Earshift Music X4

Earshift Music X4

Various

Earshift Music


Mark Ginsburg and Ryan Grogan / Paddy Fitzgerald / Steve Barry / Tripataka






Mark Ginsburg and Ryan Grogan
Oceans Together


Zu hören sind auf dem Album der in Sydney lebende, aus Südafrika stammende Saxofonist Mark Ginsburg und der Pianist Ryan Grogan. Das musikalische Projekt der beiden Musiker kreist dabei um die Frage der Inspirationen, die mit Herkunft und auch mit Intimität zu tun haben. Das Ensemble der zuvor genannten Musiker vervollständigen der Bassist Brett Hirst und der Percussionist Fabian Hevia.

Über das Album lesen wir Folgendes: „The title, Oceans Together, reflects the varied shores, musical influences and social landscapes of the musicians.  Each of these players has a rich background containing significant individual accomplishments, as well as a history of working together at different times over a few decades. The sound is very exposed - you can hear each note of every instrument - sonically there are no heavy drum sounds that compete with other instrument frequencies - the hand percussion is gentle, effective and subtle.“

Zwei Jahre hat es gedauert, um das Album zu realisieren. Das hing auch mit der Pandemie und den daraus resultierenden Maßnahmen der Abschottung zusammen. Von der ersten Note an ist die Zartheit des Melodischen präsent. Auch Kontemplatives ist in den Stücken zu entdecken. Den zarten Klängen hat sich auch der Perkussionist verschrieben, auf den man ganz bewusst statt eines Drummers zurückgegriffen hat. Das Perkussive sollte vorhanden, aber nicht aufdringlich sein, sollte den Fluss der Klänge, die der Pianist auf seinem Klavier entwickelt, begleiten, mehr nicht.

Ginsburg beschreibt das Albumprojekt mit nachstehenden Kommentierungen: „Our sound is quite different to other projects we have been involved in, particularly because we used hand percussion rather than a drum kit.  Feedback from others indicates that the result is intimate, exposed, warm, sparse, you can hear each note, in a way its quite vulnerable.  It has strains of the group Oregan (although un-intended). The project has been fascinating because of the way we had to conceive the music in isolation and build on our ideas in an asynchronous manner (as opposed to being in the same room and working things out interactively).“

Teilweise meint man gar, Lars Danielsson mit seinem Liberetto habe für einen Teil der Musik Pate gestanden. Man achte einmal auf die anfänglichen Klaviersequenzen in „Indecision“. Das Lyrische ist hierbei charakteristisch, auch mit Bezug zu klassischer Musik der Neo-Romantik. Dabei verschmelzen die Klänge von Saxofon und Piano, bilden gleichsam eine musikalische „Ganache“. „Subterfuge“ ruft Stimmungen hervor, die wir vom „Concerto de Aranjuez“ her kennen. Weichzeichnungen dominieren. Man hat beim Hören den Eindruck, heißer Wüstensand verteile sich jenseits des Mittelmeers und dieses sei keine wirkliche Barriere, sondern eher eine Art Klangmeer, das von der Musik der Anrainer bestimmt wird. Besonders brillant ist das Spiel des Saxofonisten, der alles unterlässt, sich in eine dominante Position zu begeben. Die Saxofonklänge scheinen  wie Zuckerguss, der warm zerfließt. Dezent vernehmen wir Perkussives im Hintergrund und eher Basslastiges dank des Pianisten. Und auch Stimmliches vernehmen wir, den Instrumenten gleich gesetzt und eher als Klangteppich angelegt.

Alt- oder Sopransaxofon? – das fragt man sich, wenn die Komposition „Gravity“ erklingt, geschrieben von Ginsburg. Feinste Linien und Schraffuren des Klangs vernehmen wir. Da gibt es nichts, was aus der Mitte zu den Rändern in entwickelt wird. Alles scheint im Kern fokussiert.  Das nachfolgende Stück „In Situ“, aus der Feder des Pianisten stammend, beschreibt die Erfahrungen der letzten Jahre, in denen wir wegen der Pandemie an einem Ort bleiben mussten.  Vom Duktus her ist das Stück kaskadierend angelegt, vor allem bezüglich der Klaviersequenzen. Über diesen liegt der Wohlklang des Saxofons, zirkulierend, oszillierend. Und auch ein wenig Beckenrauschen wurde dem Stück beigegeben. Doch ganz augenfällig ist der intime Klang des Saxofons, hier und da samt und ein wenig auch nach Klarinette klingend. Und auch der Bassist erhält bei diesem Stück seinen Entfaltungsraum.

Nach „Canticum“ (comp Grogan) folgt eine weitere Komposition des Pianisten namens „Oceans Together“, der Titeltrack des vorliegenden Albums. Der Pianist eröffnet das Stück gleichsam mit einer Variante des Stundenschlags. Beinahe kristallin und zerbrechlich erscheint das, was der Saxofonist ergänzend zum Klangspektrum des Stücks beiträgt. Auch das Bild von sich sanft bewegenden Wogen könnte man im Kopf haben, verfolgt man die Passsagen des Saxofonisten. Dabei sind es nicht Monsterwellen, sondern eher kabbeliges Wasser, das da in Klangformen gegossen wird. Auch den Blick in den Himmel haben die Musiker in einer Komposition verarbeitet: „Under The Blue“ (comp Grogan). Und zum Schluss lautet die Frage „Where to From Here“, womit das sehr intim ausgeformte Album abgerundet wird.


Line-up:

Ryan Grogan (piano)
Mark Ginsburg (saxophones)
Brett Hirst (double bass)
Fabian Hevia (percussion)
Davi Mello (guitar on "In Situ")
Hannah Grogan (background vocals)








Paddy Fitzgerald - Book of Boobook


Nunmehr hat der Bassist Paddy Fitzgerald begleitet von den zurzeit besten Instrumentalisten Melbournes sein Debütalbum vorgelegt. Neben dem Bassisten sind der Saxofonist Tom Noonan, der Pianist Max Teakle, der Drummer Lewis Pierre und der Klarinettist Brennan Hamilton-Smith auf dem Album zu hören.

Zum Album äußert sich Fitzgerald wie folgt: “I’ve long been fascinated by the idea of harmonic dissonance, as it is where I believe the most potent art is created. … For me, the music of Maurice Ravel walks this line in a way that I find endlessly captivating. Composing this album gave me a way to explore where the threshold between consonance and dissonance exists for my music, and it has been so beautiful to see how the incredible instrumentalists in the band have worked with the material.“

Übrigens der Albumtitel nimmt wie das Schlussstück des Albums Bezug zum in Australien und Papua New Guinea heimischen Boobookkauz. „Past(a) Joys“, das Eröffnungsstück entstand im Jahr 2020, das wegen der Pandemie ein Jahr der Abschottung war. Fitzgerald sagt über diese Zeit unter anderem: „Composing was a great comfort to me in that time and the harmony and ethereal textures in Past(a) Joys seek to capture headspace of heartbreak and beautiful emotional vulnerability brought on in this time.“

Und das in der Komposition auch das Wort Pasta neben Past enthalten ist, hängt damit zusammen, dass das bevorzugte Pasta-Restaurant nicht erreichbar war, da es in Australien einen per Verordnung festgelegten 5 km-Radius für den außerhäuslichen Aufenthalt gab. Beim Klang des samten Altsaxofons werden Bilder lebendig, die der Gouache einer Landschaft bei aufgehender Sonne gleichen. Die Landschaft zieht wie die Zeit gemächlich an unserem Auge vorbei, so wie Musik, die poetisch anmutet. Das gilt auch für die Passagen, die der Pianist vorträgt, dabei Tonsilben rinnen lassend. Sind da nicht auch Streicher involviert, wenn das Stück seinen Fortgang nimmt? Sehr dezent agiert derweil der Bassist.

Zwei Quellen der Inspiration gibt der Bassist und Komponist Fitzgerald für „Olfactory Ego-Death“ an: Maurice Ravel und Olivier Messien. Zu Beginn erscheinen der Pianist und der Klarinettist wie Antipoden. Das Kristalline trifft dabei auf das Erdige, das Dunkle, das scheinbar Verhüllte. Im weiteren Verlauf breiten sich die Piano-Sequenzen wie konzentrische Kreise aus, so der Eindruck. Über weite Teile des Stücks gehört dem Pianisten die ungeteilte Aufmerksamkeit, auch wenn der Drummer für ausufernde Verwirbelungen sorgt. Dessen ungeachtet mäandert das Spiel des Pianisten, ohne in Gleichform zu verharren.

Ein Hinhörer der besonderen Art ist dann das „Zwischenspiel“ des Altsaxofonisten, der den melodischen Spuren folgt, die der Pianist ausgelegt hat. Da gibt es große und kleine Gesten. Und zum Schluss kreuzt sich das Repetitive im Spiel des Pianisten mit den Basslinien. Im Weiteren hören wir „Burt Cocaine“ und danach „Green Machine“.  „Sherpa“ entstand nach einem Aufenthalt im Himalaya-Gebirge, das, so Fitzgerald, überwältigend und Respekt einflößend ist. Balladenhaft erscheint das, was wir hören. Man meint gar, dass insbesondere der Altsaxofonist ein Bild von einer bergigen Landschaft zeichnet, die sich über den Wolken bzw. einer dichten Nebelbank erhebt. Sehr fein und zart sind die melodischen Linien, die uns Tom Noonan zu Gehör bringt. Dabei reizt er das Klangspektrum seines Holzbläsers in vollem Umfang aus. Irgendwie drängt sich beim Hören auch die Vorstellung eines verlangsamten Lebens auf.

Bei „Le Gibet“ ist es erneut Ravel, der für Fitzgerald kompositorisch gleichsam ein Stichwortgeber war. Auffallend sind die Klangfärbungen, die durch Bassklarinette und Bulbul Tarang oder Punjab-Banjo, einem Saiteninstrument mit zwei Saiten-Sätzen, erzeugt werden . Bedächtig und bedacht entwickelt sich das Stück. Dabei ist der Pianist in einer federführenden Rolle. Und dann hört man die Saitenklänge des Punjab-Banjo sowie den Redundanzen, die dem Altsaxofonisten zu verdanken sind, oder? Eine gewisse Dramatik wohnt dem Stück im Weiteren inne. Durchdringend ist der Klang der Bassklarinette, die hier und da interveniert. Selten genug auf dem Album nehmen wir in diesem Stück auch ein Solo des Bassisten und Bandleaders wahr. Das ist eher zerbrechlich ausgeformt und wenig im Klang nachhallend. Man hat den Eindruck, die schwingenden Saiten vergehen in Sekundenmomenten.

Zu „St. Agnosticus“ erklärt Fitzgerald, dass sich in diesem Stück seine Liebe zur Musik der Beach Boys wiederfinden lässt. Wellige Melodielinien lassen der Pianist und der Saxofonist erklingen. Hier und da scheint es auch Anlehnungen an Motive klassischer Musik zu geben und weniger an Surf-Sound, den man beim Stichwort Beach Boys eigentlich erwartet. Der musikalische Zirkel mit teilweise fragilen und weich gezeichneten Passagen schließt sich mit „Book of Boobook“.


Line-up:

Paddy Fitzgerald (double bass, mellotron, bulbul tarang)
Tom Noonan (alto sax)
Max Teakle (piano)
Lewis Pierre-Humbert (drums)
Brennan Hamilton-Smith (bass clarinet (tracks 2 & 6))





Steve Barry - In the Waves


Der in Sydney lebende Pianist Steve Barry wird auf dem Album „In the Waves“ vom Drummer Eric Harland, vom Saxofonisten Will Vinson und vom Bassisten Tom Botting begleitet.

Über den Charakter des Albums ist Nachstehendes zu lesen: „With In the Waves Barry marks a further cycle back to the modern jazz roots heard most recently with his Japanese trio Polyglot - described by luminary pianist Mike Nock as “stunning…the cutting edge of jazz today”. Composed largely during Sydney’s four-month pandemic lockdown, the album’s eight tracks keep the  physical and philosophical qualities of water as a common thread.“ Und zudem noch eine Pressestimme: „...dazzling in his harmonic adventurousness, melodic resourcefulness, switchback rhythmic ideas and non-bombastic sense of drama.“ (Sydney Morning Herald)

Nicht allein das rhythmisch verwobene Klavierspiel ist für „Lithospheric“, den Opener des Albums, kennzeichnend, sondern auch das frische Saxofonspiel. Zwischen Pianist und Saxofonist entwickelt sich im Verlauf ein durchaus dramatisch zu bezeichnendes Wechselspiel. Fordernd agieren beide Musiker. In ruhigere Fahrwasser driftet das Stück erst beim perlenden Solo des Pianisten. Dabei setzt Steve Barry auch immer wieder Akzentuierungen und lässt das Tastenspiel nicht einfach dahin rinnen, so wie Sandkörner auf hohen Dünen ihren Weg nehmen. Sonor und säuselnd klingt derweil das Saxofon in den Händen von Will Vinson. Und auch der Bassist erhält im Eröffnungsstück ausreichend Raum seine tieftönigen Linien zu zeichnen.

Gleichsam mit einem Fanal macht „First 11“ auf. Das ist im Kern dem Saxofonisten mit seinem Altsaxofon zu verdanken. Nachfolgend entwickeln sich die Klangformen wellenförmig, gleichen ruhiger See zwischen Ebbe und Flut. Klangstrukturen wiederholen sich im Fortgang des Stücks. Schweigt der Saxofonist, so gehört der Klangraum dem Pianisten und dem Bassisten, die sich in ihrem Timbre und ihren Färbungen ergänzen, hier das eher Diskante und dort das eher Dunkelfarbige. Man könnte sagen, Grauweiß treffe auf Kohlenschwarz. „On Dirt & Alchemy“ folgt „Half Moon Lights“. Beides sind Stücke, die aufgrund ihrer Dauer Raum der musikalischen Entfaltungen ermöglichen, ohne dass der Bandleader und Pianist Steve Barry die Dominanz an den Tag legt. Keine Frage, solistisch hat er schon erhebliche Gestaltungsanteile, aber das kann man auch von Will Vinson behaupten. So erleben wir dann eher zwei musikalische Alphatiere, oder?

Und um was handelt es sich eigentlich bei „Thixotropy“? Darunter versteht man die Fließeigenschaft von Flüssigkeiten, welche bei andauernden äußeren Einwirkungen ihre Viskosität verringern. Sollte man dies dann nicht auch in der Musik erfahren? Es ist vor allem der Saxofonist, der den Flow bestimmt. Im Hintergrund agiert dabei der Pianist mit Klangbildern, die an ein Rinnsal, an einen fließenden Bach oder an sprudelnde Quellen denken lassen. Vor allem bei den scheinbar kreisenden Tastenspielen hat man das Bild eines Quellgebiets vor Augen, wobei Wasser aus Sandschichten hier und da mit Blasen aufsteigt.

Kurz vor Ende des Albums wurde „In The Waves“ platziert. Warum gerade an dieser Stelle des Albums und nicht am Beginn? Diese Frage muss gestellt werden, denn es geht ja um musikalische Inszenierungen und Dramatisierungen. Dabei wird dann eine bewusste Auswahl unterstellt, die innerhalb des Albums auch die Ansteuerung eines Höhepunktes im Blick hat. Dunkles Wasser erleben wir musikalisch zu Beginn, wenn der dumpf klingende Bass von einem nervösen Drumming begleitet wird. Danach erhebt der Saxofonist die Stimme so, als würde er die Kuppen und Täler des Wasser besingen, als würde er musikalisch dem Rhythmus der Wellen folgen, Aufschwung, Abschwung, Überschlag, Rollbewegung, Gischt und … . Und am Ende hören wir dann „Float“ und sind zugleich ganz im Fluss, oder?


Line-up:

Steve Barry (piano and compositions)
Eric Harland (drums)
Will Vinson (alto and soprano saxophones)
Thomas Botting (bass)








Tripataka - Gliese 667C
2 CD


„Tripatakas neuestes Doppelalbum namens „Gliese 667C“ zeigt meisterhafte Improvisationen und rhythmisch aufgeladene zyklische Formen, die eine Klangwelt der Möglichkeiten schaffen.“ So liest man es in der Beschreibung durch das Label Earshift Music. Und weiter heißt es: „Angetrieben von einer tiefen Liebe zu alten rhythmischen Traditionen, erkundet das Trio musikalische Territorien jenseits geografischer Grenzen. Die Gruppe aus Melbourne besteht aus dem Bass-Posaunisten Adrian Sherriff, dem E-Bass-Gitarristen Jonathan Dimond und dem Schlagzeuger Adam King sowie dem Vibrafonisten Daryl Pratt und dem Didgeridoo-Künstler Amos Roach. Gliese 667C ist eine Reise durch verschiedene musikalische Territorien - nicht nur durch die Besuche der Musiker, die sich mit musikalischen Traditionen auf Bali sowie in Westafrika, Indien und Marokko auseinandersetzen, sondern auch durch innovative musikalische Territorien jenseits der geografischen Grenzen, die frisch und neu sind.“

Der Bandname – ein Sanskrit-Begriff – bezieht sich auf die Handhaltung im Bharatanatyam, der klassischen Tanzform Südindiens. Diese Handhaltung steht für Krone, Pfeil, Donner oder Flamme. Nun lässt ein solcher Name für eine australische Band aufhorchen, hängt allerdings auch mit der Biografie der beteiligten Musiker zusammen, die sich intensiv mit der Musik Indiens auseinandergesetzt haben.

Zu den Musikern

Der Bass-Posaunist Adrian Sherriff ist im Übrigen auch Musiklehrer am Melbourne Polytechnic. Für Aufmerksamkeit sorgte der Musiker in den frühen 1990er Jahren als Mitglied der australischen Jazzband Musiikki Oy. Er hat sich in der Vergangenheit nicht nur klassischer südindischer Musik, sondern auch balinesischer Gamelanmusik und afro-kubanischer Folklore gewidmet. Neben seiner Arbeit mit dem Australian Art Orchestra war er an The Wide Alley, Andrea Keller’s Bartok Project und der  Bennett’s Lane Big Band beteiligt.

Auch der Bass-Gitarrist Jonathan Dimond hat sich mit indischer klassischer Musik befasst. Das beeinflusst auch seine Kompositionen, nicht allein von Ragas. Auch er unterrichtet als promovierter Musiker am Melbourne Polytechnic.

Der Drummer des Ensembles, Adam King, hat in seiner Karriere die klassische Musik Balis und Südindiens studiert. Auch er ist promoviert und arbeitet als Hochschullehrer an der Collarts University in Melbourne.

Der aus Kalifornien stammende und nun in Sydney lebende Vibrafonist Daryl Pratt hat einen Hintergrund in klassischer Gegenwartsmusik und Jazz.

Amos Roach, der am Didgeridoo zu hören ist, ist Mitglied der australischen First Nation und der Sohn des Singer/Songwriters Archie Roach. Zudem ist er ein bekannter Tänzer und Choreograph.

„Gliese 667C“ (comp Sherriff) ist der Opener des Albums und dem Berliner Saxofonisten und Freund der Band Christof Griese gewidmet. Es handelt sich im Übrigen auch um einen roten Stern. Bei diesem Stück ist als Gast der Vibrafonist Daryl Pratt zu hören. Eine Melange der Klänge von Bassposaune und Vibrafon umfängt uns bei diesem Stück. Tieftöniges vermengt sich mit Metallisch-Kristallinem, wenn man so will. Beide Instrumente verschmelzen gleichsam zu einer Doppel-Helix, führen Zwiegespräche, begleitet von dichtem Schlagwerknebel. Daryl Pratt lässt zudem seine Schlägel über die Klangstäbe tanzen, dabei Kaskadierungen erklingen lassend. Im Hintergrund agiert dazu der Bass-Gitarrist. Und dann steht wieder das Thema im Vordergrund, angestimmt vom „röhrenden“ und „röchelnden“ Bass-Posaunisten. Er ist tonangebend über weite Strecken des Stücks. In die Fußstapfen des Posaunisten tritt nachfolgend der Bass-Gitarrist in einem eingebundenen Solo, das auf die Paraphrasierung der Linien des Posaunisten ausgerichtet ist. Und der ist dann auch erneut mit tieftönig, geschmetterten Klängen zu erleben. 

Nachfolgend hören wir „Relativity“ aus der Feder von Jonathan Dimond. Auch bei diesem Stück kommt dem Vibrafonisten Pratt eine wesentliche Rolle zu. Inspiriert wurde das Stück durch eine Arbeit von M.C. Escher. In der Musik, so ist zu erfahren, wurde der Versuch unternommen, die Perspektiven und Konzepte der Escher’schen Graphiken jenseits der Bildform zu realisieren und zugleich die drei Oktaven umfassende Klangbreite des Vibrafons zu integrieren. Wie eine Springflut entwickelt der Vibrafonist sein Spiel. Da spritzen Gischt und Wellen auf, die der Posaunist mit seiner Begleitung in starken Konturen nachzeichnet. Nach dem furiosen Beginn beruhigt sich das gestische Spiel nur wenig, nimmt der Vibrafonist das Wort und lässt Klangkaskade auf Klangkaskade folgen. Ruhepol im musikalischen Geschehen scheint der Posaunist, der in Färbungen von Sandfarben bis Umbra eintaucht. Derweil malt der Vibrafonist eher in Metallic-Grau und -Blau, in Eisblau und in Kristall-Weiß. Sehr gelungen ist übrigens  das Gitarrensolo, mit dem Weite und der Blick bis zum Horizont beschworen wird. Man könnte beim Zuhören aber auch an Wolkenbildungen und deren Auflösung denken.

Nach „Miles To Go“ (comp Pratt) folgt „Where's My Bell Gone?“ (comp Dimond) mit polyrhythmischen Akzentuierungen. Schellenklang und Wirbelrausch sowie ein distinktes Tik-Tik und die hellen Klangfärbungen des Vibrafons treffen bei dem zuletzt genannten Stück auf die Vollmundigkeit der „gutturalen“ Posaune. Hier und da meint man gar, dank Daryl Pratt Gamelan-Musik revisited zu erleben. Zudem durchzieht ein gewisser Swing das Stück, wenn Pratt solistisch in Erscheinung tritt und sich Klangkaskaden ungehindert ergießen.

Die zweite CD macht mit „Ombak“ (comp King) auf und bezieht sich auf ein balinesisches musikalisches Konzept, das unter anderem durch den rhythmischen „Gesang“ von Schlagwerk und Bass charakterisiert werden kann. Durchdringend ist die Stimme des Bass-Posaunisten, über der die des Vibrafons liegt. Beide vereinen sich in einer Art Stakkato-Gesang, wird das Stück fortgesetzt. Bisweilen hat man den Eindruck, der Posaunist, wenn er denn solistisch agiert, musiziert  in einer Karsthöhle und nimmt den Dialog mit dem Raum auf, der den Klang auf den Musiker zurückwirft. Folgt man den melodischen Linien, dann schwingt durchaus auch ein wenig Dramatik mit. Man erwartet in jedem Moment einen Höhepunkt, eine Entladung, ein Crescendo. Doch statt dessen verlegt sich Adrian Sherriff auf ein schneller werdendes Gebläse-Stakkato, das auf Fragiles des Vibrafons trifft.

Beim Stück „Coranderrk“ (comp Dimond) ist der Didgeridoospieler Amos Roach Teil des Ensembles. Coranderrk war ein sogenanntes Aborigines-Reservat nahe Healesville (Victoria) und bestand zwischen 1863 und 1924. Das Schwirren des Didgeridoos zu Beginn klingt wie eine Melange aus elektronischen Effekten, obgleich es sich ja nur um eine zirkuläre Atmung handelt, die die „Tonschwärme“ hervorbringt. Gelegentlich hat man den Eindruck des Bedrohlichen, eines nahenden Unwetters, wenn man dem Schnarren, Röcheln und Röhren folgt. Auch an intensives Motorengeräusch wird man erinnert. Und dann scheinen sich Schiffssirenen bemerkbar zu machen. So jedenfalls mutet an, was der Posaunist zum Stück beiträgt. Das ist kein Sirenengesang, sondern Klang von Nebelhörnern, die sich in engen Flusstälern an den Felsklippen fangen. Und dann hört man erneut das Repetitive, das Grollen, das Schwirren und Flirren des Didgeridoos und eine verhallende Posaune als vorläufigen Ausklang. Danach nehmen wir ein ganz anders ausgeformtes Stücks wahr, bei dem das Blasrohr europäischer Provenienz und nicht das der australischen Ureinwohner im Fokus steht. Mit dem dreiteiligen Stück „Cyclogenesis“, einer turbulenten musikalischen Reise im Angesicht eines Zyklons, endet das überaus interessante Album.


Line-up:

Adrian Sherriff (Bass Trombone, Percussion)
http://www.jonathandimond.com/adrian-sherriff-trio.html

Jonathan Dimond (Electric Bass Guitar, Percussion)
http://www.jonathandimond.com

Adam King (Drumset, Percussion)

Special guests:

Daryl Pratt (Vibraphone)
Amos Roach (Didgeridoo)



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