Darrifourcq, Hermia, Ceccaldi - Kaiju eats Cheeseburgers im Bunker Ulmenwall

Bielefeld 13.11.2021






Eine neu erschienene CD mit dem merkwürdigen Titel namens „Kaiju eats Cheesburgers“ war der Anlass für das Konzert im Bunker Ulmenwall. Mit Ausnahme der Zugabe, einer Komposition des Cellisten Valentin Ceccaldi bestand das Programm ausschließlich aus Stücken der oben genannten CD. Allerdings war es angesichts eines nahezu ununterbrochenen musikalischen Kontinuums nicht von entscheidender Bedeutung, ob die jeweiligen Stücke „Ma-rie Antoin-nette“ oder „Bye Bye Charbon“ trugen. Viel entscheidender waren die jeweiligen Inszenierungen, das Eruptive der Musik, die sich ausbreitenden klanglichen Lavaströme, die Fragmentierung des Trios in Solos oder Duoandeutungen.



Ganz im Sinne eines Trios war auch die räumliche Aufteilung des Bühnenraums zwischen dem Drummer Sylvain Darrifourcq, dem Tenorsaxofonisten Manuel Hermia und dem Cellisten Valentin Ceccaldi. Sie bildeten räumlich ein Dreieck mit dem Drummer an der Spitze des gleichschenkligen Dreiecks. Das Interagieren der drei Musiker war auch durch dieses „Raumkonzept“ sehr intensiv. Sie bildeten eine abgeschlossene Einheit, aus der Zuschauer weitgehend ausgeklammert waren. Kein Problem, denn wer anwesend war, sollte ja den Klangfluss und die Klangschraffuren entdecken und aufnehmen, sollte sich auditiv der Musik nähern.

Zur Inszenierung des Konzerts gehört sicherlich auch, dass Sylvain Darrifourcq Perkussives der eigenen Art in den Schlagwerkmodus einbaute. Dazu nutzte er unter anderem Küchenutensilien wie Eierbecher, eine Wurzelbürste, Elemente, die den Rührstäben aus dem Chemielabor glichen, das Becken des Hi-Hat, ein mittleres Becken und gar wichtig Harzpulver, wenn der Berichterstatter den Drummer richtig verstanden hat. Ohne dieses „Flussmittel“ wären die scheinbar elektronisch anmutenden Effekte gar nicht zustande gekommen. Diese erinnerten an die Klänge, die einem Sinusgenerator zu entlocken sind. Im Verlauf des Konzerts wurden Bleche übers Fell der Standing Tom gezogen, wurde ein „Blechteller“ von links nach rechts und zurück übers Fell geschoben, wurde mit der Becherkante von Eierbechern über das Fell gestrichen. Auch die Wurzelbürste kam beim Streichen des Fells zum Einsatz. Hart waren die Schläge auf die Bassdrum, die sich hier und da auch bewegte. Physisch war der Einsatz des Drummer nicht nur in diesem Fall, sondern auch bei den Wirbeln mit den Sticks, die organisch zwischen Fellen und Blechen schwebend ein Flirren und Schwirren verursachten.


Zu Beginn des Konzerts vernahmen wir einen dumpfen Saitenstrich. Valentin Ceccaldi nahm sich das Wort, nein den Klang, dabei eher an einen Kontrabass erinnernd, an dunkle erdige Tönungen und nicht an die Lagen, die man eigentlich von einem Cello erwarten sollte. Kurz wurde das Hi-Hat angetippt. Metallisch-quietschend vernahm man im Weiteren die eingesetzten Küchenutensilien. Im Raum herumschwirrend zeigte sich das Tenorsaxofon. Nachfolgend bewegten sich Klanglinien des Saxofons in einem welligen Auf und Ab. Pling und Plong – so hörte man das Cello. Ein Schlagwerkinferno erlebten wir außerdem, ehe der Saxofonist Aufbrüche und klangliche Ausbrüche signalisierte. Nicht das Melodiöse stand im Fokus, sondern die offene Form. Zugleich könnte man von einem Klangmäander reden und von Linienverschränkungen, wie man sie aus der Kunst des Konkreten kennt.


Irgendwie meinte man, das Trio köchele gerade eine würzige Klangsuppe in einem Dampfdrucktopf. Spannung und Anspannung wurde erlebbar, füllten den Bunker. Rotierende „Messbecher“ belegten dank Sylvain Darrifourcq das Fell der Standing Tom. Derweil ging Valentin Ceccaldi dazu über sein Saiteninstrument zu zupfen und uns einen 2er-Klang nahezubringen. Das Geschiebe der Metallgegenstände hörte sich mehr und mehr so an, als würden diese über eine körnige Oberfläche gezogen.  Außerdem drängte sich der Eindruck von Industrial Noise ab und an auf. Das Walzwerk und die Walzschmiede schienen ganz nahe zu sein. Redundantes Dum-dum, Dum-dum trug der Cellist zum musikalischen Geschehen bei. Als der Tenorsaxofonist das Wort ergriff, waren wir in Szenen aus „Modern Times“ eingebunden, oder? Feines Gebläse vereinte sich mit einem Marsch ähnlichen Rhythmus, den der Drummer beisteuerte. Blechgeschwirr bildete mit dem Röhren des Saxofons und der Basslast des Cellos eine klangvolle Collage. Hier und da wurden kurze Atempausen realisiert. Es schien wie die Ruhe vor dem Sturm zu sein, wie das Warten auf den Malstrom.


Polymere des Klangs wussten die drei Musiker auch zu gestalten. Klangketten wurden geknüpft. Rhythmisierte Passagen erfuhren nachdrücklich Steigerungen. „Analoge Loops“ nahmen wir wahr. Saitenzupfen traf auf Bogenstrich. Pfeifendes Windgetöse und das Schwirren von Oberlandleitungen vereinten sich zu einem Hörbild. War da nicht auch in der Fortsetzung ein Klingelton mit im Spiel? Valentin Ceccaldi schien uns den Schlag der Kirchturmuhr hören zu lassen, gedämpft zwar, aber zu identifizieren. Wie Farbschlieren des Informel mutete an, was Ceccaldi in seinem Solo vortrug.

Auch im weiteren Verlauf musste man an großflächige Farbfeldmalerei denken. Dabei bewegte sich der Saxofonist über einen flauschigen hochflorigen Klangteppich, den Ceccaldi für ihn ausgerollt hatte. Klangüberschläge und ein nachhaltiges Rrrrrr waren Teil der Klangfelder, durch die wir geführt wurden.

       


Nach einer kurzen Pause folgte das zweite Set, das nicht weniger als das erste auf die Dramatik und Dramaturgie abgestellt war. Streckenweise lag dabei der Fokus auf dem Zusammenspiel von Drummer und Cellist, beide in rhythmischen Feldlinien agierend. Kurze Einschübe  des Saxofonisten ließen aufhorchen, waren sie doch scheinbar an Balkanova angelehnt. Hörverwirrung oder was? Zugleich wurde man Zeuge von Überschlägen des Holzbläsers. Cellosaiten schwirrten, angeschlagen durch „Fingerstreiche“. Zwischen Röhren und Schnurren agierte fortan Manuel Hermia. Drummer und Cellist stachelten sich zu jeweiligen Klangeskapaden an. Es schien, als wollten sie die Wasserfontänen, die sich in Felskaminen bilden, musikalisch umsetzen.


Schließlich glaubte man, das Trio entführe uns in die Welt der Fließbandproduktion mit wiederkehrenden Abläufen. Schlag folgte auf Schlag, Blechgeschiebe auf Blechgeschiebe, Redundant waren die Saitenläufe des Cellisten, dabei durchaus auch an einen gewissen Technomodus angelehnt. Überlappende Klangwellen ließen sich nach und nach herausschälen. Und immer wieder war es Valentin Ceccaldi, der dem Prinzip des „gegen den Strich bürsten“ verbunden war, auch in der Zugabe.

© Text und Fotos ferdinand dupuis-panther







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