Trinkhallentour 2016: Tatort Kiosk 45, Dickwall 84 in Mülheim an der Ruhr am 25.7.2016

In der Ankündigung lasen wir über die sommerliche Jazztour: „Die Trinkhallen-Tour-Ruhr im „Wohnzimmer des Ruhrgebiets“: Wir erzählen Geschichten dort, wo sonst die Leute ihre eigenen Geschichten erzählen. Mit diesem Motto ist „Die Verwechslung“ 2010 angetreten und schafft es Jahr für Jahr, die Menschen vor Ort für eine Musik zu begeistern, von der vielerorts behauptet wird, keiner wolle sie hören: zu sperrig, zu kompliziert, zu sehr „Hochkultur“. Bei mittlerweile über 70 Auftritten konnte das Gegenteil bewiesen werden: Die Menschen wollen die Konfrontation mit unbekannter Kunst, die Auseinandersetzung, das Abenteuer, das Suchen und das Finden. Und manchmal auch das Nicht-Verstehen-Müssen, immerhin sei Musik keine Mathe-Aufgabe, wie es ein Zuschauer in Bottrop auf den Punkt brachte.“

Der Feierabendverkehr schien noch nicht vorüber. Autos zischten am Kiosk vorbei, Motorräder ließen ihre Motoren lautstark knattern. Vor Beginn des Konzerts standen einige Besucher und Musiker vor dem Kiosk, der in seinen Namen einen Teil der Postleitzahl von Mülheim aufgenommen hat. Dickswall 84 lautet die Adresse des Geschehens, das in den Händen der Formation „Die Verwechslung“ lag. Dahinter verbergen sich die Bassklarinettisten Felix Fritsche, Florian Walter und Lutz Streun, die sich für den frühen, sommerlichen Abend die Vokalistinnen Marie Daniels und Hannah Schörken eingeladen hatten. Im Kiosk herrschten von Anbeginn beinahe Hochofentemperaturen. Das schreckte die Anwesenden nicht, die sich kühle Getränke im Kiosk besorgt hatten. Dicht gedrängt standen die Zuhörer, die schon auf den Beginn des Konzerts gewartet hatten. Ein Blick auf die Uhr und Florian Walter begrüßte die Gäste. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto ging es bei laufendem Kioskbetrieb los.

Draußen standen etwa 40 Zuhörer. Der eine oder andere dicht am geöffneten Kioskfenster. Neben der Musik wurde das eine oder andere Schwätzchen gehalten. Mancher ließ sich ein Bierchen schmecken und eine E-Zigarette. Handys wurden für Fotos gezückt. Mütter mit Kinderwagen bahnten sich den Weg durch die Umstehenden. Kommentierend zur Musik verfiel eine Gruppe junger Männer in die Rolle von Tarzan und Co.. Zwei Frauen hielten kurz an und kommentierten: „Nee, dat tu isch mir nich an“. So schnell, wie sie gekommen waren, gingen sie auch wieder.

Im Lautschwall von Bassklarinetten, Gesprächsfetzen der Umstehenden und dem mehr oder minder gleichbleibend sonoren Klang vorbeifahrender Autos vernahm man die Ansagen, bruchstückhaft nur, wenn man vor dem Kiosk stand. Eröffnet wurde mit einer Hymne auf den Stahl – liegt ja im Pott nahe -, wenn der Berichterstatter, die Ansage von Florian Walter akustisch richtig verstanden hat. Man hörte es von Anbeginn an rasseln, sirren, surren, rattern – und der Reifenabrieb der vorbeifahrenden Autos ergänzte diesen Klangeindruck. A und E, AE, AE, AA, E – das kam im Wechselspiel aus den Kehlen von Marie Daniels und Hannah Schörken, während sich die drei Bassklarinettisten eher bedeckt hielten. Klang- und Lautschwall gaben sich ein Stelldichein. Hö und Äah, ein Gackern und ein Ooh drangen auch an die Ohren der Anwesenden. „Eiskalt“ wurde es anschließend – gesanglich, derweil im Kiosk das Klima einer finnischen Feuchtsauna herrschte. „Jetzt, eiskalt, jetzt“ … waren Wortfetzen, die man wahrnahm. „Ssss – jetzt eiskalt“ hörten wir, ohne dass dies eine suggestive Wirkung hatte. Zu Drdr, Grr und Drr vernahm man die brummig gestimmten Klarinetten. Es folgten Aach, Ahaha, Tttt, Grr, Grr und all diese Laute schienen sich irgendwann wie die Geräusche des tropischen Dschungels anzuhören. Zugleich lauschte man auch Gesangsfragmenten, die an die Songs nordamerikanischer Ureinwohner angelehnt zu sein schienen. Dieser Eindruck drängte sich jedenfalls dem Berichterstatter auf, der sich beim Zuhören an einen Pow Wow erinnert fühlte. Klagende Klarinetten meldeten sich auch zu Wort, so gar nicht zu den „exotischen Gesängen“ passend.

Bisweilen hatte man den Eindruck, dass im weiteren Verlauf des Konzerts ein Widerstreit zwischen menschlichen Stimmen und den Klängen der tieftönigen Atemrohre angezettelt wurde. Es klang wie Soso und Oho und Aaha im Wechselspiel zu dem Schnalzen und Rollen der Klarinetten. Noch ein Brr, drr und ein Ah, ah – dann war auch dieser musikalische Büdchenzauber bei tropischen Temperaturen vorbei. Herzlicher Beifall war allen Beteiligten gewiss.

Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

http://trinkhallentour.ruhr/

Florian Walter
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/w/wellness-und-tobias-herold/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/k/knu-my-horse-doesnt-give-a-shit/
http://www.jazzhalo.be/articles/die-verwechslung-trinkhallen-tour-ruhr-2016/

Felix Fritsche
http://www.jazzhalo.be/interviews/felix-carlos-fritsche-interview-mit-dem-essener-altsaxofonisten-und-klarinettisten-u-a-the-dorf-fc-fritsche/
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/f/fc-fritsche-raum/

Marie Daniels
http://mariedaniels.de/

Lutz Streun
https://www.facebook.com/people/Lutz-Streun/100004781537641

Hannah Schörken
http://architekt-schoerken.de/hanna/wordpress/


In case you LIKE us, please click here:




Foto © Leentje Arnouts
"WAGON JAZZ"
cycle d’interviews réalisées
par Georges Tonla Briquet




our partners:

Clemens Communications


 


Silvère Mansis
(10.9.1944 - 22.4.2018)
foto © Dirck Brysse


Rik Bevernage
(19.4.1954 - 6.3.2018)
foto © Stefe Jiroflée


Philippe Schoonbrood
(24.5.1957-30.5.2020)
foto © Dominique Houcmant


Claude Loxhay
(18/02/1947 – 02/11/2023)
foto © Marie Gilon


Special thanks to our photographers:

Petra Beckers
Ron Beenen
Annie Boedt
Klaas Boelen
Henning Bolte

Serge Braem
Cedric Craps
Christian Deblanc
Philippe De Cleen
Paul De Cloedt
Cindy De Kuyper

Koen Deleu
Ferdinand Dupuis-Panther
Anne Fishburn
Federico Garcia
Robert Hansenne
Serge Heimlich
Dominique Houcmant
Stefe Jiroflée
Herman Klaassen
Philippe Klein

Jos L. Knaepen
Tom Leentjes
Hugo Lefèvre

Jacky Lepage
Olivier Lestoquoit
Eric Malfait
Simas Martinonis
Nina Contini Melis
Anne Panther
Jean-Jacques Pussiau
Arnold Reyngoudt
Jean Schoubs
Willy Schuyten

Frank Tafuri
Jean-Pierre Tillaert
Tom Vanbesien
Jef Vandebroek
Geert Vandepoele
Guy Van de Poel
Cees van de Ven
Donata van de Ven
Harry van Kesteren
Geert Vanoverschelde
Roger Vantilt
Patrick Van Vlerken
Marie-Anne Ver Eecke
Karine Vergauwen
Frank Verlinden

Jan Vernieuwe
Anders Vranken
Didier Wagner


and to our writers:

Mischa Andriessen
Robin Arends
Marleen Arnouts
Werner Barth
José Bedeur
Henning Bolte
Erik Carrette
Danny De Bock
Denis Desassis
Pierre Dulieu
Ferdinand Dupuis-Panther
Federico Garcia
Paul Godderis
Stephen Godsall
Jean-Pierre Goffin
Claudy Jalet
Bernard Lefèvre
Mathilde Löffler
Claude Loxhay
Ieva Pakalniškytė
Anne Panther
Etienne Payen
Jacques Prouvost
Yves « JB » Tassin
Herman te Loo
Eric Therer
Georges Tonla Briquet
Henri Vandenberghe
Iwein Van Malderen
Jan Van Stichel
Olivier Verhelst