Trio akk:zent: „Rockschock“

In der Kolvenburg (Billerbeck), 28-7-2018


Im Rahmen des Summerwinds Festival – Europas Festival der Holzbläser – kamen die drei Musiker, Paul Schuberth, Victoria Pfeil und Johannes Münzer ins Münsterland. „sweet desert“ war das Konzert überschrieben. Das bezog sich wohl auf das letzte Album des oberösterreichischen Trios mit gleichem Namen. Doch im Gespräch vor dem Konzertbeginn verriet mir der Akkordeonist Paul Schuberth, dass man nicht etwa ein „Best of ...“ präsentieren werde, sondern eher wenig Gespieltes und Überraschendes, weniger also eigene Kompositionen, sondern ein Repertoire, das auch und gerade auf orchestrale Werke für Akkordeon Bezug nimmt.

Es standen also nicht die bisher bei alessa records veröffentlichten Alben im Vordergrund des musikalischen Abends, sondern ein bunter Mix an Akkordeonmusik, einschließlich Musette, Klezmer und Balkanova. Akzente wurde dabei gewiss gesetzt, aber auch Akk:zente – ein Wortspiel mit der Einbindung des Begriffs „Akkordeon“, ein Instrument, auf dem man auch voreingestellt Akkorde spielen kann.


Das Trio wird häufig unter dem Begriff „Neue Weltmusik“ geführt. Ist das wirklich Weltmusik, was da in den Gemäuern einer mittelalterlichen Burg an einem der in diesem Jahr so zahlreichen tropisch aufgeladenen Abende zu hören war? Wenn auch die Frage im Raum stand, dass die Musik des ungewöhnlich besetzten Trios ohne Bass und Schlagzeug gewiss einen Namen habe, so wirklich zu klären war die Frage auch nach dem Konzert nicht. War es Fusion vielleicht? Da aber Konzertantes im klassischen Sinne ebenso zu hören war wie Balkanova-Anklänge und Klezmerverwandtes, fällt eine eindeutige Einordnung schwer. Es ist obendrein zu fragen, ob Musik eigentlich ein Etikett braucht.

Wohl an, zwei Akkordeons, zwei Knopfakkordeons, vereinten sich mit einer Holzbläserin, Victoria Pfeil, die sowohl Sopran- als auch Altsaxofon spielte und zum sehr dynamischen Duktus des musikalischen Vortrags ganz wesentlich beitrug. Sieben Jahre spiele man nun schon zusammen, so Paul Schubert, und um es mal gleich vorwegzunehmen, er träume zwar ab und an von Johannes, aber verbandelt sei keiner der Drei miteinander. Man denke sich beim Lesen an dieser Stelle ein verschmitztes Grinsen.

Überhaupt scheint das Trio einen Sinn für Ironie, Sarkasmus und Humor zu besitzen, ein wenig auf den Pfaden Kreisels zu wandeln, im musikalisch übertragenen Sinne und bei der Wahl der Titel für einzelne Stücke, die bisher veröffentlicht wurden.

Die beiden Akkordeonisten eröffneten den Abend mit einem anfänglich beinahe sakral anmutenden Stück, bei dem man sich an den Klang einer barocken Kirchenorgel erinnert fühlte, hier und da jedenfalls. Pathos schien im Raum zu sein. Dem Berichterstatter kam beim Zuhören der Gedanke an Smetana und dessen Komposition „Die Moldau“.


Doch ohne Vorwarnung wechselte der Charakter der Musik, schien Musette angesagt zu sein. Unterschwellig war aber immer noch „Die Moldau“ gegenwärtig. Folkloristische Aufsprengungen waren im weiteren Fortgang außerdem auszumachen. Die Akkordeonisten harmonierten vortrefflich in ihrer Melodieführung und in der Basslinie, die jeweils einer der beiden verantwortete.

Die Farbpalette wurde neu gemischt, als die Saxofonistin Victoria Pfeil die Bühne betrat. Nicht nur ihr schnalzendes Spiel ließ aufhorchen, sondern auch die sich auflösenden Linien, das sich Entäußern, stets dabei auf das Dialogische mit den Handzuginstrumenten bedacht. Episch breit ausgerichtet waren die Sequenzen, die Victoria Pfeil zu Gehör brachte. 

Der slowenisch-amerikanische Komponist Guy Klucevsek wurde mit diesem Eröffnungsstück durch das Trio vorgestellt. Den Wenigsten wird dieser in New York lebende Komponist ein Begriff sein, der als Hommage an seine Tante Jennie „Spinning Jennie“ komponierte und damit musikalisch zugleich ein Kapitel der industriellen Revolution aufschlug.

„Ameisen kommen leise“ - so hatte der Berichterstatter zumindest die Ansage verstanden -  hieß es dann für die nächste Darbietung, bei der das Sopransaxofon mit im Mittelpunkt stand. Es zeigten sich im Verlauf sehr heitere, bewegte Momente dieser Komposition.


Auch den Sonnenaufgang in St. Valentin, einer oberösterreichischen Gemeinde zwischen Linz und Steyr, wurde besungen. Dabei kreisten die Finger von Johannes Münzer über den Knöpfen eines der beiden Akkordeons, sehnte das Saxofon den beginnenden Tag herbei, wurde der Korpus des Akkordeons unter den Schlägen von Johannes Münzer zum Schlagwerk. Man sah bildlich im Fortgang des Stück ausschwärmende Fußgänger, langsam dahingleitende Autos, die sich mit rotem Glanz erhebende Sonne. Bog da nicht quietschend eine Tram um die Ecke? Blies da nicht, dank eines der beiden Handzuginstrumente, der Wind gewaltig drein? Ein Rauschen vereinte sich mit dem Schnalzen des Saxofons, das die Nähe zu dem Akkordeonisten Paul Schuberth suchte, musikalisch. Dabei entwickelten sich auch durchaus freie Spielformen, ohne dabei gleich Free Jazz zu sein. Lautmalereien mischten sich mit dem akzentuierten Akkordeonklang. Und dann, ja dann fühlte man sich auch nach Irland versetzt, sah hier Tap Dancing und dort Step Dancing, für Augenblicke nur, aber immerhin.

Zwei Sätze aus einer von Otto Lechner geschriebenen Suite stand nachfolgend auf dem Programm. Lechner, Jahrgang 1964, hat im Übrigen dazu beigetragen, dass „das Akkordeon in Österreich wieder populär zu machen. Seine Musizierweise ist geprägt von vielen ethnischen Musikstilen, Jazz und weiteren Genres, häufig verbindet er seine Musik mit Literatur, Lesungen und Theater.“ So liest man über Lechner bei Wikipedia.

Was dann zu hören war, schien eine Nähe zu Chanson und Couplet aufzuweisen. Volkstümlichen Weisen lauschte man streckenweise und hatte dabei einen Tanzboden vor Augen, auf dem sich Paare im Takt der Musik drehten. Und im weiteren Verlauf schien auch „Anatevka“ im Geiste mitzuschwingen.


In eine gänzlich andere Region, nämlich ins wilde Kurdistan, entführten uns Victoria Pfeil und Paul Schuberth außerdem. Sie breiteten klangvoll den östlichen Diwan aus, wobei Paul Schuberth die Rhythmisierung des Stücks übernahm.

Wild und ungezügelt ging es bei „Rockschock“ zu. Da schienen sich Free Jazz, freie Improvisation, Punk und Rock zu einer Melange zu vereinen. Brüchigkeit und Brüche waren Teil des musikalischen Konzepts. Neben Rabatz und Krawall standen lyrische Ausformungen. Brian Augers Trinity schien sich mit Alvin Lee vereint zu haben, ohne dass Hammond B3 und E-Gitarre zur Instrumentierung des Trios gehörten. Ein rasantes musikalisches Abenteuer nahm seinen Lauf.

Auch im zweiten Konzertteil mischte das Trio Konzertantes mit ungebundenen Formen, galt es ekstatische Momente und lyrischen Wohlklang in sich aufzunehmen, standen dramatische Inszenierungen auch ohne Paukenschlag, aber mit Schlägen auf den Akkordeon-Korpus im Fokus des musikalischen Geschehens. Und wie bereits vor der Pause verstanden es die drei Musiker, das Trio  immer wieder aufzubrechen, sodass Duos verschiedener Konstellation entstanden. Das machte den besonderen Reiz aus, der von trio akk:zent an diesem Abend ausging.


Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther – Text und Fotos sind nicht Public Commons!

Informationen

http://www.summerwinds.de/

trio akk:zent

https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/t/trio-akkzent-solidaire/
https://www.jazzhalo.be/reviews/cdlp-reviews/t/trio-akkzent-sweet-desert/

http://www.trioakkzent.com

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