Jazz Today - Szene Köln: Reza Askari – Roar

cuba Black Box, Münster 9.11.2019



„Der in Köln lebende Bassist Reza Askari gilt seit geraumer Zeit als einer der deutschland- und europaweit gefragtesten Bassisten der jüngeren Jazzgeneration. Mit seinem Projekt „ROAR“ vereint er drei junge, hochkarätige und virtuose Instrumentalisten zu einem homogenen Klangkörper, der vor Spiel- und Experimentierfreude gerade nur so strotzt.“ So war es in der Konzertankündigung zu lesen. Neben dem Bassisten Reza Askari gehören zum Trio der Holzbläser Stefan Karl Schmid und der Schlagzeuger Fabian Arends.

Nein, Hip Hop und Rap gab es nicht zu hören, auch keine Performance à la Jazzkantine in Kleinformat oder gar Musik in den Fußstapfen von Branford Marsalis Buckshot Lefonque. Wieso kam dieser Gedanke zu Beginn überhaupt auf, bei dem einen oder anderen in der „Schwarzen Kiste“? Das war sicherlich dem „Bühnenoutfit“ des Bassisten und Bandleaders Reza Askari geschuldet. Doch das Trio belehrte die Zuhörer vom ersten Takt an eines Besseren und ergründete im Folgenden die Tiefen und Untiefen von Bebop und Modern Jazz reloaded – und das nicht nur bei „Bottrop Bebop“.

 


Wer übrigens erwartet hatte, dass an diesem Spätherbstabend ausschließlich das Debütalbum des Trios namens „Roar“ (dt. Büllen, Röhren, Tosen) vorgestellt werde, den erwarteten neue Kompositionen , darunter auch „(o)“ aus der Feder des Bassisten, der dieses Stück vor einer Woche geschrieben hatte. Taufrisch und unverbraucht kam es auf den ausgebreiteten Tisch mit Jazzallerlei.

Auch von der Instrumentierung her waren Tosen und Röhren weniger vorgesehen. Es fehlten eine Bassposaune und ein Baritonsaxofon, denen man dies zugetraut hätte. Ja, der Kontrabass kann schon ein wenig tosen und den Eindruck nahender Klanggewitter erwecken.  Ansatzweise glitt Stefan Karl Schmid mit seinem Tenorsaxofon in Tiefen des Baritonsaxofons vor und ließ seinen Holzbläser auch schnurren und schnarren, sogar schnappen und leicht schnalzen, aber nie grölen oder gar brunftig röhren.

Insgesamt waren die Färbungen der Kompositionen eher pastellenen Farbgebungen von Grün bis Blau zuzuordnen. Schwarz-Weiß war nicht das Ding des Trios, in dem sich Fabian Arends im Umgang mit Snare, Toms und Becken als sehr sensibel und fein-nuanciert erwies. Da gab es kein protziges Haudrauf und kein nervtötende Basstrommel, die sich klanglich aufdrängte.


Mit „Magic Realism“ machte das Konzert auf. Der Klang gestrichener Felle vereinte sich mit einem  gezupften Saitendong und -dum. Die melodischen Konturen, die nachfolgend gezeichnet wurden, trugen klassische Anmutungen in sich. Samten war der Klang des Saxofons, einem warmen Sommerwind gleichend. Dialog war das Prinzip des Stücks, bei dem Reza Askari am Bass den Phrasierungen von Stefan Karl Schmid folgte, nicht sklavisch, sondern im Klangkontext verbleibend. Liedhaftes drang ans Ohr der Zuhörer. Weite Blicke eröffneten sich dank des Narrativ des Trios. Ein Lichtermeer in pastösen Farben und mit dem Pinselschlag eines William Turners breitete sich aus, so der Eindruck.

Sonor gab sich der Bassist, der uns durch das Zupfen der vier Saiten ein klangliches Wechselspiel von Tief- und Hochtönigkeit bescherte. Tänzelnde Besen über Bleche und ein gehauchtes Tenorsaxofon gesellten sich zum „umbra- und ockergefärbten Bass“. Kurz und knapp war der Kommentar von Reza Askari nach dem Ende des Stücks. Dadurch erfuhren die Anwesenden, dass das Stück durch eine 2018 stattgefundene Kolumbien-Reise inspiriert worden war.

In der Folge hörten wir „Play“, komponiert von Stefan Karl Schmid und im nächsten Jahr auf einem Album des Trios zu hören. Bei den ersten Klängen der Komposition dachte der Berichterstatter spontan an einen sich drehenden Kreisel, an das Hopse-Spiel „Himmel und Hölle“ und andere Kinderspiele. War das intendiert?


Reza Askari entlockte seinem Tieftöner zunächst einmal einzelne Tieftöne, die er im Raum stehen ließ. Dazu erklomm Stefan Karl Schmid mit seinem Instrument eine Klangleiter, auf der es hinauf ging, aber dann auch im nächsten Schritt wieder hinunter. Kurz angebunden war Fabian Arends mit seinem Stockspiel. Sprunghaftes ließen alle drei  im Fortgang des Stück vernehmen. Doch im Verlauf änderte sich der Charakter des Stücks, war von kindlicher Ungezwungenheit nichts mehr vorhanden. Statt dessen schien sich mediterranes Flair auszubreiten, fühlte man sich vom Schirokko umweht.

Bei der Ankündigung von „Bottrop Bebop“ gab es zwei Lacher im Publikum, sehr zur Freude von Reza Askari. Jazz ist ja nicht nur ernst, sondern durchaus auch witzig, oder? Der Bass zeigte eine gewisse Nervosität. Schnelligkeit war angesagt. Es ging stetig vorwärts. Pulsierend war das, was wir hörten, begleitet von einem gewissen Swing. Der Saxofonist lotete im Fortgang des Spiels die Tiefen seines Holzbläsers aus. Verharren gab es nicht. Es ging ohne Unterlass voran. Das war nicht nur dem Drummer geschuldet, aber auch er war im Parforce-Ritt des Trios eingebunden. Hier und da blitzten Erinnerungen an Coltrane, Parker und Konsorten auf.

Dass im Jazz auch die leisen Töne ihren Platz und ihre Berechtigung haben, unterstrich das Trio in „(o)“. Zerbrechlich und feingliedrig klang das, was Reza Askari seinem Bass abrang. Sanft zitterten die Bleche;  der Saxofonist flüsterte verhalten. Durch den Schlag des Bogens auf die Basssaiten brachte Reza Askari sein Instrument zum kurzatmigen Flattern. Schlägel wanderten über Trommeln und Bleche, unaufdringlich, aber dennoch nachhaltig. Ab und an zeigte sich der Saxofonist als jemand, der im dichten Nebel ein Nebelhorn anstimmt. Erdige Klangauswürfe kamen hinzu, als der Bassist am Zuge war. Mit „Drums“ wurde das erste Set abgeschlossen, ohne allerdings den Fokus ausschließlich auf den Drummer zu richten.


„Firefly“ stand zu Beginn des 2.Sets auf dem Programm: Ein eloquentes Saxofon traf auf ein quirliges Schlagwerk. Balladenhaftes vernahm man hier und da. Das Bild vom Flaneur war eine der Assoziationen, die sich beim Hören des Musik aufdrängte. Klangfarben evozierten die Vorstellung von Frühlingsgrün und Azurblau. Ab und an musste der eine oder andere Zuhörer an John Coltrane denken, der ja mehr als nur „Love Supreme“ veantwortet.

Wie auch schon im ersten Set löste sich das Trio gleichsam auf, nicht allein für diverse Solos, sondern auch für Duos mit unterschiedlicher Regieführung. Im weiteren Verlauf des Stücks meinte man, Tänzerinnen mit Pirouetten vor sich zu sehen oder aber auch Skater, die sich mit Leichtigkeit auf ihren „Monorollen“ bewegen. Nach dieser Komposition aus der Feder des Saxofonisten, schloss sich „The Return of the Beam“ (comp. R. Azari) an.

Im Duktus ähnelte das Stück dem im 1. Set  gehörten „Bottrop Bebop“. Urbanes Klanggewirr machte sich breit. Der Klangfluss schien der städtischen Unrast zu gleichen. Querende Fußgänger, passierende Autos, dahingleitende O-Busse – all das, vermeinte man aus der Musik herausfiltern zu können, auch im Solo von Reza Askari, der von dezentem Trommelspiel begleitet wurde.


In „Korma Koma Karma“ schienen der melodische Strang und die rhythmische Linie einer gewissen Versrhythmik zu folgen. Dabei war Alliteration durchaus auch mit im Spiel, wenn auch nicht streng und im stringenten Sinne. Nur kurz hier die Definition von Alliteration eingeschoben: Die Alliteration ist ein Stilmittel, das in zahlreichen Webetexten zum Einsatz kommt. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine Wortfolge beschreibt, bei der alle Wörter den gleichen Anfangslaut besitzen. Man hatte beim Zuhören außerdem den Eindruck einer Klangkaskade mit rhythmischen Mustern. Zugleich ließ die melodische Struktur an das Erodieren von Materialien wie Gestein denken, im Sinne von „Steter Tropfen höhlt den Stein“.

Mit „Pain Man“ und „Keil“ beendete das Trio den Abend. Herzlich bedankte sich Reza Askari bei den Veranstaltern und den Konzertbesuchern, die einen lautstarken, langen Beifall spendeten und dann auch noch eine Zugabe mit auf den Nachhauseweg bekamen.

Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther


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