Jazz from North Rhine Westphalia #1

Jazz from North Rhine Westphalia #1

Various

Jazz on Vinyl / Tangible Music / JHM

Foto Rietberg © fdp

 





Hammer/Bergmann/Senst feat. Stefan Bauer
Now and Then

self production


Die Kompositionen, die wir auf dem vorliegenden Album hören, stammen überwiegend von dem Gitarristen Christian Hammer. Thelonious Monk „steuerte“ für die Einspielung „Gallop‘s Gallop“ bei.  In bester Tradition des Gitarrenjazz eröffnet Christian Hammer den Track „Für Willi“, ehe dann sowohl Matthias Bergmann als auch Stefan Bauer einstimmen, weichgezeichnet, samten, einem ruhigen Gewässer mit spiegelglatter Oberfläche gleichend. Das Quartett kommt gänzlich ohne Schlagwerk aus. Die Melodielinien bestimmt im Eröffnungsstück der Flügelhornist Matthias Bergmann, derweil sich Christian Hammer gleichzeitig eher rhythmisch aufgelegt zeigt. Und dann ist es an dem Gitarristen Weichzeichnungen zu fertigen und seine Finger über die Saiten gleiten zu lassen. Unter diesen Saitenklängen vernehmen wir das Spiel von Stefan Bauer auf den Klangstäben, zurückgenommen und nicht so kristallen, wie ein Vibraphon auch klingen kann. Mitgenommen wird der Zuhörer von dahingleitenden Klängen, die an einen lauen Föhn denken lassen. Nachfolgend nimmt uns das Quartett mit sehr dynamischem Vibraphon-Spiel und intensiven Bassbeimischungen auf eine kleine Flucht mit. „Escape“ steht auf dem Programm. Tatsächlich gewinnt man bei Stefan Bauers Duktus und auch bei dem des Flügelhornisten die Vorstellung, man eile mal hierher und mal dorthin. Stete Schrittfolgen nehmen wir wahr. Diese unterstreicht auch der Gitarrist. Dabei scheinen sich die Schritte zu verflüchtigen, scheinen die schnellen Schritte eines Fliehenden eingefangen zu werden.

Der Rahmen der Melodie-Schönheit bleibt auch in den übrigen Stücken des Albums erhalten. Nie wird Dissonantes angestimmt. Das gilt auch für „Waiting“. Dabei überzeugt der Gitarrist mit seinen Saitenklängen und dem ruhigen Tempo. Atem kann geholt werden, nach den kleinen Fluchten. Stefan Bauer lässt seine Schlägel gemächlich über die Klangstäbe streichen, sodass Klangbündel entstehen. Schließlich erhebt der Flügelhornist die Stimme, beinahe glockenhell, wenn auch nicht im Sopranino. Lauschen wir Stefan Bauer, so drängt sich das Bild eines beschaulichen Abends auf. Mit langsam nach Hause Gehenden konfrontiert uns der Vibrafonist, so der Eindruck. Keiner hat Eile. Abwarten ist angesagt.

Titelgebend ist für das Album „Now and Then“: Am Bassisten Ingo Senst ist es, unsere Aufmerksamkeit mit lang schwingenden dunklen Saitenklängen auf den Tieftöner zu lenken., ehe dann beschwingt und in Frühlingstönen der Gitarrist und Flügelhornist für Klangfärbungen zwischen Sonnenblumengelb und Azurblau sorgen.  Schließlich sei noch eine Bemerkung an das Werk des Bebopers Monk angefügt, der uns mit „Gallop‘s Gallop“ konfrontiert. Wahrlich sprunghaft ist das, was wir hören, auch beim Spiel von Christian Hammer begleitet vom Vibraphonisten Stefan Bauer. Doch nach und nach glätten sich die Klangsprünge und aus dem Galopp wird eher ein Hopsen bzw. Treppensprung. Man achte dabei insbesondere auf das Schlägelspiel von Stefan Bauer, derweil der Bassist ebenfalls in seiner tiefen Lage zu „gemächlichen Sprüngen“ ansetzt. Das hat so gar nichts Kantiges, sondern Rundes und Weiches wie auch alle anderen Tracks des Albums. Mit „Dawn“ schließt dieses Album, das ein wahrer klanglicher Hochgenuss ist.

© f. dupuis-panther 2024


Musicians:

Christian Hammer git
Matthias Bergmann flgh
Ingo Senst b
Stefan Bauer vib

Tracks
Für Willi 05:48 min
Escape 04:34 min
Waiting 07:01 min
Ocean 04:22 min
Now and Then 07:04 min
Gallop‘s Gallop 04:48 min
Dawn 05:21 min
Total Time: 38:58 min
Track 1,2,3,7 by Christian Hammer
Track 4,5 by Matthias Bergmann
Track 6 by Thelonious Monk





Jens Düppe 4tet – 10 Years
Jazz on Vinyl


Zehn Jahre ist das Quartett unterdessen auf den Jazzbühnen zuhause. Zusammengestellt wurde das Beste aus den letzten drei Alben. Zu hören sind allesamt Live-Aufnahmen aus der Jazzschmiede in Düsseldorf.

In das dunkle Dumdumdum mischt sich ein wiederkehrendes Plink-Plink nebst Schlagwerkschlägen und Klangwiederholungen des Trompeters. So lässt sich kurz das Stück „Living Rhythm“ charakterisieren. Gelegentlich hat man den Eindruck, da sei Techno pur zu erleben, ehe dann Frederik Köster und die übrigen Musiker dahin strömende Linien an unsere Ohren dringen lassen. Doch ohne Frage, das Rhythmische ist schon überbordend. Toktok und Däddäda und Pling-Plong-Pling-Plong – so könnte man lautmalerisch darstellen, was wir hören. Das ist insbesondere von der Seite des Trompeters nicht ohne Dramatik und Dynamik. Der lässt seinen Blechbläser auch mal aus voller Kehle schnurren, ehe das Stück dann mit Plink-Plink des Pianisten Lars Duppler ausklingt. Anschließend heißt es „Consistence“, eine Melange aus einem zart gedämpften Blechbläser und den leicht kaskadierenden Pianoklängen. Beckenrascheln nehmen wir aus dem Hintergrund ebenso wahr wie die Bass-Saitenschläge, dank an Christian Ramon. Was erst aus dem Off entwickelt ans Ohr des Zuhörers dringt verändert sich im Fortgang des Stücks. Die Trompetensequenzen sind dann  prägnanter und nicht mehr verhalten-zurückgenommen.

„This is not the end“ heißt es eher zweideutig am Ende der A-Seite der Platte. Mit „The Chase“ (vom Album THE BEAT) geht es auf der B-Seite weiter. So ist der letzte Titel der A-Seite gut gewählt, denn ein richtiges Ende gibt es ja nicht und auch kein false ending, sondern nur einen  vorläufigen Abschluss. Wie eine „Jagd“ klingt auch mit einem eigenwilligen Halali vonseiten des Trompeters erleben wir auf der zweiten Plattenseite. Zudem haben wir angesichts der temporeichen Passagen den Eindruck, es würde musikalisch eine Parforce-Jagd umgesetzt. Oder jagt da eine Hundemeute vor Berittenen dahin?ä Lars Duppler lässt uns bei seinen Sequenzen an Trab und Galopp sowie Hindernissprung denken, oder? Und was signalisiert Frederik Köster dem Hörer? Abgesang und erfolgreicher Abschuss von Schwarzwild? Oder ist Jagd als Titel hier ganz anders gemeint? Sollte man also an „Jagdszene“ mit dem Auto im Nachgang von „French Connection“ denken? Nun gut, das muss offen bleiben. Auffallend ist obendrein in „The Chase“ das kurz angebundene Getrommel von Jens Düppe, teilweise auch ein Stakkato mit Sticks auf Felle und Bleche.

Nach „7&3“ folgt dann als Finale „Blue Skies“: Fragil klingen die Pianoklänge zu Beginn. Man meint gar Eiszapfen zerspringen zu hören. Sorgsam gesetzt sind die Schläge mit den Sticks. Langatmige, „schlierige“ und verwischte Klänge entlockt der Trompeter seinem Blechbläser. Lars Duppler hingegen scheint Tropfen einzufangen, die auf eine Wasseroberfläche fallen und Wasserringe schaffen. Dickere Klangtropfen vernehmen wir vonseiten des Bassisten. Und über allem breitet sich der durchdringende Trompetenklang aus. Beim Zuhören könnte man an auffrischende Winde denken, trotz blauen Himmels, so der Tracktitel. Und Lars Duppler scheint sogar in seinen Entäußerungen ein Sommergewitter zu inszenieren, ganz zum Schluss.

© ferdinand dupuis-panther


Musicians:

Jens Düppe – comp, drums
Frederik Köster – trumpet
Lars Duppler – piano
Christian Ramon – double bass

Tracks
A Seite:
Living Rhythm (vom Album THE BEAT)
Consistence (vom Album DANCING BEAUTY)
This is not the end (vom Album DANCING BEAUTY)
B Seite:
The Chase (vom Album THE BEAT)
7 & 4 (vom Album ANIMA)
Blue Skies (Bavaria) (freie Improvisation, NEU)





Bruck – knetterheide
self production


Der Saxofonist Tobias Brügge  ist in der Münsteraner Szene kein Unbekannter, auch wenn er als Mediziner seinem Broterwerb und augenblicklich seiner Facharztausbildung an einem Krankenhaus nachgeht.  Die Besetzung ist minimalistisch: Saxofon trifft auf Drums, sitzt doch auf den Aufnahmen Philipp Buck am Schlagwerk.

Schon der Albumtitel scheint ironisch angesiedelt, handelt es sich doch um die „Weltstadt Knetterheide“ in Ostwestfalen-Lippe bzw. um ein Ortsteil in der Stadt Bad Salzuflen. Und auch die einzelnen wohl ausschließlich frei improvisierten Tracks sind humorig und mit Augenzwinkern versehen. Man denke an „Wahlfang – das ist mein heimliches Hobby“; Wahlfang (sic!) und eben nicht wie erwartet Walfang!

Ironisierend beginnt das Album  mit „No Risk No Risk! - Das ist mein Motto“.  Streichende Atemluft, Schmatzen, Schnalzen, Rollen, Domdom, Drrdrr, dumpfes Gebläse, Nebelhornklang, spunghaftes Fellschwirren, Klang eines Tritonschneckengehäuses, das als Blasinstrument verarbeitet wurde – all dass sind die Klangeindrücke des ersten Stücks. Das Tenorsaxofon scheint nicht zu voller Klangstärke getrieben zu werden, sondern eher untergründig zu rumoren, kehlig säuselnd daherzukommen. Treibend ist das Schlagwerk, das im Hintergrund brodelt. Mit Schlagwerkintro beginnt „Sheena war mal Punkrocker“. Dabei erscheint es so, als würden wir dem Umzug von mittelalterlichen Trommlern folgen. Aufgebürstet agiert Tobias Brügge. Der Holzbläser scheint Salti zu schlagen, wenn ihm Brügge seine Atemkraft einhaucht. Brüche und Pausen sind Teil der Inszenierung. Rollendes und rotierendes Drumming ist Teil des Duo-Arrangements. Würde man das Gehörte in Bewegungsbilder umsetzen, so müsste man strichförmiges Hoch und Runter aufs Papier bringen, müsste man einen Graphen mit spitzen, schmalen Amplituden zeichnen. Immer wieder gibt es kurze Pausen zwischen den geblasenen Passagen, scheint es, als würden Klangfragmente addiert. Kehlig-röhrend äußert sich Tobias Brügge, ohne jedoch einen kontinuierlichen Gebläsefluss zu schaffen. Irgendwie klingt das, was er spielt, wie Klangschnipsel, die auseinandergerissen wurden und nicht so recht mehr zueinander passen. Übrigens, auch ein langes Gurgeln ist Teil des Werks über einen Punkrocker.

Bei „Von Watte erschlagen“ lauschen wir zunächst dem leise Klappern der Saxofonklappen und einem Saxofonwispern. Dazu vernehmen wir Schellenklang bzw. gestrichene Becken. Etwas Unheimliches geht von dem aus, was zu hören ist. Es scheint, als wäre der Hörer von einer dichten Nebelwand umgeben, durch die nur hier und da ein Klang dringt.  Loops oder was – das fragt man sich im Fortgang. Wellenförmige Sequenzen breiten sich aus, werden schneller und schneller. Watteweich ist das nicht, was an unsere Ohren dringt, eher spitz, aufgebracht, erregt, nervös. Und am Ende gibt es noch ein Bußgeld, das die beiden Musiker verteilen: „35€ - Mein Raumschiff steht im Halteverbot“.

© f. dupuis-panther


APPLE MUSIC





Jonas Engel + Own Your Bownes
Staring is Caring

Tangible Music


Über das Album des Kölner Saxofonisten Jonas Engel lesen wir in einem Pressetext zum Album u.a.: „Gibt es in Krisenzeiten wie diesen nichts Wichtigeres zu tun, als Jazzplatten aufzunehmen? Man muss nur wenige Takte von „Staring Is Caring“, dem neuen Album von Jonas Engel hören, um klar und entschieden antworten zu können: Nein! Schon Albert Ayler ließ sich vor über 50 Jahren darüber aus, dass Musik die heilende Kraft des Universums ist, und genau dieser Geist zieht sich auch durch die Musik des Kölner Saxofonisten. Der spirituelle, geradezu hymnische Sog des Openers  „Zwiwwel“ vereint nicht nur die besten Momente der gesamten Jazzgeschichte dies- und jenseits des Atlantiks, sondern er trägt diese dem Horizont entgegen, um einen optimistischen Kontrapunkt zu setzen.“

Zum Ensemble des in Köln, aber auch in Kopenhagen lebenden Alt-Saxofonisten Jonas Engel gehören im Übrigen der Tenorsaxofonist Karlis Auzins, der Bassist David Helm und der Drummer Dominik Mahnig. Der Beginn des Albums ist fulminant und changiert zwischen Brassband-Klängen und Marching-Band-Anlehnungen dies- und jenseits des French Quarter. Die Klangfärbung wird dabei im Kern von den Saxofonen und einem exorbitanten Drumming bestimmt. Da scheinen sich Gebläsewellen wie Wasserwalzen zu überlagern. Explosives ist wahrzunehmen, auch ein wenig Chaos und Aufruhr. Und eigentlich vermutet man hinter all dem mindestens ein Tentett, doch Jonas Engel begnügt sich mit einem Quartett und nur zwei Holzbläsern. Nach mehr klingt es allemal, was wir bei „Zwiwwel“ erleben. Und auch „Niva“ ist kein bisschen leise. Da äußern und entäußern sich Zug um Zug die beiden Bläser. Auch verspielte Passagen des Altsaxofonisten machen Teil der Inszenierung aus. Quirlig und lebendig ist der Fortgang des Stücks, dabei auch Gutturales verarbeitend. Röhren und schnurren vereinen sich nach und nach.

Beim Hören des Albums schlagen wir musikalisch auch einen „Atlas“ auf: Eine feine Altstimmer nimmt uns dabei gefangen. Oh, da hören wir auch einen gestrichenen Bass, der ganz nach Streichquartett klingt. Im Weiteren schwellen die Bläser in ihrem Klang an und ab. Unterlegt ist dies mit der Tieftönigkeit, die der Bassist beisteuert. Zudem meint man, die Schreie von Störchenvögeln zu vernehmen, wenn die Bläser agieren. Teilweise klingt der Bass so, als wollte er musikalisch das Dantesche Inferno umsetzen, als würde er uns also ins Höllenfeuer schauen lassen.

Hörbar ist zu Beginn ein distinkter Atemstrom, so als würde Wind um die Häuser und durch Baulücken fegen. „Op Mistelweg“ steht dann auf dem Programm. Tenor- und Altsaxofon teilen sich die musikalischen Flächen, die durch die beiden Musiker Engel und Auzins ausgebreitet werden. Man kann sich beim Hören vorstellen, musikalisch würden Schäfchenwolken über einer flachen Landschaft nachgezeichnet, wenn wir auf dem Mistelweg unterwegs sind. Weite spiegelt sich in dem, was wir als Hörerlebnis erfahren, oder?

„The Social Media Activist“ heißt es weiter im Kontext des Albums. Diesmal lauschen wir abgerundeten und weichen Klängen. Da gibt es keine tonalen Ecken, sondern eher Klanggouachen, die mit Farbwischungen arbeiten. Das Album wird schließlich mit „Sincere Thanks To Them A“ abgerundet.

© ferdinand dupuis-panther


BANDCAMP

https://www.jonasengel.com

Tracks
01.  01 ZWIWWEL
02.  02 Niva
03.  03 Alun Alun
04.  04 Atlas
05.  05 Omaria
06.  06 Op Mistelweg
07.  07 One Wording
08.  08 The Social Media Activist
09.  09 Gaze In Grace
10.  10 Sincere Thanks To Them A





Jonas Hemmersbach – Stillsturm
JHM


Über den Bandleader und Gitarristen Jonas Hemmersbach lesen wir auf der Seite des Labels unter anderem: „Der Düsseldorfer Gitarrist Jonas Hemmersbach, Jahrgang 1988, veröffentlicht hier, fünf Jahre nach seinem JHM-Erstling „Gegenkonzept“ (JHM 246), ein neues Quintett-Projekt: „Stillsturm“. Schon vor seinem Studium in Arnheim – u.a. bei Philip Catherine – war sich Jonas Hemmersbach darüber im Klaren, wie sehr ihn seine Affinitität zu Improvisation und Kommunikation innerhalb fließender musikalischer Prozesse begeistert und antreibt. Dieses Interesse ließ und lässt ihn die unterschiedlichsten Spielformen des Jazz entdecken und bearbeiten, auf deren Ausdifferenzierung er seitdem sein Hauptaugenmerk legt.“

Folgt man dem Schlagwerk in „Mechanismus“ dann denkt man an ineinander greifende Zahnräder, die einem Takt folgen. Doch dieser Eindruck wird verdeckt, wenn die übrigen Musiker zu hören sind und vor allem, wenn der Bass ein Solo spielt, ganz zu schweigen von Gitarrensequenzen gepaart mit der Altstimme des Saxofons, das Felix Fritsche spielt. Beim Gitarrensolo spürt man nichts von Mechanischem. Man muss, wenn überhaupt, an einen Schussfaden und Kettfaden denken, die sich miteinander verbinden. Diskantes ist dann auch im Spiel, pur und ohne Verzerrungen und Verzögerungen oder anderweitige elektronische Veränderungen. Die Gitarre ist eine Gitarre ist eine Gitarre – so einfach ist es. Insgesamt erlebt der Zuhörer einen fließenden Prozess, in dem alle Musiker eingebunden sind, dabei durchaus auch paraphrasierend, wenn man die Linien verfolgt, die der Altsaxofonist anstimmt, nachdem der Gitarrist seinen Solopart beendet hat.

Die musikalische Reise wird auf dem aktuellen Album mit „An Unexplainable Reassurance“ fortgesetzt. Aufruhr macht sich musikalisch zu Beginn breit. Der Saxofonist röhrt, tobt und schreit. Der Gitarrist ergeht sich in ein wenig kakophonem Rockgetöse, ehe dann eine eher melodische Struktur von beiden Instrumentalisten erzielt wird. Durchaus lyrisch kann man das nennen, was wir von beiden hören. Beinahe mit klassischer Attitüde streicht der Bassist Moritz Götzen nachfolgend seinen Bass. Darunter liegen wiederholte Gitarrensequenzen in einer Endlosschleife. Danach erfolgt ein Wechsel im Duktus und Momente des Rockigen sind präsent, ohne dabei in den Sequenzen Gitarrensolo von Alvin Lee, Jeff Beck oder anderen Giganten der Rockgitarre zu kopieren. Schlagwerkfeuer erleben wir obendrein. Kreischend, quietschend und schnalzend setzt sich der Altsaxofonist im Weiteren in Szene. Unordnung wird signalisiert, stößt dann auch der Gitarrist  mit Hardrock-Einschlägen dazu. Nach deren Eruptionen jedoch folgenden Entspannungen des Klangs bis zum letzten Ton.

Namensgebend fürs Album ist „Stillsturm“, anfänglich geprägt von bewegtem Tieftonklang. Durchaus ungewöhnlich ist der Begriff Stillsturm, für den Jonas Hemmersbach folgende Erklärung gibt – siehe seine Homepage: „Der „Stillsturm“ versinnbildlicht ein Gefühl der inneren Turbulenz. Die Welt und Realität toben unnachgiebig um uns herum. Die Gefahr davon paralysiert zu werden ist genau so hoch, wie den Blick nach Vorne zu verlieren. Dennoch mischen sich darin auch Gefühle der Freude, Hoffnung und Liebe, die erfordern sich diesem Sturm doch entgegen zu stellen.

Im Vordergrund der Musik stehen dabei stets die oftmals persönlichen Geschichten, die erzählt werden und einen tiefen Einblick in das Innenleben der Musiker gewähren.“ Doch im Gegensatz zum vorherigen Stück, erlebt man aus Sicht des Berichterstatters keine Sturmgewalt, die einen mit- und umreißt. Im Gegenteil, der Pianist Ludwig Horn nimmt uns mit auf seinen Tastenfluss, der einem langsam dahin fließenden Wiesenfluss gleicht, mit allerlei Biegungen und Schleifen.

Musikalisch erlebten wir auch einen „September“ ohne Herbststurm. Eher weht, so suggeriert es der Altsaxofonist, ein laues Lüftchen noch vor einem goldenen Oktober. Besonders hörenswert ist der Wechselgesang zwischen Saxofon und Gitarre. Dabei reiht sich Ton an Ton wie auf einer Perlenschnur, um für dieses Stück eine bildliche Annäherung einzubringen. Auch der Pianist fühlt sich bemüßigt, sein Spiel perlend zu gestalten und kleine Klangstrudel auf den schwarzen und weißen Tasten zu erzeugen. Ähnlich ungewöhnlich wie der Tracktitel „Stillsturm“ ist „Stretchblues“. 8 oder 12 to the bar – das ist die Frage angesichts des Begriffs Blues. Doch das fokussiert allein auf den Gitarristen. Der jedoch ist nicht der Agent des Geschehens. Da muss man eher an Felix Fritsche und an Moritz Götzen denken. Sie vereinen sich in einer Post-Modern-Jazz-Ode. Gezogene Gitarrensaiten wie beim klassischen Blues von B.B. King oder John Lee Hooker hören wir nicht. Eher taucht Jonas Hemmersbach, wenn überhaupt, in die Welt von Clapton, Beck und ähnlicher Rockgitarristen ein. Was wir hören ist fein ziselierte Saitenkunst, kein brutales Wimmer oder Jaulen der Gitarre wie bei den oben genannten Musikern. Das Stück allerdings ist am ehesten unter dem Etikett Jazz Rock zu subsumieren, oder? Das Finale des Albums bildet der Track „Shadows And Memories“.

© ferdinand dupuis-panther


www.jazzhausmusik.de

Musicians:

Jonas Hemmersbach - guitar
Felix Fritsche - alto saxophone
Moritz Götzen - bass
Karl-Friedrich Degenhardt - drums
Ludwig Horn – piano

Tracks
1 Mechanismus 7:55
2 An Unexplainable Reassurance 7:02
3 Stillsturm 8:49
4 Empty House And Nothing To Do 6:44
5 September 6:58
6 Stretchblues 10:04
7 Waiting For A Heartbeat 6:31
8 The Very Edge Of Things 8:18
9 Shadows And Memories 5:09


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