Die „ostdeutsche Ella“ Uschi Brüning über ihr Leben

Die „ostdeutsche Ella“ Uschi Brüning über ihr Leben




Ja, Uschi Brüning gehört bis heute zu denjenigen Jazzsängerinnen der ehemaligen DDR, von denen zu reden ist, nicht nur wegen ihrer Zusammenarbeit mit Manfred Krug und vor allem mit ihrem Ehemann, dem „Doyen des DDR-Freejazz“ Ernst-Ludwig Petrowsky. Doch nicht nur jene Jahre, in denen Uschi Brüning auf der Bühne stand, werden von ihr für den Leser beleuchtet, sondern auch die Kindheitsjahre, einschließlich eines zweijährigen Aufenthalts in einem Kinderheim. Sie und ihre Schwester wuchsen bei der alleinerziehenden Mutter in Leipzig auf, die als Kaltmamsell tätig war. Sie war augenscheinlich mit der Erziehung ihrer Töchter überfordert, jedenfalls aus Sicht der Behördenvertreter, die die Fremdplatzierung veranlassten.

Uschi Brüning schrieb ihre Erinnerungen nicht aus freien Stücken, sondern eher gedrängt, gedrängt von Manfred Krug, so die ersten Zeilen der vorliegenden Veröffentlichung. Sie gesteht zudem gleich zu Beginn ihrer Autobiografie: „Es fällt mir schwer, mich zu erinnern. Auch weil ich weiß, dass Erinnerungen trügerisch sind. Man redet sie sich schön, bedeutend, hässlich oder dramatisch. ...“ Genau dieses Eingeständnis muss man immer mitlesen, wenn die Jazzsängerin und Ehefrau von Ernst-Ludwig Petrowsky, genannt Luten, zurückschaut. Noch ein Satz sollte beim Lesen haften bleiben: „Ich werde mich also erinnern, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, sonder frei und ungebunden, ganz wie der Jazz“, so Brüning, die dann im ersten Kapitel des Buches nicht etwa mit ihrer Kindheit in der DDR und den ersten Gehversuchen in einer Amateurband beginnt, sondern unter der Kapitelüberschrift Zuhause mit der Nachwendezeit und dem erzwungenen Umzug ins Gartenhaus nach Bohnsdorf. Zudem reflektiert die Sängerin in diesem Abschnitt der Biografie über die innere und äußere Freiheit, zudem über Begriffe wie Heimat und Zuhause. Dabei räumt sie ein, dass sie in der Musik, im Gesang und in der improvisierten Musik ihr Zuhause gefunden hat. Erst nach diesen einleitenden Gedanken blättert Brüning das Kapitel „Eine Kindheit in Leipzig“ auf. Bereits in der Kindheit war das Singen ein Ausweg aus misslichen Situationen, vor allem während des Heimaufenthalts, so Brüning.

Die Jahre des Heranwachsens waren auch die Zeit, in der die Bewunderung für Caterina Valente bei Uschi Brüning aufkeimte. Die Lieder des Vorbilds, so „Ganz Paris träumt von der Liebe“, wurden so lange geübt, bis sie dem Original wohl nahekamen. Und nicht nur Caterina Valente bestimmte den musikalischen Alltag, sondern auch Peter Kraus, Elvis Presley, Ray Charles und Ella Fitzgerald. Sie wurden im Radio gespielt, vor dem Uschi Brüning saß und die Lieder, die sie hörte phonetisch niederschrieb. Dabei war immer in ihrem Kopf, dass sie Sängerin werden wollte.

Während der Zeit an der Oberschule wurde die Amateurband „Studio Team“ auf Uschi Brüning aufmerksam. Auftritte neben der Schule waren die Folge. Das Studium für Musik und Deutsch auf Lehramt wurde Brüning nach dem Abitur nicht ermöglicht. Stattdessen wurde sie zum Gerichtssekretär ausgebildet. Die Auftritte als Sängerin fanden zunächst ein Ende.

Jazz war wie Westmusik in der DDR eh verpönt, wie sich Brüning erinnert. Von „Affenkultur“ und „Affenmusik des Imperialismus“ redete die SED-Führung, vorneweg Walter Ulbricht. Das war nicht weit entfernt von Maxim Gorkis Geschreibe von „beleidigendem Chaos des Irrsinns“, so der russische Schriftsteller 1928 über Jazz.

Doch im Laufe der Jahre wurden derartige Positionen aufgeweicht, spätestens im Kontext der Konzerte, die Louis Armstrong Mitte der 1960er Jahre in der DDR gab. Dass dieser Auftritt Teil einer us-amerikanischen Propaganda-Strategie im Kalten Krieg war, skizziert die Biografie kurz. Tourneen von Dizzy Gillespie und Duke Ellington in den Ostblock folgten. Der Jazz fand nach und nach im Osten seine Zuhörer!

Im musikalischen Werdegang Brünings, so erfahren wir, war nicht nur die Band „Studio Team“ von Bedeutung, sondern auch das Manfred-Ludwig-Sextett und das Klaus-Lenz-Sextett, Bands, die wohl den meisten Leser wenig sagen. Lieder von Chris Doerk und Bärbel Wachholz, also Schlager aus der DDR, sowie West-Schlager von Nana Mouskouri, Gerhwins „Summertime“ und Ella Fitzgeralds „Venus“, so erinnert sich die Autorin, gehörten zum zeitweiligen Repertoire.

Ein gesondertes Kapitel widmet Uschi Brüning Luten, ihrem Ehemann, der 1980 bis 1990 in der Band von George Gruntz gespielt hatte. Hierzulande kennt man ihn als Free Jazzer, um den es allerdings in den letzten Jahren sehr still geworden ist. Die Zeit vor dem Mauerbau, als Noten und Schallplatten aus Westberlin noch den Weg in den Osten fanden, als Jazz-Schuppen wie „Badewanne“ und „Eierschale“ noch besucht werden konnten, ist Brüning im Gedächtnis geblieben. Anschließend an den Mauerbau gab es nur noch geheimen nächtlichen Schmuggel von Platten aus dem Westen längs der Transitstrecke Drewitz/Berliner Ring, was Brüning kurz erwähnt. Die Welt von Blood, Sweat & Tears, Chicago und Aretha Franklin, die Klaus Lenz in den Osten mitbrachte, erstickte unter dem Mehltau des geschlossenen Systems nicht gänzlich, denn bis Ende der 1970er Jahre war Lenz mit seiner Band und Uschi Brüning unterwegs. Das letzte Konzert fand im Ring-Café in Leipzig statt. Anschließend verschenkte Lenz seine Konzerttrompete an einen Nachwuchsmusiker.

Dass Uschi Brüning in der Ost-Berliner Musikszene unterdessen einen Namen hatte, wird spätestens beim Lesen von Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ deutlich. Der Romanheld Edgar Wibeau äußerte sich wie folgt: „… Old Lenz und Uschi Brüning. Wenn die Frau anfing, ging ich immer kaputt. Ich glaube, sie ist nicht schlechter als Ella Fitzgerald ...“.

Prägend für die Karriere Brünings war auch Manfred Krug, der sie bei der ersten Begegnung in seiner schnoddrigen Art mit „Tag, Renate.“ ansprach. 1971 stand sie dann mit Krug bei mehreren Konzerten auf der Bühne. Das DDR-Publikum wurde so verstärkt auf sie aufmerksam, wenn auch noch im Schlepptau von Manfred Krug.  

Des weiteren zeichnet Uschi Brüning auch eine Stück Geschichte des Jazz in der DDR nach, wenn vom Rundfunk-Jazzensemble „Studio IV“, gegründet von Luten, die Rede ist, und von dem Auftritt in Montreux 1968. Zudem bringt sie dem Leser auch die Band von Günther Fischer näher, mit der sie 1972 auch in den Westen reisen durfte. Im Gepäck hatte sie dabei deutschsprachige Lieder von Gisela Steineckert wie „Komm nie wieder“ und „Welch ein Zufall“.

Jazz und DDR blieb ein Widerspruch auch beim DDR-Woodstock am Karpfenteich in Peitz. Die Jazzszene traf sich am Rande des Spreewaldes unter den Argusaugen der Stasi. Peter Metag und Ulli Blobel zogen die Strippen für die sogenannte Jazzwerkstatt Peitz, die 1971 das Licht der Welt erblickte. Eine unglaubliche Geschichte im Alltagsgrau der DDR nahm ihren Anfang. 1982 war dann Schluss. Die Insel der Jazz-Glückseligen war Vergangenheit, weil die DDR-Bonzen fürchteten, dass ihnen das Festival und die Massen, die sich in Peitz versammelten, entgleiten würde. Auch dieses Kapitel des DDR-Jazz findet Eingang in Brünings Biografie. Sie erzählt auch von den Stasi-Gängeleien, unter anderem bei einem Konzert von Luten, Klaus Koch und Baby Sommer im Hamburger NDR im Jahr 1978. Bespitzelungen in der Privatsphäre waren außerdem die Regel, zu entnehmen den wiedergegebenen Auszügen aus Stasi-Unterlagen.

Auch der Fall Biermann und der Mauerfall werden in der vorliegenden Biografie nicht ausgespart, die allerdings einige Länge aufweist, auch eine Strukturschwächen hat, dennoch aber einen intensiven Einblick nicht nur in das Leben der Autorin, sondern auch der „Jazzwelt der DDR“ erlaubt.

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Information

Uschi Brüning, Krista Maria Schädlich: „So wie ich“, Ullsteinverlag, 2019, 288 Seiten, 20,00 Euro


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