weit tragende Klang der Flöte, der an unser Ohr dringt und das Sakrale beiseite schiebt. Zu den Fremdkompositionen, die wir auf dem Album hören können, zählt schließlich „Loro“ von Egberto Gismonti, komponiert 1981. Mit „orchestralem Pathos“ kommt das Stück des brasilianischen Pianisten und Gitarristen daher. Zu Beginn ist es am Pianisten des Trios die Klanglinien zu definieren. Heiter und mit tänzerischem Impetus geht es weiter, dank an Gerald Selig, der erneut an der Klarinette zu erleben ist. Zugleich wohnt dem Track auch etwas Folkloristisches inne, oder?
Und zum Schluss stellt sich der eine oder andere die Frage nach dem Genre: Jazz, Volksweisen, Klassik. Eigentlich ist das weniger relevant als die Tatsache, dass es sich beim Album auch und gerade um eine ganz frische und ungewöhnliche Annäherung an die Musik der vergangenen Jahrhunderte handelt.
© fdp 2025
Musicians
Gerald Selig: Tenorsax, Sopransax, Klarinette, Bassklarinette, Altflöte
Andreas Mayerhofer: Vintage Vibe Piano
Gerald Endstrasser: Percussion
Tracks
Ancient Song Andreas Mayerhofer
They Tell Us that You Mighty Powers Above Henry Purcell
Einkehr Gerald Selig
This Is the Thing Called Thing Andreas Mayerhofer
Winter Waltz Andreas Mayerhofer
Caritas abundat Hildegard von Bingen
Loro Egberto Gismonti
Der Mond ist aufgegangen Johann Abraham Peter Schulz















