30. Internationale Jazztage St. Wendel 2021

„Jazz – unser täglich Brot“






Das Plakat zu den diesjährigen Jazztagen, ein Jubiläum in Zeiten einer Pandemie, zeigt eine Scheibe Brot gleichsam als Symbol für das Essentielle des Jazz. Aufgemacht wurde das Festival am Freitag, den 17.09. 2021 im Saalbau St. Wendel mit dem Soloprogramm der gefeierten südkoreanischen Pianistin Younee. Damit setzten die Veranstalter eine Tradition von Solopiano-Programmen fort, die es auch in den Vorjahren gab. Eingenommen wurden die Zuhörer mit einem Programm zwischen freier Klassik und Jazz, so las man es in der Vorankündigung und so führte der Organisator der Jazztage, Ernesto Urmetzer, die aus Südkorea stammende Pianistin auch ein.


Doch wohl Komposition, oder?


Dabei war während des Konzerts auffällig, dass die aus Südkorea stammende Pianistin immer wieder betonte, sie würde jetzt improvisieren und die Stücke seien alle aus dem Moment heraus geboren. Zugleich jedoch führte sie die Stücke stets mit dem Begriff der Komposition ein. Insgesamt drängte sich der Eindruck auf, dass die jeweiligen Stücke von A bis Z ausgezirkelt waren.   Lyrische Sequenzierungen vernahmen die Zuhörer von Anbeginn, wenn auch eine sehr turbulent daherkommende Basshand hier und da für Lavaströme des Klangs und für bedrohlich wirkende Malströme sorgte. Lauschte man dem ersten Stück des Abends, so drängte sich das Bild eines erfrischenden Sommerregens auf. Prasselnde Tropfen waren zu vernehmen. In seiner Fantasie sah man Kinder in Pfützen springen. Waren da nicht auch Mussorskys „Bilder einer Ausstellung“ in den musikalischen Vortrag eingewoben? Als Türöffner für das Konzert und die Jazztage bezeichnete die Pianistin diesen Teil des ersten Stücks im Nachgang.


Auch beim zweiten Stück konnte man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die klassische ernste Musik Regie führte. Melodische Klangfontänen füllten den Saalbau. Man dachte zudem an Wasserspiele, wie sie in der Barockzeit en vogue waren, als man dem weiteren Fortgang des Stücks folgte. Starke Rhythmisierungen waren zu identifizieren, kein Wunder nahm DOCH Younee Bezug auf Flamenco-Rhythmik ohne Flamenco zu spielen, wie sie kurz anmerkte.  Im Weiteren folgten wir Younee’s „Crossroads“ und auch dem Gesangstück „Your blue eyes“.  Gab es nicht auch hier einen Stichwortgeber für die Harmonien? Spontan fiel mir Elton John und sein Song für Lady Di ein:  „Candle in the wind“. Popmusik war dann präsent und nicht Jazz, von dem Younee wiederholt behauptete, dass es zu Klassik kaum Unterschiede gäbe, um dann im nächsten Satz auf die Freiheit des Jazz dank Improvisationen zu verweisen.


Mit ihrem „Piano Virus“ sowie einer Zugabe verabschiedete sich Younee von ihrem enthusiastisch klatschenden Publikum. Aus meiner Sicht war es ein Konzert, das ein Amalgam aus Pop, Klassik und ein wenig Jazz bot – und das muss man wirklich mögen.


Nicht nur Stimmkapriolen

 

Im zweiten Konzertteil betrat das Sextett um den Schweizer Vokalvirtuosen Andreas Schaerer die Bühne, als es hieß: Hildegard lernt fliegen. Schaerer veranstaltete zeitweilig eine stimmliche DADA-Vorstellung, verstiegt sich in Ansätzen ins Theatralische, eiferte mit der Stimme mit den Instrumentalisten um die Wette, so hatte es den Anschein. Ernsthafte Lyrik mit Tiefgang, klar und verständlich vorgetragen sowie teilweise wie ein Gedicht rezitiert, traf außerdem auf kompakten orchestralen Klang zwischen Brass Banda, Chicago, Blood Sweat & Tears und dörflicher Blaskapelle, wenn dieser Vergleich hier erlaubt sei. Beim Zuhören konnte man aber auch der eigenen Fantasie freien Lauf lassen. Bisweilen wünschte man sich mehr als zwei Ohren und zwei Augen, musste man sich doch entscheiden, auf den Text zu achten oder doch auf das polyphone quirlige Gebläse.


Eingeführt wurde das sechsköpfige Ensemble mit den Worten „Wahnsinn fokussiert“. Zugleich verwies Ernesto Urmetzer auf zwei Jubiläen: 30 Jahre Jazztage und 15 Jahre Hildegard lernt fliegen. Na ja, nach 15 Jahren dürfte Hildegard längst flügge sein! Dabei war gewiss ein Höhepunkt in der Vergangenheit des Ensembles das orchestrale Werk mit 60 Musikern, das vor fünf Jahren eingespielt wurde. Nunmehr habe sich, so Schaerer, das Sextett für ein Konzeptalbum entschieden und für Vinyl mit A- und B-Seite.  Ohne Frage spielt dabei auch die „musikalische Drogen“ der 1960er und 1970er Jahre eine entscheidende Rolle, eine vehement wichtige musikalische Rolle, so der „Bandleader“ Schaerer.


Andreas Schaerer führte durch das Programm, ohne allzu plauderig zu werden. Mit der Bandvorstellung begann es und dann ging es direkt in Medias res und einem suiteartigen Stück, dass sich über eine dreiviertel Stunde ausdehnte, Hörgenuss und Höranstrengung zugleich. Aufmerksamkeit war gefordert, nicht nur audioelle, sondern auch visuelle. Los ging es mit dem anschwellenden Wellenfluss: „The waves are rising, dear“ („Die Wellen steigen, Liebling“).


Unter steten Schlägen der Schlägel erzitterten die beiden großen Becken des Drumkits. Paukenschläge folgte, ohne dass man eine Kesselpauke sehen konnte. Doch auch hart gespannte Toms lassen an Pauken erinnern. Hörbar war ein Plonk, ehe der Posaunist, der Bassklarinettist und der Altsaxofonist gemeinsam Sonores vortrugen.; ab und an von einem Glöckchenklingeln unterbrochen. Der Dreisatz der Bläser entwickelte Dynamik, nahm Fahrt auf und füllte den Saalbau mit Vollklang. Langatmiges des Klarinettisten traf auf ein bodenständiges Dum-dum, Dum-dum des Bassisten. Anschließend wurde ein klanglicher Parforceritt unternommen. Drifteten da nicht der Posaunist und der Bassist in einen Hauch Balkanova ab? Als Andreas Schaerer seine Stimme erhobt, eher rezitierend oder Sprechgesang vortragend, musste man an den Rock-Poeten Jim Morrison denken, oder? Wellenkämme wuchsen und wuchsen, dank sei den vereinten Bläsern, die einen Bläserorchestersatz mit instrumentalen Verdopplungen mit Leichtigkeit ersetzten.


Das Ensemble wurde immer wieder in kleine Einheiten fragmentiert, so auch als sich der Posaunist und der Bassklarinettist in tieftönigen Klangfarben vereinten. Waren nicht auch Big Band- und Broadway-Klänge mit ihm Spiel, als das Baritonsaxofon auf das Altsaxofon und die Posaune traf?


Obgleich sehr prononciert gesungen, blieben doch nur einige Satzfragmente im Gedächtnis hängen wie „irritiert … verirr mich in dich … irr dich“ zum Beispiel.  Unterstellt dabei, dass ich das Gesprochene auch richtig verstanden habe. Die Rezitationen verzichteten auf instrumentale Begleitung, die jedoch danach einem Lamento gleichend einsetzte. Von „ripples and waves“ hörten wir, von „I trust my intuition“, wenn ich die Verszeilen richtig erfasst habe. Lange Flutwellen fing der Posaunist mit seinem durchaus mit tiefem Timbre ausgestatteten Blasinstrument ein. Das Tieftönige wurde noch durchs Baritonsaxofon unterstrichen, dass sich zur Posaune gesellte.  Freie Schraffuren zeichnete der Altsaxofonist mit seinem Holzbläser, den er auch mal ins Sopran emporsteigen ließ. Weichgezeichnete Klangspiegelungen waren obendrein auszumachen. Im nächsten Moment stieß man dann auf analoge Loops, oder?


Instrumentenwechsel waren Teil der Inszenierung, sodass sich Querflöte, Posaune und Altsaxofon zu einer Klangharmonie fanden. Wir erlebten aber auch Infernos, Eruptionen und mehr, dank vor allem an die vereinten Bläser. Das röhrende Baritonsaxofon mutierte zum Antipoden des Altsaxofons. Und dann war Schluss des ersten Aktes. Doch beinahe nahtlos wurde der Übergang musikalisch gewebt. Der Bassist stand im Fokus. Satt-Erdiges war zu hören, aber auch feines Flageolett. Gedämpfter Posaunenklang ging mit der vorgetragenen Lyrik eine Verbindung ein. Auch zerbrechlicher Flötenklang drang an die Ohren der Anwesenden.

 


Verströmende Atemluft wurde durch die Posaunenrohre und das Baritonsaxofon-S geleitet. Kopfstimmiges gab Andreas Schaerer zum Besten. Lautmalerisches verdrängte Lyrisches. Im Hintergrund wischte der Drummer seine Besen über die Trommelfelle.  Beim gesanglichen Vortrag schien Ian Anderson im Geiste mitzuschwingen, oder doch nicht? Mit dem Harmonium, das eher wie eine überdimensinierte Shruti Box anmutete, erweiterte sich das Klangspektrum. „I can´t feel a thing … I’m freezing …“ vermeinte man aus dem Gesungenen herausfiltern zu können. Schnalzen und Windgeheul vereinten sich. Akklamierte da nicht Schaerer „Water, Water, Water“? „Your body is fading away“ ist ein weiteres Textfragment, das sich im Gedächtnis einbettete. Klanghölzer des Marimbafons verbreiteten einen vollen Klang. Von „visions are still visions“ hörten wir in der Folge.


Irgendwann nutzte Schaerer seine Stimme, um im Stil von Satchmo Trompetenklang zu erzeugen. Und die übrigen Bläser fielen in einen New-Orleans-Jargon“ ein, oder? „Watawatawata, Wahawaha, waha“ waren Intermezzi von Schaerer, der Beatboxing ganz neu definierte.


Eigentlich sollte dann das Schlussstück gespielt werden, aber nach dem langen, durch die Pandemie erzwungenem, öffentlichen Schweigen der Musiker waren diese nicht so recht in der Laune, das Konzert an diesem Punkt zu Ende zu führen.  So zündete das Ensemble ein neues Feuerchen, sprach Schaerer vom Zäuseln, bevor die Musiker die Post abgehen ließen. Schaerer pfiff, formte Klockklock und ein Düdüdüdü sowie ein fast obertonig anmutendes Ngongngong. Beatboxanwandlungen waren auszumachen. Udu und Wassergong wurden stimmlich evoziert. Zum Schluss gab es dann etwas Leises: Die Musiker saßen am Bühnenrand und Flötenklänge, beruhigend, stille Flötenklänge, läuteten dann als Zugabe den Nachhauseweg der Anwesenden ein.  Der lang anhaltende Beifall, auch die Zwischenbeifallsbekundungen waren alle überaus berechtigt. Hildegard lernt fliegen hatte musikalische Ikarus-Flügel angeschnallt und sich in musikalische Höhensphären begeben – welch ein Genuss.


Ein Talisman für St. Wendel

Los ging es am 18.09.2021 mit dem Trio um den Menorquiner Pianisten Marco Mezquida, das die CD „Talisman“ vorstellte. Ungewöhnlich ist das Trio insoweit als statt des klassischen Basses ein Cello mit im Spiel ist. Zu hören waren weniger traditionelle Klänge der iberischen Halbinsel, sondern lyrische Melodien, urbane Rhythmen, orientalisch gefärbte Kunstmusik und Samba sowie auch eine Variation auf Ravel. Das Debütalbum des Trios widmete sich in Gänze Ravel. Doch die Erwartung auf den klassischen Bolero von Ravel, in der Vergangenheit popularisiert durch ein britisches Eistanzpaar names Jayne Torvill und Christopher Dean bei den Olympischen Spielen 1984, wurde bei dem Konzert in St. Wendel nicht erfüllt. Das Programm an diesem Abend wurde stattdessen vornehmlich mit Kompositionen aus dem Album „Talisman“ bestritten.


Ohne Vorrede begann das Konzert. Die textlichen Kommentierungen waren auch im Verlauf der Konzerts eher spärlich. Gleich zu Beginn streichelten die Finger von Marco Mezquida die Saiten im geöffneten Flügelkorpus. Dazu vernahmen wir Rasseln und ein tieftönig gestimmtes, gestrichenes Cello. Kaskaden ergossen sich ebenso wie ein kristalliner Klangfluss aus einem sprudelnden Quellgebiet. Kurz nur waren Schellen wahrzunehmen, ehe dann Martin Meléndez seinen Bogen aufs Cello schlug. Leicht war das Besenspiel auf Toms und großen Becken. Auch die Djembé hatte Spielanteile, ehe dann das gezupfte Cello im Fokus stand und nachfolgend in ein Zwiegespräch mit dem Flügel eingebunden war. „Reisigbündel“ als Schlagwerk wurden von Aleix Tobias ins Spiel gebracht. Klangrinnsale strömten dahin und „ergossen“ sich den Saalbau. Derweil schlug der Cellist mit seinem Daumen auf die Saiten. Stets war Meléndez mit dem ganzen Körper in Bewegung, nahm im Wortsinn die Musik in sich auf. Bisweilen hatten man den Eindruck, er wolle im nächsten Moment aufspringen, sein Cello herumwirbeln und zu tanzen beginnen. Im weiteren waren Aquarellierungen auszumachen. Das Streben nach Melodie war unüberhörbar. Und präsentierte uns das Trio im ersten Stück nicht auch feuriges Hufschlagen von Andalusiern?


Mit lavierendem Tastenspiel begrüßte uns das Trio im zweiten Stück des Abends. Hier und da schien sich das Cello in eine Mandoline zu verwandeln, die sich auf Wildwasser verstand. Flamenco oder nicht? Das fragte sich der Zuhörer im Fortgang des Stücks. Kurze Fingerschläge auf die Cellosaiten vereinten sich mit dem Klang eines Tambourins (Pandereta) als Perkussions-Beitrag zum Stück.

Im weiteren Abend schien das Trio auch im Son unterwegs, oder? Mit einem Hauch von Guembri versah der Cellist bei einem Solo die Saitensetzungen auf seinem Instrument. Während der Pianist nur zuhörte, zeigte der Drummer Aleix Tobias welche Rhythmen auf einer Rahmentrommel zu erzeugen sind. Teilweise schien danach die Musik ins Neoromantische abzudriften. Auch das Liedhafte kam dabei nicht zu kurz. Ab und an hatte man ausgelassene Tänzer in einem Park vor dem geistigen Auge, als der Vortrag des Trios seinen Fortgang nahm. Die gehörten Stücke entstammten im Übrigen aus dem Album „Talisman“, darunter „No passis pena“.


Eine süße Verführung aus Argentinien „Alfajor“ hatte das Trio auch mitgebracht und bezog das Publikum gesanglich mit ein. So erklang dann „Alfajor, hmm“ im Saal. Das Stück glich einer Rahmenhandlung, bei der am Anfang und am Ende das Thema prägnant war, ansonsten sich aber Variationen und Improvisationen auftaten. Metallische Windspiele drangen unter anderem ans Ohr des Publikums, das ansonsten von melodischen Schraffuren und Linien fasziniert wurde.


Bei einem der weiteren Stücke drängte sich der Begriff Kaffeehausmusik auf, oder? Zugleich schien Jive und Boogie angerissen zu werden, ohne in Vollendung zum Tragen zu kommen. Waren da nicht auch Anlehnungen an Richard Clayderman auszumachen? Fulminant waren die solistischen Einlagen des Drummers während des Konzerts, auch bei einer Träumerei über Ravel.


Ohne Zirkuskuppel und dann …

Der Kontrast konnte nicht größer sein, als im zweiten Konzertabschnitt das Sextett des französisch-viernametischen Gitarristen Nguyên Lê die Bühne betrat. Zu hören gab es dessen Projekt „Overseas“, ursprünglich eine spartenübergreifende Performance, die Tanz, Akrobatik und Musik vereint. Mit diesem Projekt reflektiert der französisch-vietnamesische Gitarrist Nguyên Lê künstlerisch den aktuellen Zeitgeist Vietnams. 22 Jahre nach seinem programmatischen Album „Tales from Viet-Nam“ schlug der Gitarrist mit „Overseas“ (bei ACT erschienen) ein neues, noch vielfältigeres und multimediales Kapitel auf. Dabei wurden Jazz, traditionelle Volksmusik, Rock, Hip-Hop, Reggae und Electronica zu einem verblüffend homogenen Ganzen verbunden, so war es in der Vorankündigung zu lesen.

 

 


Gleich zu Beginn drangen vergehende Flötentöne ans Ohr der Zuhörer, so meinte man, schwirrten Bleche und verwandelte sich der Gitarrenklang in sich wiederholende und einholende Klangbilder. Eine Gesangstimme erhob sich aus dem Hintergrund. Exotisch-fernöstlich klang, was wir hörten. Mitten zwischen den im Halbkreis platzierten Musikern erhob sich ein Tänzer vom Boden. Langsam waren seine Bewegungen, so als wären sie von Anstrengungen geprägt. Der kauernde und dann hockende Tänzer breitete mit großer Geste seine Arme aus, als wolle er nach den Sternen greifen. Immer noch war Gesang zu vernehmen, dessen Inhalt nicht zu dechiffrieren war. Japanisch oder Vietnamesisch – das war die Frage und auch, worum es inhaltlich ging. Das blieb außen vor . Sphärische Klangschlieren gingen mit dem „Vibrafon-Chorus“ eine Verbindung ein. Rotierend auf den Fußspitzen waren die Bewegungen von Toan Lê, auf dem der Fokus lag. Oder doch nicht?


Während der Anwesenheit des Tänzers schien das Musikalische an den Rand gedrängt, Beiwerk sozusagen. Im Zentrum standen Gestik und Bewegung, die die Aufmerksamkeit der Zuschauer banden. Hier mal ein tiefgründiger Bass aus dem Hintergrund, dort mal die Schlagzeugverwirbelungen auf den metallischen Klangstäben des Vibrafons – das waren die musikalischen Impulse, die als Momentaufnahmen im Gedächtnis blieben. Wimmernd und jaulend ließ  Nguyên Lê den Saalbau mit Klangformen ausfüllen. Irgendwie schien er dabei zwischen Deep Purple und Pink Floyd zu changieren. Langwellige Klänge wurden von harten Beats begleitet. Der Bass erwies sich durchgehend als ruhender Pol, als Fundament, als Basis für die verstiegenen und gespreizten Klänge, die vor allem der Vibrafonist llya Amar virtuos vortrug. Das Dialogische zwischen ihm und dem Gitarristen und „Regiemeister des Orchestralen“, Nguyên Lê, war Teil der sehr differenzierten musikalischen Inszenierung. Dabei versenkten sich die beiden Musiker intensiv in die jeweiligen Sequenzen des anderen. Die begleitende Koto-Spielerin ging dabei leider klanglich unter. Sie war im wesentlich nur in solistischen Partien deutlich mit ihrer harfenähnlich klingenden „Wölbzither“ zu hören. Dabei verwandelte sich das Instrument mit seinem Weichklang auch gelegentlich in eine „Rhythmusmaschine“ mit „Techno-Attitüde“.


Die aus Japan stammende Koto-Spielerin Miko Miyazaki übernahm auch die Gesangspassagen. Dabei hatte man eher den Eindruck, die Stimme sei den Instrumenten gleichgesetzt und das Lyrische nicht von Bedeutung. Das war insbesondere dann der Fall, wenn die Stimme zur Gitarre und Vibrafon hinzutrat. Sehr rockig aufgelegt war der akustische Bass, und man stellte sich doch die Frage, warum Chris Jennings nicht am E-Bass zu hören war. Das wäre der sehr auf Rock ausgerichteten Musik doch durchaus zuträglich gewesen, oder?


Im Laufe des Konzertabends erlebte man Funk-Verwandtes und hart-rhythmisierte Techno-Nähe. The Ventures schienen sich für Momente auch im Saalbau befunden zu haben. Und gab es nicht obendrein  Fernöstliches als Teil des musikalischen Menüs? Kaum hatte man sich in die Musik vertieft, wurde der Fokus auf den Tänzer gerichtet, sah man beinahe halsbrecherische Breakdance-Moves, Handstand, Radschlag und raumgreifende Sprünge. Auch auf Saltos verzichtete der Tänzer nicht. Zeitgleich prasselte Musik auf uns ein, die die musikalische Umsetzung des urbanen Irrsinns schien. Die Gitarre dröhnte, die Metallklangstäbe hopsten und schwirrten. Ekstase in der Stadt war angesagt.


Bei „The Offering“ aus dem Album „Overseas“ konnte man über eine akrobatische Darbietung nur staunen. An von der Decke hängenden Bändern schwang sich der Akrobat hin und her, wickelte sich auf, um in die Höhe zu schweben, formte eine Körperwaage. Dabei entschwand die Musik mehr oder minder aus dem Blick.  Für „People Of The Waterfalls“ griff der Gitarrist Nguyên Lê auf traditionelle Musik der ethnischen Minderheit der Hmong zurück, wie er kurz in der Zwischenansage einwarf. Sehr hörenswert war dabei das Solo des Vibrafonisten. Auch bei diesem Stück war der Tänzer und Akrobat involviert, der mit Flic Flacs und atemberaubenden Sprüngen zu überzeugen wusste. Auf „Mother Goddess - Red Sky“, dem letzten Stück aus dem jüngsten Album „Overseas“ musste das sehr zahlreich erschienene Publikum nicht verzichten. Gleichsam als Vor- und Nachgesang war das Zusammenspiel von Koto und E-Gitarre angelegt.  Am Ende war der Beifall überschwänglich, sodass die Musiker kurz vor Mitternacht nochmals die Bühne betraten und eine Zugabe spielten. Ein Abend, der im Gedächtnis bleiben wird, ging zu Ende.


Swing, swing, swing ...

Zum Abschluss der Jazztage traten die Gramophoniacs und Marina & The Kats auf. Dann stand der Saalbau ganz im Zeichen von Swingmusik, gewiss ein Leckerbissen für diejenigen, die zu Jazz tanzen möchten. Da nach dem Festival vor dem Festival ist, darf man gespannt sein, was auf den 31. Jazztagen als Klangkulinarik serviert werden wird.

© Fotos und Text ferdinand dupuis-panther


Info

Tag 1 - Line up

Younee

https://www.younee.com/seiten_16/Younee_Bio_ger.html





Hildegard lernt fliegen

Andreas Schaerer voc
Matthias Wenger reeds
Benedikt Reising reeds
Andreas Tschopp tb/tuba
Marco Müller b
Christoph Steiner dr/perc

https://www.jazzhalo.be/interviews/andreas-schaerer-interview-mit-dem-in-der-schweiz-lebenden-stimmvirtuosen/
http://www.hildegardlerntfliegen.ch/uploads/Dez%2016%20Allgemeine%20Zeitung.de.pdf




Tag 2 - Line-up

Mezquida

Marco Mezquida piano
Martin Meléndez cello
Aleix Tobias drums/percussion

https://de.wikipedia.org/wiki/Marco_Mezquida
https://marcomezquida.com
 



Nguyên  Lê

Nguyên  Lê / Guitar, laptop, soundscapes
Alex Tran / percussion & drums
llya Amar / vibraphone, MalletKAT
Chris Jennings / acoustic bass
Miko Miyazaki /  koto and vocals
Toan Lê, dance and artistic performance

https://www.actmusic.com/Kuenstler/Nguyen-Le

 


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