Däublein Quartett, Tonhalle, Hannover 11.12.2022







Das Däublein Quartett  ist die neue Formation der Bassistin Clara Däubler und des Schlagzeugers Christian Klein. Zusammen mit dem Pianisten Eike Wulfmeier und dem Saxophonisten Dirk Piezunka. Dieses Ensemble lockte die Jazzfreunde in die Tonhalle, die bis auf den letzten Platz ausgebucht war, sehr zur Freude von Felix Petry, der die Reihe der Tonhallenkonzerte verantwortet und im Rahmen dieser Reihe auch immer mal wieder mit dem Saxofon aufspielt.


Zu hören waren ausschließlich  Kompositionen der einzelnen Bandmitglieder, wenn in der Ankündigung des Konzertes davon die Rede war, das Ensemble  präsentiere auch alte Standards in neuem Gewand. Doch der Drummer Christian Klein meinte dazu nur lakonisch, man spiele Stücke, die gewiss zu Standards werden. Stilistisch bewegte sich das Däublein Quartett zwischen den Genres des Modern Jazz und der improvisierten Musik, so war auch zu lesen. Übrigens, Soul und Funk kam auf, als die Band „King Louis“ spielte, eine Referenz an das „Dschungelbuch“ und den dort vorkommenden Affenkönig.


Zu Beginn war das Sopransaxofon, das Dirk Piezunka spielte, die Leitstimme, prägte die Klangpalette, setzte Zeichen und Akzente, derweil der Drummer Christian Klein dezent Snare und Hi-Hat einsetzte. Wollte man zur Musik eine Gouache entwerfen, so hätte man Violett und Lindgrün für die Saxofonstimme sowie Umbra und Siena für die Bassstimme wählen müssen. Daraus hätte man gewiss eine sehr expressionistische Komposition entwerfen können. Expressiv war auch das, was der Tenorsaxofonist im weiteren Kontext entwickelte. Klanglandschaften wurden entfaltet, mit und ohne Sonnenuntergänge. Perlendes Klavierspiel drang an die Ohren der Anwesenden. Hier und da gab es auch Sprungelemente, die man sezieren konnte. Bei den weiteren Phrasierung des Pianisten Eike Wulfmeier drängte sich das Bild einer vielstimmigen Vogelschar auf. Schattige Konturen fügte der Saxofonist im Nachgang bei. Zum Schluss ließ der Drummer die Besen kreisen – und schließlich flatterte auch ein Notenblatt zu Boden. Dann war Schluss mit dem Stück „Cascade“, das der Feder des Saxofonisten entstammt. Was folgte, war ein musikalischer Spaziergang durch „Pine Street“ (comp Clara Däubler).


Warum das Stück gerade „Pine Street“ heißt und nicht „First Av.“ oder „Sunset Strip“, müsste man die Bassistin des Quartetts fragen. Sehnsuchtsort Amerika – oder was? Folgte man dem Tenorsaxofon, so meinte man, man begleite Flaneure beim Schaufensterbummel, könne das Suchen nach dem Weg, nach der Orientierung erkennen. Gab es nicht auch in den Klangfolgen ein Hin und ein Her?  Bleche flirrten dazu und das Hi-Hat schepperte leicht. Derweil ließ uns der Pianist an sprudelnden Tastenläufen teilhaben. Tröpfelnde Klangpassagen drängten sich für Momente auf. Zugleich wurde man in die sogenannte Blaue Stunde versetzt, in der das urbane Wirrwarr zum Stillstand kommt. Oder folgte man gar Nachtschwärmern durch die Großstadt. Röhrend-schnurrend atmete der Saxofonist das Urbane. Auf dem Piano ließ der Pianist ein Pling-Pling erklingen. Das nachfolgende Bass-Solo verstieg sich nicht in die Tiefen des Instruments, sondern ließ einen schönen Klangbogen aufscheinen. Gestisches bekam auch den zustehenden Raum, auch und gerade, wenn Christian Klein die Sticks und Besen über sein Drumset kreisen und fliegen ließ.

Anschließend vernahmen wir im nächsten Stück weichgezeichnete Konturen, dank an den Saxofonisten. Mit nachhaltigen Aufladungen machte die Bassistin auf sich aufmerksam. Kreisende Besen auf der Snare waren Teil der musikalischen Inszenierung. Wurde dann nicht auch das Posen von Skatern auf einem Strandboulevard musikalisch umgesetzt? Diskantes füllte den Raum, als „When we meet again“ auf dem Programm stand.


Clara Däubler zeichnete für „Zugzwang“ verantwortlich. Ob Erfahrungen mit der notorischen Verspätung der DB für die Wahl des Titels eine Rolle spielte, kann nur unterstellt werden. Obwohl …, angesichts dieser kommt der eine oder andere gewiss in Zugzwang, weil Meetings platzen, ebenso private Verabredungen. Zugzwang kennt man auch aus dem Schachspiel, wenn einer der Spieler unbedingt in der verrinnenden Zeit einen Zug setzen muss. Eine weitere Bedeutung von Zugzwang lautet: Notwendigkeit, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt [in bestimmter Weise] zu entscheiden, etwas Bestimmtes zu unternehmen oder zu erreichen. Dazu gehört gewiss auch ein Abwägen von Pro und Contra, oder? Sollte dies  sich in der dumpfen, brummenden Bassstimme und im teilweise kristallin klingenden Klavier widerspiegeln? Ganz zwanglos – entgegen des Titels – agierte der Saxofonist, der in klanglichen Mäandern unterwegs war. Teilweise hatte man den Eindruck Dirk Piezunka folgte den Fußspuren von Ben Webster, ließ sich auf Zwiegespräche mit dem Pianisten ein. Der Pianist tauchte in dramatische Setzungen ein. Dabei musste man hier und da an Orchestrales von Tschaikowsky denken, oder? Nach und nach komponierten die Musiker eine Collage, in der Windböen, Malströme und Windhosen durchaus vorkamen.

Der Titel für das nachstehende Stück ist einem Konzertbesucher aus Syrien zu verdanken, der bei einem Konzert des Saxofonisten zugegen war. Ihm fiel „A Place for the Soul“ als passend ein und seither heißt das Stück auch so, so Dirk Piezunka. Tiefgängig war das Klaviersolo, ohne irgendwelche Klangverwässerungen. Bildlich konnte man von gebundenen Tonsilben in einer Gitterstruktur sprechen, hörte man dem Pianisten aufmerksam zu. Der Saxofonist schien sich auf diese Struktur auch einzulassen. Kraftvoll war das Spiel, bisweilen auch einem „Walking Sax“ gleichend. Zirkuläres verband sich mit Linearem. Leichthändig war das Bass-Solo. Da schienen die Töne zu schmelzen, teilweise auch als Partikel zu schweben. 


Nach einer Pause folgte das 2.Set: Los ging es gleichsam mit einem „Paukenschlag“, den Christian Klein verantwortete. Schlägel sausten auf Snare und Tom nieder. Aus dem Sopransaxofon strömte Atemluft aus. Tiefes Ein- und Ausatmen hörten wir. Stellenweise klang es wie ein säuselnder Wind, was der Sopransaxofonist darbot. Bassistin und Pianist vereinten sich in einem gewissen Grieg’schen Pathos. Nach und nach wurde aus dem Atemgebläse ein Tongebläse. Tieftöniges entlockte Clara Däubler ihrem Kontrabass. Folgte man den Saxofonsequenzen, so sah man vor sich den Spitzentanz und eine Pirouette einer Ballerina, oder? Becken schwankten hin und her unter stetem Tickticktick und Ticketicketick. Der Eindruck drängte sich auf, dass der Saxofonist und der Pianist sich in Diskantem vereinten. Während des Solos des Pianisten schien jedoch durchaus ein Chanson vorgetragen zu werden.  Auch an Lullaby musste man hier und da denken. Wundert das bei einem Tracktitel namens „Schlafen“ (comp Christian Klein)?

In den unberechenbaren „April“ nahm uns Eike Wulfmeier mitten im fröstelnden Dezember mit. Die Klavierlinien waren den Drippings von Jackson Pollock nicht unähnlich, wenn man mal ein Bild bemühen darf, um die Klänge zu umreißen. An kurze Platzregen dachte der eine oder andere im Saal vielleicht, verfolgte er die Klavierpassagen. Christian Klein, der sich im Laufe des Konzerts, so der Eindruck des Berichterstatters, immer mehr ein- und freispielte, ließ mit einem markanten Solo aufhorchen. War da nicht der Sopransaxofonist nachfolgend in serenadenhaftem Spielfluss zu erleben? Über weite Strecken überwog bei „April“ das Lyrische.


An das Klangschema und die Klangfärbungen, wie sie für Klaus Doldingers  „Passprt“ typisch sind, fühlte man sich beim Tanz mit „King Louis“ erinnert. Das Stück groovte, versprühte Funk und Soul, wie bereits oben angedeutet. Das war eigentlich auch das Konzertende, aber da gibt es ja immer auch ein Aber bzw. ein Oh, wie schade sowie intensiven Beifall. Dieser führte dann zu einer Zugabe aus der Feder des Pianisten. Mit dieser namens „Beyond speaking“ endete dann der Abend, bei dem es um die Schönheit des Melodischen ging.

Fotos und Texte © f. dupuis-panther


Line-up

Dirk Piezunka – Saxophon
https://piezunka.com

Eike Wulfmeier – Klavier
https://eikewulfmeier.de

Clara Däubler – Kontrabass
https://de.wikipedia.org/wiki/Clara_D%C3%A4ubler

Christian Klein – Schlagzeug


Venue

https://tonhalle-hannover.de


Weitere Konzerte / next concerts Tonhalle

15.01 18.00 Felix Petry Trio & Max Hobohm
22.01 18.00 tba
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