TATORT JAZZ im Kulturbahnhof Bochum-Langendreer: Horace Silver meets Paul Butterfield am 18.5.2016

Jazz 'n' Blues – das stand auf dem musikalischen Menüplan an diesem Donnerstag im Kulturbahnhof Bochum-Langendreer. Bei freiem Eintritt – Spenden waren willkommen – traf der virtuose Gitarrist Jens Filser, der sich zwischen Blues, Rock und Jazz bewegt und unter anderem gemeinsam mit Supercharge, Jeff Healey, Birthcontrol und Anne Haigis aufgetreten ist, auf die TatortJazz-Hausband. Zu dieser Band gehören Martin Scholz (p), Alex Morsey (b) und Uwe Kellerhoff (dr).

Gute Seele der Reihe TatortJazz ist die Jazz-Vokalistin Milli Häuser, die im Jazz wie auch im Reggae gleichermaßen zuhause ist. Sie wies zu Beginn der Veranstaltung u. a. darauf hin, dass aufgrund des finanziellen Abenteuers des Baus des Bochumer Musikzentrums die weitere Förderung von Reihen wie TatortJazz infrage gestellt sein könnte.

Doch nach der „düsteren Vorrede“ ging's in medias res, also zur Musik des Abends. Kurz nur war die Zeit, um einige Dinge zu proben, wie Jens Filser verschiedentlich am Abend bemerkte. Umso mehr gab er seiner Freude Ausdruck, mit einer solchen fantastischen Band wie der TatortJazz-Hausband zusammenspielen zu dürfen. Zum Auftakt des Konzerts – zwei Sets wurden gespielt, und wenn es nach den begeisterten Zuhörern gegangen wäre, wäre das Konzert erst nach Mitternacht zu Ende gewesen – hieß es „Put It Where You Wanted“. Damit unternahmen wir eine Zeitreise in das Jahr 1971, als The Crusaders diesen sehr funky daherkommenden Titel veröffentlichten.

The Crusaders trafen auf Horace Silver

Nein, ein E-Piano hörten wir nicht und auch keine Bläser – beides gehörte zum Setting von The Crusaders. Stattdessen erlebten wir einen überaus spielfreudigen und energetisch zu Werk gehenden Martin Scholz am Flügel. Dabei schien dann nicht nur der Blues, sondern auch der Funk eine gewichtige Rolle zu spielen. Alex Morsey hatte den E-Bass umgebunden, ein eher ungewohntes Bild, wenn man seine Auftritte beim letztjährigen Platzhirschfestival, bei The Dorf oder auch mit Lutz Wichert vor Augen hat. In all diesen Fällen war es der akustische Kontrabass, dem Alex Morsey brummelnde Tonreihen entlockte.

Nun jedoch stand er am E-Bass seinen Mann, derweil Martin Scholz seinem schwarzen Klangmöbel quirlige Tonfolgen entlockte. Die E-Gitarre in den Händen von Jens Filser wimmerte, vibrierte, sang, heulte, fluchte, jaulte, weinte, röhrte, grölte und war immer ganz und gar im Blues verwurzelt. Rhythmische und melodische Interaktionen zwischen Jens Filser und Martin Scholz, aber auch mit dem Drummer Uwe Kellerhoff wurden zum Hörgenuss. Man sah den Beteiligten an, dass sie mit Freude spielten und nicht ablieferten. Alex Morsey ließ übrigens seinen E-Bass nicht nur gequält brummen, sondern entlockte ihm auch so manchen hohen Ton. Schließlich fehlten auch die Effekte nicht, als Jens Filser seiner Gitarre Verzerrungen verordnete. „Was für eine Band, was für ein Motto“ - so die Zwischenansage von Jens Filser nach dem ersten Stück. Das waren keine Vorschusslorbeeren, nein, denn das bewies die Band während des gesamten Abends, um es mal an dieser Stelle vorwegzunehmen.

Anschließend wurde der imaginäre Vorhang für Horace Silver und seinen Blues „Cooking At The Continental“ gelüftet, nachdem es zuvor noch „Moanin'“ hieß. Kurz noch zu diesem „Stöhnen“, dem sich Jens Filser auch stimmlich hingab: Auch Art Blakey and the Messengers haben diesen Titel mit viel Horneinsatz in den 1950er Jahren eingespielt, auf Blue Note, wo denn sonst.

Mit Ellington ging's weiter

Weiter ging es mit einem Klassiker des Jazz aus den 1930er Jahren: „Caravan“, 1936 geschrieben und von Duke Ellington aufgenommen, doch von Juan Tizol komponiert, verwandelte sich unter dem eindrucksvollen Fingerspiel von Jens Filser in einen Reggae, zu dem die Rhythmusgruppe ihren essenziellen Teil beitrug. Dieses Stück hatten die Musiker vorher noch nie geprobt und gespielt. Sie verpassten dem Stück eine musikalische Frischzellenkur. Das galt nicht nur für den gestrichenen Bass, der auch vor Knurren und Knarzen nicht zurückschreckte, derweil Schlagzeug und Flügel im Reggae-Modus verharrten. Schließlich ließ Alex Morsey den Bass auch jaulen und ungehalten sein. Mit der Hand fuhr er auf dem Hals hoch und runter, zupfte auch dicht am Steg und ließ seinen Bass hier und da auch sirenenhaft erscheinen. Martin Scholz gab bei seiner Improvisation des Themas dann den Reggaeduktus auf. Als Zuhörer meinte man in dieser Passage, man werde gerade mit der Musik zu einem „Mantel-und-Degen-Film“ konfrontiert.

Mit „I'm Just Your Fool“, unter anderem von Rick Danko, Richard Manuel & Paul Butterfield eingespielt, ging es weiter. Jens Filser bestach nicht nur an der E-Gitarre, sondern auch gesanglich, als es hieß: I'm just your fool can't help myself / I love you baby and no one else / I ain't crazy you are my baby / I'm just your fool ...

Vor der Pause verneigten sich die Musiker dann noch vor dem Gitarristen John Scofield und spielten dessen überaus bluesigen Song „A Go Go“. Auffallend war erneut das überaus akzentuierte Spiel von Martin Scholz am Flügel, aber auch das sehr variantenreiche Spiel von Jens Filser an seinem Saiteninstrument.

Charlie Parker ließ bitten

Nach der Pause oblag es Martin Scholz den ersten Song zu eröffnen, mit starker Basshand und einem Hauch von Ragtime. Im Tutti spürte man eine sanfte sommerliche Note im Saal, dachte an Segelfreuden und Badespaß. Alex Morsey, eigentlich der Mann für das Tieftönige im Hintergrund, stand nachfolgend am Bühnenrand und bot Scat Vocal vom Allerfeinsten, von Tipbopbedibödidadi bis hin zu Babadidababobel. Sommerlich gestimmt war auch der Flügel in der Regie von Martin Scholz, dem hier und da auch zum Trällern war, aber nur mit den Tasten. Kaskadierende Tonreigen bot uns Martin Scholz obendrein, als die Band in ihrer ganz eigenen Spielauffassung Charlie Parkers „Anthropology“ präsentierte. Zwischenbeifall gab es, keine Frage.

Ein weiteres Mal erklang an diesem Abend ein Song von Horace Silver, nämlich „Sister Sadie“, ein Werk aus dem Jahr 1959. Bei Horace Silver wurde die Hörfarbe durch die Bläser bestimmt, darunter Blue Mitchell (trumpet) und Junior Cook (tenor sax). Diese Klangnuancen mussten die Hausband und Jens Filser durch ihre eigenen Klangkörper ersetzen. Nach einem ausgedehnten Klaviersolo war es dann an Alex Morsey seine Finger über die vier Saiten des Tieftöners gleiten zu lassen und das Thema aufzunehmen. Sehr fein setzte Uwe Kellerhoff die Bleche seines Schlagwerks ein, deren Rand er mit den Sticks berührte. Zeitweilig meinte man gar, man höre ein Glockenspiel, ehe dann die Allmacht des Blues wieder zum Vorschein kam, und Jens Filser sich ganz und gar in den seidenen Kokon des Blues einwickelte.

Bluesbarden wie Van Morrison

Neben Paul Butterfield fehlte auch Van Morrison im sehr abwechslungsreichen Programm nicht. Der Gesangsvortrag von Jens Filser geriet dabei bei keiner Note zu einem einfachen Covern des Songs „Into The Mystic“, nein er versuchte auch nicht die leicht gebrochene und rauchige Stimmlage von Van Morrison zu kopieren: „We were borne before the wind / Also younger than the sun / Ere the bonnie boat was won / As we sailed into the mystic.“ Es ist ja auch überhaupt nicht nötig, sich ständig mit dem Original zu messen, sondern dem Wie den Vorrang einzuräumen. Das taten die vier Musiker auf der Bühne des Kulturzentrums Bahnhof Langendreer in jeder Minute. Dabei änderten sie den Charakter des Stücks von Vam Morrison in eine wundervolle Ballade, die fast zum Mitsingen einlud.

Der Beifall war am Ende des Konzerts überaus herzlich und so durfte eine Zugabe nicht fehlen. Der Abend zwischen Jazz und Blues sowie abseits einer stark verkopften Jazzmusik der Gegenwart hatte ein breites Publikum erreicht. Die Hütte war voll – und das schien Jens Filser sehr zu gefallen und zugleich zu überraschen, denn er erwähnte dies mehrmals im Verlauf des Abends.

Zum Schluss

Die angegebenen Hörbeispiele sind der Versuch, auch ein Klangerlebnis des Abends im Kulturbahnhof Bochum-Langendreer zu vermitteln, wenn es sich bei diesen Beispielen auch um Originaleinspielungen handelt. Die Band des Abends hatte schlicht vergessen das Konzert mitzuschneiden, wie Jens Filser mit Augenzwinkern zum Abschied meinte.

Fotos und Text: © ferdinand dupuis-panther

Informationen

TATORTJAZZ

Milli Häuser
http://www.milli-haeuser.de

Jens Filser
http://www.jensfilser.de/

 

Termine

Mi. 08. Juni 2016 / 20:00h
10. JAHRE TATORT JAZZ
Judy Rafat (voc) mit Tatort Jazz Hausband
TatOrt: http://www.kunstmuseumbochum.de

Do. 16. Juni 2016 // 20:00h
Inklusive Band
Walking On The Moon
kleine Besetzung
Ort: TU Dortmund
5. Etage/Foyer am Raum 5425

Fr. 24. - So. 26. Juni 2016
Displace Marilyn
Inklusives Musiktheater
Ort: Linz / Austria

Fr. 26 / 27. August 2016
tba / Special Concert
Milli and Tatort Jazz Hausband
bei 30 Jahre Bahnhof Langendreer
http://www.bahnhof-langendreer.de

Mi. 31. August 2016 / ab 20:30h
The Jazz Party
Ort: Jazzkneipe - Em Pöötzke
40213 Düsseldorf, Mertensgasse 6

Fr. 09. - So. 11.September 2016
TATORT JAZZ on TOUR
verschiedene Acts von
Tatort Jazz beim: http://www.bochumer-musiksommer.de
Infos, Acts folgen

So. 18. September 2016 / ab 20:30h
The Swinging Ballroom Orchestra
Ort: Jazzkneipe - Em Pöötzke
40213 Düsseldorf, Mertensgasse 6

24. September 2016
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