JazzToday – SongOfMu

Black Box Münster, 14.06.25





© Chloe Cohen




Vorab: Wie so viele kulturelle Events benötigt auch die Reihe JazzToday Unterstützung. Das aktuelle Konzert war mit freundlicher Unterstützung durch die Kulturstiftung möglich. So, nach diesem „Werbeblock“ nun zu den Musikern und ihrem Projekt SongOfMu. Dazu lasen wir im Vorfeld: „SongOfMu entwickeln ihren Sound wie in einem fortlaufenden Film, auf dessen Folie subtile Grooves mit Einflüssen aus koreanischem Gugak und Krautrock, aus Free Jazz, Minimal und Elektronik miteinander verschmelzen. Die Musik, die Songs von SongOfMu setzen sich in multistilistischen Impulsen aus dem Material zusammen, das die crossover-erfahrenen Musiker:innen in improvisierten, oft tranceartigen Passagen aus den Untiefen ihres musikalischen Unterbewusstseins hervorholen, um daraus einen gemeinsamen Bandsound zu formen.“ Und um was handelt es sich bei Gugak? Im Netz war Folgendes zu finden: “국악 (Gugak) bedeutet „nationale Musik“ bzw. „koreanische Musik“ und umfasst sowohl jahrhundertealte traditionelle als auch neu komponierte Musik, die sich auf traditionelle Spieltechniken oder Melodiestrukturen beziehen. Generell bezeichnet man mit Gugak nicht nur die koreanische Musik, sondern auch die Tänze.“ (Zit. https://gugak-korea.org)



Die Instrumentierung des Trios ist insoweit außergewöhnlich, als Bo-Sung Kim auf der doppelseitigen Sanduhrtrommel Janggo und den Gongs Jing und Kkwaenggwari spielt, ganz und gar im Verständnis der koreanischen Gugak-Musik. Matthias Mainz saß beim Konzert am präparierten und unpräparierten Flügel und changierte in seinem Spiel, so war im Vorwege des Konzerts zu lesen, von Jazz zu Minimal, Free Jazz und Neuer Musik. Oliver Potratz positionierte seine Kontra- und E-Bässe in SongOfMu mit Leichtigkeit zwischen akustischem und elektronischem Sound, zwischen Avantgarde- und Freejazz-Modi und spielte dabei mit minimalistischen Fragmenten. Man durfte bei all diesen Vorabinformationen auf das Konzert und dessen Verlauf sehr gespannt sein.

Statt der sonst üblichen zwei Sets, spielte das Trio ein langes Set, in der sich der Klangfluss entwickeln konnte. Und als jeder Anwesende dachte, es sei alles zu Ende ging es noch weiter. Schließlich ging es darum, so sinngemäß Oliver Potratz, die Zukunft zu gestalten und nicht daran zu zweifeln, dass eine Zukunft gestaltbar ist. Man müsse sich die Zukunft erobern, auch entgegen all der üblichen Narrative, so der Bassist weiter. Wir alle können nicht in die Zukunft schauen, aber da kommt noch was. Das dachte auch die Zwischenruferin, die dann das Trio zu weiterem Spiel aufforderte. Und das geschah dann auch.


© André Symann


Doch vor dem Ende oder dem Encore, je nach Blickwinkel, sowie dem langen Schlussbeifall, gab es das sehr hörenswerte und abwechslungsreiche Konzert von SongofMu. Dabei stellte sich die Frage, welche Art von Konzertarchitektur das Trio entwirft. Jedenfalls schien es am Beginn so, dass einzelne Bausteine vorgestellt wurden, die gleichsam eine Art Fundament bildeten – hier ein „Bass-Dreisatz“, dort kristalliner Schellenklang und schließlich das Zupfen der verspannten Saiten im Inneren des Flügels. In der Tat, diese Bausteine kamen immer wieder zutage, wenn auch nicht mehr so dominant wie zu Beginn des Konzerts. Der Bogenstrich des Bassisten erfolgte dicht am Steg, Schrill war das, was wir wahrnahmen. Eine Klangschale kreiste und dazu „wehklagte“ der Bass. Der Tieftönigkeit gab sich zeitweilig auch der Pianist hin. Ansätze von melodisch ausgereiften Linien konnte man erkennen, dank an den Pianisten Matthias Mainz. Sein Tastenspiel glich zeitweilig dem Klang fallender Regentropfen, die auf Platanen-Blätter treffen.


© André Symann


Finger wurden nach und nach auf die Felle der Sanduhrtrommel gesetzt, teilweise auch gewischt. Tiefes Dumdum wechselte sich mit Klicklauten ab. Zeitweilig hatte man den Eindruck, das Trommeln werde ritualisiert und diene dazu, eine hypnotische Wirkung zu erzeugen. Im Laufe des Konzerts wurde aus einzelnen isolierten Bausteinen ein Klanggebilde in Ganzheit, wurde ein Klangfluss angestrebt, vor allem durch den Pianisten. Der Bassist steuerte gelegentlich „Sprungsequenzen“ zum Klanggemälde bei und war dabei in einen Dialog mit der Perkussionistin vertieft.

Zwei „Orchesterbecken“ wurden aneinander geschlagen. Gleichzeitig wanderten die Finger des Pianisten vom Bass in den Diskant. Klangfragmente wurden aneinandergesetzt. Hier und da dämpfte der Pianist die Klangäußerungen, indem er seine Hände auf die Saiten im Korpus des Flügels legte. Klangwiederholungen nahmen wir zudem wahr. Ein Bogenstrich auf dem Steg des Kontrabasses erfolgte, außerdem ein sanftes Getrommel der Perkussionistin auf ihrer Sanduhrtrommel. In die Bespannung der Trommel wurde ebenso gegriffen wie mit einem Trommelstock das Fell zum Schwingen gebracht. Bei all dem hatte der Zuhörer immer noch den Eindruck, das Trio schaffe für die Konzertinszenierung isolierte Elemente. Dass sich mehr und mehr ein Dialog und obendrein Kontroverse zwischen den Musikern ergab und sich zudem  ein gewisser Klangfluss sich entwickelte, war auch durchaus erkennbar.


© André Symann


Nein, ein Pow Wow wurde von der Perkussionistin nicht inszeniert, auch wenn ihr Getrommel stark an die Trommelschläge bei einem Pow Wow erinnerte. Organisch waren die Schlagbewegungen der Perkussionistin, um eine Mischung aus Dumdimdum und Tack-Tack zu erzeugen. Mit der Verstetigung des Trommelns gingen energiegeladene Piano-Sequenzen einher. Das, was der Bassist vortrug, schien zeitweilig wie der Klang eines dahin rasenden Dampfzugs. Und der Pianist entführte uns mit seinem Spiel an einen mäandrierenden plätschernden Bach, so ein Bild im Kopf des Berichterstatters. Ein hängender Großer Gong wurde außerdem Teil der Klanggestaltung und sorgte für einen nachhallenden Klang.

Im Anschluss daran griff der Bassist zum E-Bass und ließ uns Sphärisches vernehmen. Wurde da nicht auch Psychedelic Rock lebendig? Dazu hörten wir die tropfigen Klänge, die dem Piano entlockt wurden. Genau zu dem Moment, als Oliver Potratz sein Instrument wechselte, änderte sich auch der Charakter des Konzerts, entstanden kontinuierliche Klangflüsse, schien es, dass alle bisher eingebrachten Bausteine zu einem Klanggebäude vereint wurden. Basslinien durchkreuzten Melodielinien. Dazu gab es monoton anmutendes Getrommel, gleichsam wie eine Beschwörungsformel.  Zugleich erinnerte das Trommeln auch an Techno-Rhythmik, oder?


Und dann war das Konzert beendet oder war das nur ein Fake Ending? Was folgte waren beinahe philosophische Betrachtungen des Bassisten, die oben im Text schon angesprochen worden sind. Schließlich gab es dann das obligatorische Encore. Fazit: Durchdacht inszeniert war das Konzert, auch wenn der Berichterstatter das in der Vorankündigung genannte Element Krautrock nicht ausmachen konnte, dafür aber alle anderen oben genannten Elemente wie Elektronika, Minimal Music und Free Jazz. Kurzum: Der Abend in der Black Box war ein Hörgenuss dank der vielen unterschiedlichen Bausteine, die die drei Musiker einbrachten.

Tekst © Ferdinand Dupuis-Panther  -  Foto's © André Symann / Chloe Cohen


Info
http://www.cuba-cultur.de/index.php?id=49

Besetzung:
Bo-Sung Kim – Janggo (Sanduhrtrommel)/Jing (Großer Gong)/Kkwaenggwari (Kleiner flacher Gong)
Matthias Mainz - Präpariertes und unpräpariertes Piano/Live-Processing
Oliver Potratz – Kontrabass/E-Bass/Elektronik

Stream des Konzerts HIER


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