Lackerschmid Connection im Düsseldorfer Hofgarten, 19. August 2017

Der Wettergott hatte für kühle Temperaturen und für einige Wolkenbänder gesorgt, sodass die Schar derer, die in den Hofgarten gekommen waren, um Wolfgang Lackerschmid (Vibrafon), Martin Auer (Trompete), Caris Hermes (Kontrabass), und Niklas Walter (Schlagzeug) zu hören, überschaubarer als bei sommerlichem schönen Wetter war. Die, die den Weg in den Hofgarten gefunden hatten, bereuten es nicht. Wolfgang Lackerschmid, geboren in Tegernsee und heute im Süden Deutschlands beheimatet, präsentierte eigene Kompositionen, die seine Vorliebe für brasilianische Rhythmik verraten.


Das Melodische hatte dabei stets Vorrang. Eingängig kann man die Melodielinien bezeichnen, die sich über ein fein geästetes Harmoniegerüst spannen. Dialogisches war zu hören und jeder der Musiker zeigte sich in ausdrucksstarken Soli. Dabei muss allerdings angefügt werden, dass das dominierende Zwiegespräch zwischen Martin Auer und Wolfgang Lackerschmid in vielen Stücken nicht zu überhören war.

Mit einem leichten Grinsen im Gesicht kommentierte Wolfgang Lackerschmid den Eröffnungssong des Konzerts. Kenner hätten ja wohl schnell erkannt, dass einige Fragmente geklaut seien, so Lackerschmid, nämlich thematisch von „Aint't no sunshine when she's gone“ (Text: Bill Withers) und von „Little sunflower.“, ein Stück, das Freddie Hubbard bekannt gemacht hatte. Aus diesen Fragmenten und eigenen Ideen schuf dann Lackerschmid sein „Ain't no sunflower“, erstmals vor zwei Jahrzehnten eingespielt. Zudem merkte der süddeutsche Vibrafonist an, dass er mit dieser Einspielung dann zu seiner eigenen Überraschung für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert wurde.


Weiter ging es mit nur vier Tönen, sprich der Komposition „Four Notes“, einem kleinen Walzer mit ausgedehnten Harmonieschüben über vier Töne, mit denen Lackerschmid beinahe didaktisch ausgerichtet auch eröffnete. Beschwingt klang das, was zu vernehmen war. Die Klangstäbe tanzten und zeigten sich im Klang glockenhell-metallisch, ohne langen Nachhall trotz des Einsatzes des Pedals. Kontrastreich dazu war das lyrisch-samtene Spiel von Martin Auer auf dem Flügelhorn angelegt. Die einschmeichelnden Klangfarben standen im Gegensatz zu den schrill-grell zitternden Klangstäben. Mit fein gesetztem Fingerspiel brachte Caris Hermes ihren Tieftöner ein und ließ sich dabei auf einen aufgefeilten Dialog mit dem Vibrafon ein. Auf eine bauschige Klangwolke begaben sich die Zuhörer, als Martin Auer am Zuge war. Schloss man die Augen, so dachte man weniger an Walzerschritte, sondern an tanzende Blätter im Wind und an eine warme Brise, die von der Sahara über das Mittelmeer nach Europa weht.


Bei der Konzertfortsetzung wurden die Anwesenden mit brasilianischem Bebop konfrontiert, so Lackerschmid in der Erläuterung zu der Komposition „Chorinho pra banda“. Ein wenig Latin Fever kam auf, auch ohne Bossa, Samba und Rumba. Sehr auffällig war das überaus betont rhythmisch angelegte Spiel von Wolfgang Lackerschmid, gefolgt von sprudelnden Klangläufen, die Martin Auer zu verdanken waren. Selbst Caris Hermes und ihr „introvertierter Tieftöner“ kamen bei diesem Stück richtig in Schwung. It swings – so war kurz und knapp gesagt der Eindruck.

Vor mehr als 40 Jahren, so Wolfgang Lackerschmid, wurde der nachfolgende Song zunächst ohne Songtitel geboren. Es war einer von zehn Songs, die im Laufe der Zusammenarbeit mit dem Trompeter Chet Baker entstanden, der 1988 nach einem Fenstersturz unter Drogeneinfluss in Amsterdam verstarb. Nach dem Einspielen des Songs begab man sich in den Regieraum, wo einige der Anwesenden weinten. Chets tröstender Kommentar dazu: „Why Shouldn't You Cry.“ Und schon war der Songtitel geboren.


Ganz im Geist von Baker schien Martin Auer sein Spiel mit der gedämpften Trompete ausgerichtet zu haben. Melancholie war zu spüren, auch ein Wispern und Raunen. Blues und Schwermütigkeit schienen nahe zu sein. Gewischte Felle trafen auf eine „sich grämende Trompete“. Lyrisches hatte die Oberhand. Getragen und gedämpft in der Stimmung war auch das, was Caris Hermes ihrem Tieftöner abrang.


Vor dem Song „Impression“ erklärte Wolfgang Lackerschmid, dass er gerne grenzüberschreitend unterwegs sei. Das beträfe auch die Auseinandersetzung mit bildender Kunst und Musik. Gerd Dudek, Manfred Schoof und Wolfgang Lackerschmid haben mit Markus Lüpertz zusammen Musik gemacht, auch bei Vernissagen. Lüpertz habe dabei in die schwarzen und weißen Tasten eines Pianos gegriffen und nicht den Malgrund gestenreich bearbeitet. Übrigens, spiele man seit 22 Jahren gemeinsam Free Jazz. Zudem habe er, Wolfgang Lackerschmid , mit Stefanie Schlesinger Gedichte von Lüpertz zu jazzigen Kunstliedern vertont. Was zu hören war, schien anfänglich wie ein morgendlicher Weckruf. Das Klangbild der Trompete ließ aber auch die Landschaftsmalerei eines Pissarro und die flirrenden Bildpunkte der Luministen im geistigen Auge des Zuhörers entstehen. Van Goghs gelbe Sonnenblumenfelder schienen lebendig zu werden oder aber die Drippings von Jackson Pollock. An die Bildwucht und Bildwut von Lüpertz dachte der Berichterstatter überhaupt nicht. Umbra mischte sich mit Siena, Tannengrün mit Zitronengelb, hörte man dem Gezupfe von Caris Hermes zu. Das Spiel des Drummers Niklas Walter fügte Mausgrau und Schwarz hinzu. Eher Azur und Himmelsblau schienen die Farben von Martin Auer zu sein. Giftiges Grün stiftete Wolfgang Lackerschmid, um das „impressionistische Gemälde“ zu vollenden.


Nach einem Unfall, so der Bandleader, habe er „One More Life“ geschrieben. Dieser Song wurde, so der Zusatz Lackerschmids, die Erkennungsmelodie eines Nachrichtensenders. Neben dem Grundkonzept des Songs seien im Laufe der Zeit auch Bearbeitungen für einen Chor und ein Streichquartett entstanden. Insgesamt klang der Song sehr nach Gospel, ein wenig auch nach Blues, vor allem während des Flügelhornspiels von Martin Auer. Black Music kam dem einen oder anderen Zuhörer wohl in den Sinn. Gab es da nicht auch „Zitate“, die an Cannonball Adderley denken ließen?


Schließlich: Wie man auch bayerische Volksweisen in Jazz verwandeln kann, zeigte uns Lackerschmid obendrein. „Baierbaiao“ hieß der Song, der wirklich mit einer Art Humpdahumpdapassage begann, sich dann aber nach und nach rhythmisch und harmonisch zu Weltmusik mit brasilianischem Einschlag wandelte.

Ohne Zugabe konnte Lackerschmid Connection die Bühne im Hofgarten nicht verlassen. Doch da die nächste Band auf ihren Auftritt wartete, war dann aber Schluss mit brasilianischen und anderen musikalischen Grenzgängen.


Text und fotos: © ferdinand dupuis-panther


Informationen

Wolfgang Lackerschmid
http://www.lackerschmid.de/

Caris Hermes
https://de-de.facebook.com/caris.hermes
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Martin Auer
http://www.martin-auer.com/

Niklas Walter
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