Jazz made in France #1

Jazz made in France #1

Various

jazz&people / Yolk Music / circum disc

Romain Pilon / Dandy Dandie / Eric Dubois 4tet

 




Romain Pilon – Falling Grace
jazz&people


Bis auf eine Eigenkomposition hat sich der Gitarrist Romain Pilon entschieden, musikalisch eine Reise durch die Geschichte des Jazz zu unternehmen, von Miles Davis über Herbie Hancock, Thelonious Monk und J.J. Johnson bis Kenny Wheeler. Diese Reise gestaltet er nicht alleine, sondern gemeinsam mit dem Bassisten Yoni Zelnik und dem Drummer Jeff Ballard.

Im Pressetext zum Album lesen wir nachstehende Zeilen: „With the subtlety that characterizes him, Romain Pilon selected the songs for his seventh album from different sources, and his choices reveal a lot about him. About his attachment to the foundations of bebop and to the importance of phrasing that typifies him; about his sensitivity to the poetic range and the lyricism of the free thinkers who have emerged under the ECM label; about his assimilation of the great masters of the tradition of modern guitar, from Grant Green and Jim Hall to Pat Metheny and John Scofield.“

Also, dann hören wir mal ein wenig Roman Pilon mit seinem Saiteninstrument. „Falling Grace“ von Steve Swallow ist das Eröffnungsstück des Albums. Dabei heben sich die weich gezeichneten Linien des Gitarristen von dem Wirbelrausch des Drummers deutlich ab. Und auch der Bassist, der sonst in vielen Bands nur Beigabe und Teil der Rhythmusgruppe ist, nimmt das Wort. Eine gewisse Leichtigkeit ist in dessen Spiel auszumachen. Während des weiteren Hörens verspürt man einen lauen Wind des Klangs, der durch das frische Grün der Bäume streicht, wenn dieses Bild erlaubt ist. Um Texturen geht es im nachfolgenden Stück namens „Textures“. Zu verdanken ist diese Komposition Herbie Hancock. Gleichsam in Tropfenform erleben wir die Texturen zu Beginn des Stücks. Anschließend ergießt sich dann ein warmer Saitenfluss, der das Licht des Südens einzufangen scheint. Alles ist im Fluss, im beschaulichen Fluss. Bisweilen hat man den Eindruck, es werde in dem Stück eine Idylle besungen.

Ohne Frage das getragene, ein wenig wehmütig klingende „Lament“ (J.J.Johnson) ist ein musikalischer Bruch zu den beschwingten und fröhlich gestimmten Stücken, die Pilon an den Beginn seines Albums gesetzt hat. Er versteht es,  durch sein feinfühliges  Spiel das Tragische eines Lamentos einzufangen und den Hörer überzeugend mitzunehmen. Das nachfolgende Zwischenspiel ist aus der Feder von Roman Pilon geflossen und der Übergang zu „Sweet and Lovely“ (Gus Arnheim/Charles N. Daniels/Harry Tobias). Dieses Zwischenspiel kommt stellenweise sehr rockig daher und der Duktus erinnert hier und da an Funk und Soul. Unterschwellig scheint unter anderem Eric Burdon im Geist dabei zu sein, oder? Wie feine Perlen reiht sich Klang und Klang, wenn Pilon „Sweet and Lovely“ vorträgt. Dabei lässt er einen gewissen Swing nicht außen vor. Teilweise lässt sich der  Gitarrist auf ein Duett mit dem Bassisten ein. Beide spielen dabei Kaskaden ohne Tosen und Rauschen. Vielleicht sollte man eher von Stromschnellen des Klangs reden, also von Wildwasser, die uns mitreißen.

Ganz und gar im Licht von Bebop erscheint das sehr beschwingte „Horace-Scope“ (H. Silver). Das, was wir hören, fordert mehr als Fingerschnippsen und Fußwippen. Da sind Schwünge und Drehungen sowie Überschläge auf dem Tanzparkett angesagt. Derweil perlt das Spiel von Pilon unaufhaltsam dahin. Den krönenden Abschluss des Albums bildet schließlich „Nicolette“ (K. Wheeler). Dabei ist dann auch der Bassist des Trios in einem Solo präsenter als in anderen Stücken des Albums. Zugleich zeigt sich Pilon dabei auch als ein Meister der leisen und verhaltenen Töne. Man hat gar den Eindruck, er besinge die blaue Stunde.

© ferdinand dupuis-panther

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http://www.jazzandpeople.com






Dandy Dandie – Hypnos & Morphee
Yolk Music


Hinter Dandy Dandie stehen der Saxofonist und Komponist Alban Darche, die Sängerin Chloé Cailleton, die Pianistin Nathalie Darche und der Trompeter Geoffroy Tamisier. Über dieses Quartett ist Folgendes zu lesen: „Cultivant la finesse et l'originalité, Dandy Dandie s'attache principalement au langage, au son et à la poésie, et explore le versant le plus magnétique de la musique d’Alban Darche. Chloé Cailleton illumine Baudelaire et Roethke, Nathalie Darche exalte les plans sonores, Geoffroy Tamisier et Alban Darche confondent leurs souffles dans un chant resplendissant et unique. Dandy Dandie rayonne, flamboie, et touche au cœur.“

Was wir hören, ist Musik bei der die Lyrik im Fokus steht, ob nun „Printemps“ von Paul Verlaine „Madeline“ von  Jeanne Added oder „Brumes et pluies“ von  Alban Darche nach Charles Baudelaire und „Opium“ von Laure Bonnet nach Edgar Alan Poe. „Snake“ ist das Eröffnungsstück des Albums. Aus dem Off vernehmen wir eine weibliche Gesangsstimme, derweil ein dunkler Klangteppich sich nach und nach den Raum auskleidet. Gebrochen und zerbrechlich scheint die Stimme, die zugleich auch das Melodramatische des Stücks unterstreicht. Mit einem sehr weichen Ansatz und sonor-schnurrend bringt Albert Darche seinen Holzbläser ins musikalische Geschehen ein. Im Hintergrund gleiten perlende Pianoklänge dahin. Der an dieses Intermezzo der Instrumentalisten anschließende Gesang in Englisch scheint an den einer Diseuse angelehnt zu sein, oder? Mit rollenden Klaviersequenzen, die sich mit Gesang und dem Trompetenklang vereinen, dringt „Hypnos & Morphee“ ans Ohr des Zuhörers. Kristalline Töne lässt die Pianistin Natalie Darche erklingen. Gehauchte Saxofonpassagen liegen über dem „metrischen Schlag“, den die Pianistin hören lässt. Einen Hauch von Wagner und Brahms scheint das Quartett zu zelebrieren, oder? Ohne die sonstige Marktschreierei von Saxofonisten kommt Albert Darche aus. Er lotet die Klangvielfalt seines Tenorsaxofons aus, lässt es säuseln und nicht röhren. Dabei wird er von dem „instrumentalen Gesang“ von Chloé Cailleton begleitet. Oder ist es nicht im Weiteren der Trompeter, der seine Stimme erhebt und sich mit der Gesangsstimme vereint?

Auch der „Frühling“ taucht auf dem Album in musikalischer Form auf. Dabei erklingen die Verse von Paul Verlaine. Lauschen wir dem Stück, so drängt sich der Eindruck eines Liederabends fern von Jazz auf. Dabei sind dann Schubert und Schumann näher als all die Legenden des Jazz. Ja, Albert Darche ist mit seinem Tenorsaxofon präsent, also mit einem klassischen Jazzinstrument. Doch folgt man den gespielten Schraffuren, dann hat man eher den Eindruck, man lausche klassischer Musik. Musikalisch verarbeitete Literatur ist zudem „Brumes et pluies“. Dabei beginnt das Stück mit sehr starken Kaskadierungen, die Natalie Darche uns präsentiert. Überlagert werden diese dann durch den Gesang von  Chloé Cailleton, die hier und da in ihrem Vortrag auch ins Couplet abdriftet. Ohne die Kenntnis des gesungenen Textes fehlt aber weitgehend das Verständnis für Gesang und Instrumentierung. Diese scheint eh nur begleitend, auftauchend und wieder verschwindend. Eine Ausnahme ist das Spiel von Natalie Darche in den steten Wiederholungen. Mit „Opium“ schließt das Album, das besonders eingefleischte Jazzfreunde überrascht und irritiert. Da gibt es kein Post-Bop oder Modern Jazz reloaded zu hören, sondern musikalisch inszenierte Texte. Wie gesagt, der Begriff Liederabend scheint sehr treffend gewählt, um das zu kennzeichnen, was zu hören ist. Es fehlt das Zipp und Zapp, das Ausschweifen und Paraphrasieren, was dem Jazz eigentlich eigen ist.

© ferdinand dupuis-panther

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https://yolkrecords.bandcamp.com






Eric Dubois 4tet
circum disc


Das vorliegende Album haben nachstehend genannte Musiker eingespielt: Éric Dubois (Gitarre), Benoit Baud (Saxen), Mathieu Millet (cb) und Éric Navet (Vibrafon/drums). Die Plattenfirma ließ im Übrigen Folgendes über das unbetitelte Album verlauten: „The compositions of this album were all motivated by an idea, a musical emotion and are like many other creations the fruit of the "nourishing plundering" to which all artists give themselves up, consciously or not. They have been for a few years a kind of Ariadne's thread of my existence, to turn into a real obsession at times that my colleagues have helped me to live at best, just by their adhesion, their presence and their interpretations.“

Mit „Le 7 et le vide“ macht das Quartett das Album auf: Nach einer Eröffnung des Stücks im Gesamtensemble mit starken Ausformungen der Basstiefen und sich kräuselnden Saxofonwellen geht der Vorhang dann für den Bandleader und Gitarristen Eric Dubois auf. Begleitet von Bass und Drums entfaltet sich der Gitarrist, auch mit Flageolett-Momenten, nimmt dabei das zuvor entwickelte Thema auf, verfeinert es, seziert es und fügt eigene Färbungen in hellen expressiven Farben bei. Nach einer erneuten gemeinsamen Einblendung des Themas hören wir dann einen Saxofonisten, der völlig losgelöst spielt. Er scheint dabei wie ein Drachen im Wind zu tanzen, wenn er seinen Holzbläser zum Klingen bringt und Kaskade an Kaskade fügt.

Bei „Danse de plus“ ist der Drummer am Vibrafon zu erleben, vernimmt man glasklare Klänge, ehe dann das Saxofon in flotten Klang-Galoppaden daherkommt. Von rollenden Beats begleitet ist danach Eric Dubois zu erleben, der sein Saiteninstrument wimmern, jaulen und heulen lässt. Das ist dann sehr rockig ausgerichtet und eher an R&B orientiert. Auch der Bassist hat seine solistischen Momente in diesem Stück. Er hat dafür das Phlegma, dass Bassisten meist innewohnt, abgelegt, tanzt in Begleitung der tropfenden Saitenklänge von Eric Dubois. Mit heller Stimme meldet sich im Anschluss der Saxofonist, der das Tänzerische aufgreift, das seine Mitspieler zuvor zelebriert haben. Man sieht beim Hören Ausfallschritte, Drehungen und Sprünge quer über den Parkettboden, oder?

Übersetzt man das Stück „Un oiseau sur l'epaule“ ins Deutsche, dann lautet das Stück „Ein Vogel auf der Schulter“. Das lässt dann angesichts des Klangspektrum die Assoziationen zu Vogelstimmen zu, zumal wenn man den Saxofonisten erlebt, der seinen Holzbläser stellenweise so wie eine F-Klarinette klingen lässt. Zugleich aber hat man den Eindruck von Tschilpen und Zwitschern, ehe es dann am Ende durchaus rockig wird. Leider sind die Passagen des Vibrafonisten nicht nur in diesem Stück, sondern auch in „contrepoint bavardage“ sehr kurz und meist nur als Einleitung zu hören. Der kristalline Klang des Instruments wird nachfolgend in den Hintergrund gedrängt und vor allem vom Klang des Saxofons überlagert. In „contrepoint bavardage“ finden sich allerdings auch kurze Interventionen des Vibrafonisten im Laufe des Stücks, auch in Zwiesprache mit dem Saxofonisten. Dieser, wohl Altsaxofon spielend, erweist sich im Hinblick auf die Klangfärbungen über weite Passagen als dominant. Schnurrend, röhrend, säuselnd, lange Linien spielend, in Umspielungen eingebunden. Als Kontrapunkt erweist sich der Vibrafonist. Hören wir da wirklich einen „geschwätzigen Kontrapunkt“, so die deutsche Übersetzung des Titels?

Mit zarten Tönen macht der Vibrafonist „La Voix“ auf. Anschließend ist das Sonore des Saxofonisten der Begleiter des Vibrafonisten. Irgendwie hat man beim Hören den Eindruck, beide würden einen Kanon anstimmen. Perlendes Spiel auf Metallklangstäben ist im Anschluss Teil der musikalischen Inszenierung. So erleben wir ein Schlagwerk der ganz eigenen Art, metallisch-kristallin klingend, auch beim perlenden Spiel von Eric Navet. Im Fluss bewegt sich der Saxofonist, dessen Klangbeitrag so anmutet, als würde er das Bild einer Sportgymnastin vor Augen haben, die  ihr Band in Schleifen hinter sich herzieht.

Eher lyrisch und in wiederholten Mustern agiert der Gitarrist des Quartetts zu Beginn von „Memoires“. Insgesamt entwickelt sich das Stück dann auch durch die Beiträge der anderen Musiker in nachhaltig lyrische Ausdifferenzierung. Hört man da nicht auch ein Sopransaxofon? Oder ist es eine Oboe oder Klarinette? Vom Klang her könnte man es vermuten. Ein Blick auf die Quartettbesetzung verdeutlicht, dass keiner der Musiker diese Instrumente spielt. Es ist dann dem variantenreichen Ansatz von Benoit Baud zu verdanken, dass wir diesen Eindruck gewinnen. Mit dem von Rock sowie R&B durchtränkten „Terres Grasses“ beschließt das Quartett sein hörenswertes Album, ein Debüt, wie wir vom Bandleader in Erfahrung bringen.

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