Black Box Münster 3.3.2024
Zur Konzertankündigung las man über das belgisch-französische Bass- und Gitarrenduo: „Ihre Herangehensweise ist so rein und unverfälscht, wie das Zusammentreffen zweier starker Musikerpersönlichkeiten nur sein kann: Ihr Schwerpunkt liegt in der Kommunikation, im Annähern und Berühren, im Ergreifen und Gegeneinanderstellen, im Einverständnis und im gemeinsamen Aufschrei. Für das Publikum wird dieser Dialog zu einem reinigenden Ritual für die Ohren, den Körper und die Seele.“ Gefördert wurde das Konzert durch die Stadt Münster und das Kultursekretariat Wuppertal, das Landesmittel zur Verfügung stellte, wie Erhard Hirt vor dem Konzert den Anwesenden mitteilte.
Lous Rasting schreibt Folgendes: "Die belgisch-französischen Bass- und Gitarrenvirtuosen Farida Amadou & Julien Desprez sprechen nicht nur dieselbe Muttersprache, sie teilen auch die Sprache der kreativen Musik. Gleichzeitig könnten ihre vielseitigen künstlerischen Hintergründe nicht unterschiedlicher sein und reichen von Hip-Hop und Punk bis hin zu Avantgarde-Jazz und improvisierter Musik. … Et voilà! Machen Sie sich bereit für einen hyperdynamischen Overkill für neun Streicher und eine Heizplatte aus Effektpedalen, destilliert zu einer wunderschönen Wall of Sound, irgendwo zwischen Industrial, freier Formimprovisation & Drone. … Amadou/Desprez sind nicht die alltäglichen Freejazzer, sie spielen Musik für das 21. Jahrhundert."
Vor dem Konzert gab es die Gelegenheit, mit dem Saxofonisten und Klarinettisten Florian Walter über die Reihe soundtrips und seine Rolle bei dem Konzert eines Duos, das fest verschweißt scheint, zu sprechen. Anstelle der Beschreibung des 2. Sets findet sich nachstehend die sinngemäße Wiedergabe des aufgezeichneten Gesprächs mit dem nicht nur durch das Mitwirken in der Großformation The Dorf und bei Malstrom bekannten Essener Saxofonisten und Klarinettisten.
Improvisation und Sprache
Eine Vorbemerkung: Für frei improvisierte Musik bedarf es eigentlich eigener Wortschöpfungen und einer eigenen Grammatik. Worthülsen und Lautmalereien, wie man sie in den Blasen von Comics findet, um Geräusche einzufangen, scheinen naheliegend. Größtenteils entzieht sich aber derartige Musik der verbalen Erläuterungen. Das musikalische Geschehen erscheint sehr dynamisch. Es bedarf der höchsten Konzentration, um dem roten Faden zu folgen. So sind folgende Beschreibungen des Konzerts von Amadou & Desprez unzulängliche Näherungen an das, was da akustisch in der Black Box stattfand.
Reine Klangkonfrontationen ohne Blickkontakt
Und noch eine Anmerkung: Musik beruht ja auch auf Kommunikation, auf Interaktion, auf Gesten, Mimik, auf Non-Verbalem, auf Konfrontation und auf dem Gegenüber. Doch das belgisch-französische Duo agiert ganz und gar gegensätzlich zu den gängigen Formen. Die Musiker saßen Rücken an Rücken, da gab es kein gegenseitiges Minenspiel, kein Gestus, rein die Adaptation des Klanges sowie die Antizipation, was denn da folgen müsse, bestimmte die jeweiligen Klanglinien, Klangflächen und Klangschraffuren, die zu erleben waren.
Dabei spielte das „Zauberkästlein“ für Effekte zu Füßen der Bassistin Farida Amadou und des E-Gitarristen Julien Desprez eine nicht unwesentliche Rolle. Selten klangen die Instrumente in ihrer reinen Klangform. Und so fragt man sich, warum dann noch Instrumente bespielt wurden. Finger über Saiten geschoben wurden oder Slaping auszumachen war. Hätte man die Klangmelangen nicht auch am Computer mittels Samples erzeugen können? Wäre nicht auch ein Synth das geeignete Instrument zur Umsetzung gewesen. Nun gut, das Duo besteht halt aus Saitenkünstlern!
Effekte sind essentiell, oder?
Ohne Effekte keine Klangflächen; die entsprechende Hardware auf dem Boden vor den Musikern ausgebreitet. Tschtschrrr oder Ähnliches; kurzatmige Vibrationen ähnlich einem schwingenden, eingeklemmten Blechstück. Kurze Intervalle der Klänge und ein nachhaltiges Knistern; Papier oder Plastik war die Frage. Nachhallende Klänge und Metallisches; Industrial Noise eher als Ambient Music. Dunkle Klangsequenzen und ein Fiepen sowie ein Trr-Trr. Faustschläge auf den Rand des E-Gitarrenkorpus und eine hin- und hergeschwungene Gitarre. Klänge wie die von hölzernen Klangstäben. Stakkatos und Wiederkehrendes. Drehende Schwungscheiben und Zahnräder, die nicht ineinander fassen – ein weiteres Bild zu den Klanginszenierungen. Tttartttra und mächtige Schläge auf die E-Gitarre. Ununterbrochenes Spiel.
Gewitternder Klangrausch
Pausenloser Klangrausch, mal dynamisch und eruptiv, mal zurückgenommen, so der Eindruck. Lautstärkenzuwächse wie bei einem sich entwickelnden Orkan. Vogelstimmen – oder was? Klopfzeichen auf dem E-Bass erzeugt. Gemorste Klangwelten. Basslinien übertönt vom Saitenschwall des E-Gitarristen. Tamtatetatamtetata oder Ähnliches als rhythmische Einschübe. Rhythmische Fußbewegungen zwischen den Effektgeräten am Boden, auch ein Stampfen und Wechselschritte.
Bilder von Unwetter, Donner, Sturm, Taifun und Windhose drängten sich auf. Kurzes Fingerspiel am Hals der E-Gitarre. Klänge wie die einer altersschwachen Lok, die über verrostete Schienen und ausgeschlagene Schweller ihren Weg findet. Jeder der beiden Musiker in sich und seine Musik vertieft. Metal und Hard Rock als Elemente des Spiels und auch wieder nicht. Ätzungen der Klänge. Geräusch einer Metallsäge, die in Aktion ist. Sirenengesang und Trommelschläge ohne Drum Kit.
Klanggeschnipsel
Kurzer hoher Glockenschlag vermischt mit gesetzten Basslinien. Gehämmer in einem Hammerwerk oder Industrieschmiede – daran konnte man als Zuhörer obendrein denken, folgte man dem Konzert. Klangschnipsel an Klangschnipsel gefügt. Fallende Metallscheiben oder Metallstäbe in einem Klangdomino. Nervöses Fingergeschiebe auf dem Hals der E-Gitarre. DADA des Klangs ohne Worthülsen, nur Klanghülsen. Oszillierendes über einer Grundlinie. Verstimmen und Stimmen von Basssaiten. Damdadam, Damdadam ...Infernalische Klangwege. Nur einmal Jimi Hendrix reloaded oder was? Und dann fanden sich beide Musiker in einem Schlusspunkt. Ahnung, Vorahnung – so schien es.
Soundtrips, Mikrosignal und Körperlichkeit
Florian Walter, der wie üblich bei der Reihe soundtrips, als Gast eingeladen war, hatte selbst über Jahre in Essen das entsprechende Programm begleitet und initiiert, wie er im Gespräch erläuterte. Sinn und Zweck der Reihe war und ist es, Newcomer vorstellen zu können und Musikern, die man sonst wegen deren diverser Aktivitäten nicht so einfach gewinnen könne, eine kleine Konzerttour anzubieten. Die Sessions waren und sind, so Florian Walter, auch immer Gelegenheit mit Musikern aufzutreten, die man bisher nicht kannte. Als lokaler Gast ist es ungemein spannend, sich erst einmal anzuhören, was die Eingeladenen machen, und dann die eigene Rolle und den eigenen Beitrag für das 2. Set zu entwickeln. Das bedeutet, dass der lokale Gast sich im zweiten Konzertteil kommunikativ abarbeitet, so der Essener Saxofonist Florian Walter sinngemäß. Gehört habe Florian Walter Farida Amadou schon das eine oder andere Mal, da der Essener Schlagzeuger Simon Camatta schon mit ihr gespielt hatte. Dabei und auch auf Festivals wie Saalfelden sei er ihr, wenn auch nicht als Mitmusiker, begegnet. Insoweit war das Konzert in der Black Box eine Premiere.
Wie kann es einem lokalen Gast eigentlich gelingen, sich einem sehr konsolidierten Gefüge eines Duos zu nähern? Ohne Frage, eine Herausforderung von der Lautstärke und Dichte her, so Florian Walter. Es sei ja spezielle Musik, die nicht so dem entspräche, was er selber mache. Beim Einspielen war es so, dass auch Florian Walter mit dem Rücken zu seinen Mitmusikern saß. Da gab es dann keine Sichtkontakte, wobei er, Florian Walter, eh mit geschlossenen Augen spiele, aber doch stets eine Art peripheren Blick habe. Das sei nun nicht der Fall. Nun galt es, sich ganz und gar aufs Hören zu verlassen. Doch das sei sehr intensiv und fordernd, wie man die Klänge zusammenbringen könne. Dabei betonte Florian Walter, dass die non-verbale Kommunikation bei frei improvisierter Musik – und um die ging es an dem Abend in der Black Box – durchaus bedeutsam ist. Man habe ja während der Coronazeit Erfahrungen mit Zoom gesammelt, also mit rein auditiver Kommunikation. Das war in Ordnung, aber so richtig habe die Improvisation nicht funktioniert. Interessant war zu erfahren, dass Florian hervorhob, dass man sich zwar nicht sehe, aber man bekomme schon Körperspannungen und -bewegungen mit. Man höre ja nicht allein ein Mikrosignal von den anderen Musikern. Man sitze ja sehr eng aneinander und nehme so die Körperlichkeit sehr stark wahr.
Auf die Frage, welche Rolle Florian Walter spiele und ob er bei all den Effekten die analoge Stimme einbringe, antwortete der Saxofonist wie folgt: Ja, er bringe den Atem ins Spiel. Er könne auch das Spiel in Richtung auf leises Spiel lenken, denn der Bass werde schon sehr am Limit gespielt und die Boxmembran mache dann wirklich ein Bämbam.
Übrigens, als Ambient wollte Florian die Musik nicht sehen, sondern eher als industriell mit eigener Metrik. Jedenfalls sei die Musik des Duos nicht vordergründig taktbasiert. Es entstünden Aktionen bei dem Duo, das in langer Sicht ein Klangbild ausmache.
© fotos und text ferdinand dupuis-panther
Line-up:
Farida Amadou (B) – E-Bass
Julien Desprez (F) – E-Gitarre, Effekte
Gast: Florian Walter – Kontrabassklarinette, Altsaxofon
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