Damien Kingston (guitar) Trio und Quartett

Damien Kingston (guitar) Trio und Quartett

Various

ABC Jazz / ScratchMatch Records

Damien Kingston Quartet / Damien Kingston Trio

Foto © Damien Kingston

 





Damien Kingston Quartet – Harmony
ABC Jazz


Kurz und knapp einige Worte zum zurzeit in Hobart (Tasmanien/Australien) beheimateten Gitarristen Damien Kingston: Damien Kingston hat seinen Master of Music am Amsterdamer Konservatorium im Jahr 2013 erworben. Er studierte dort bei Jesse van Ruller und Maarten van der Grinten. Zurzeit unterrichtet er in Hobart an der University of Tasmania.

Zum Album schreibt Kingston: „This album was written and recorded in nipaluna on the stolen land of the Muwinina people. We pay our respects to the Tasmanian Aboriginal people who are the ongoing Custodians of the land. Sovereignty was never ceded.“ Folgende Zeilen gibt es über das Quartett und dessen Musik außerdem zu lesen: „Somewhat off the beaten improvised music track, the Damien Kingston Quartet have been developing a new language, one representative of a distinct sound bubbling up from the southern most state in Australia. Merging elements of the jazz tradition and free improv with a love of loud pop & rock sit at the core of this music.“

Wer nun meint, Musiker von Down Under folgen den Fußspuren von Cold Chisl, John Farnham, Yothu Yindi, Men at Work und Midnight Oil sowie AC/DC oder seien gar dem Country Sound verschrieben, der missversteht etwas. All die genannten Bands sind im Rock und Pop unterwegs und nicht im Fahrwasser von Jazz und improvisierter Musik. Und eine Jazzszene gibt es eben auch in  einem Land, in dem die Tyrannei der Entfernung offensichtlich ist. Also heißt es Ohren gespitzt, wenn wir dem lauschen, was uns das Quartett um Kingston präsentiert. Für Außenstehende ist der Titel des Eröffnungstitels kryptisch: „CLFL Maps“. Schnelle Pianoläufe – beinahe im Stakkato vorgetragen – vermischen sich mit ebenso angelegten Gitarrenläufen. Nach und nach entwickeln sich daraus Turbulenzen des Klangs, die bildlich einer Windhose gleichen, die sich in den ariden Zonen Down Unders ausbreitet. Weiter geht es mit „Harmony“ und kristallinen Tastenklängen sowie an den Klang einer Mandoline angelehnten Sequenzen. Zugleich sorgt der Gitarrist für starke, beinahe rockige Intermezzos, ehe sich dann erneuter kristalliner Fluss ausbreitet. Zwischendrin fühlt man sich für sehr kurze Momente auch an Flamenco-Musik erinnert, oder?

„Tacit Through“ kommt mit „klassisch anmutenden“ Gitarrenpassagen daher. Muss man nicht an Etüden denken, ob nun gar barocke Etüden, sei mal dahin gestellt ? Sehr feine Saitenklänge dringen ans Ohr des Hörers. Die Melodielinie erinnert bildlich an Wellengänge wie wir sie auch in japanischen Holzschnitten finden. Zerbrechlich klingt das, was der Pianist des Quartetts vorträgt. Dazu tropfen sacht und dunkel Bassklänge nieder. Aufgewühlt klingt „Stanley Hammers“. Beinahe an die Umsetzung eines Malstroms könnte man beim Hören denken trotz glockenheller Klänge. Doch was dramatisch seinen Ausgang nahm, entwickelt sich im Fortgang zu einem „lyrischen Song“, wenn Kingston in seine Gitarrensaiten greift. Sein Spiel ist frisch und jenseits des Fahrwassers der Granden des Gitarrenjazz angelegt. Es scheint, als würde Kingston aus Fragmenten ein Kaleidoskop aufbauen, farbenfroh und formenreich.

Die Stücke sind kurz und ohne ausufernde Improvisationen. So dauert „Gelus Gloss“ nur etwas mehr als eine Minute. „Meanwhile, Elsewhere“ ist hingegen auf beinahe vier Minute ausgelegt.  Angesichts der Länge der Stücke verstärkt sich der Eindruck, das Kingston 4tet habe hier musikalische Schnipsel zusammengetragen, die eben Momentaufnahmen sind und nicht mehr. Das Ende der Einspielung bildet schließlich „Session#23 Scratch“. Angesichts der Arrangements auf dem Album muss unterstrichen werden, dass der Gitarrist sich nicht in den Vordergrund spielt, sondern vor allem Matt Boden viel Raum zur musikalischen Entfaltung erhält.

© fdp 2024


Musicians

Damien Kingston – Guitar
Matt Boden – Piano
Hamish Houston - Double bass
Tom Robb - Drums

BANDCAMP

Tracks    
1.CLFL Maps 02:07
2.Harmony 02:59
3.Tacit Through 04:22
4.Stanley Hammers 03:16
5.Tremors 03:06
6.Gelus Gloss 01:13
7.Meanwhile, Elsewhere 03:53
8.Session#23 Scratch 03:08





Damien Kingston Quartet – Assemble
ScratchMatch Records


Mit „gemorsten, stufenförmig ausgebreiteten“ Klangmodulen und gewischten Drums macht das Album auf. Zu hören ist am Beginn  „Assemble“. Und in diesem Stück erhebt sich im folgenden Verlauf der helle Vollklang der Gitarre in den Händen Damien Kingstons. Etüde oder was – das fragt man sich streckenweise. „Klangtropfen“ werden erzeugt. Losgelöst und verspielt erscheint der Gitarrist in „Constance“. Das hat etwas von sommerlicher Unbeschwertheit. Doch nach der Einführung setzen dann Bassist und Gitarrist andere Klangnoten. Immer noch zeigt sich der Gitarrist „ausgelassen“. Der Bassist als Begleiter ist für die Bodenhaftung zuständig. Nervös mutet das Drumming von Tom Robb an. Über dieses setzt Kingston verschlungene Saitenklänge, ehe dann Matt Boden das musikalische Zepter führt. Sein Spiel erscheint dramatisch, zumindest dramatisierend, so als werde musikalisch ein Unwetter mit viel Beaufort angekündigt. Musikalischer Platzregen geht auf uns nieder. Völlig entspannt hingegen agiert nachfolgend der Saitenkünstler Kingston.

Nach „Count to Five“ mit sehr hörenswertem Gitarrensolo folgt „Waltz“. Wie in einer Doppelhelix verschlungen so agieren Pianist und Gitarrist in diesem Stück, das eher getragen daherkommt, ohne jedoch ins Schwermütige abzugleiten. Hier und da muss man an dumpfe und helle Glockenschläge aus der Ferne denken. Sanfte Läufe des Pianisten dringen ans Ohr der Zuhörer, durchaus mit einer neoromantischen Note. Chopin lässt grüßen, oder?  Die Abrundung der Einspielung ist das Stück „Locksmith“.

© fdp 2024

Musicians
Damien Kingston – Guitar
Matt Boden – Piano
Hamish Houston – Bass
Tom Robb - Drums

BANDCAMP

Tracks
1. Assemble 02:42
2. Constance 05:04
3. Count to Five 04:52
4. Waltz 05:21
5. Locksmith 04:46





Damien Kingston Trio – Tributary
ScratchMatch Records


Über die Einspielung heißt es: „These seven compositions were written for the MONA River Derwent Heavy Metals Project, addressing the health of the river through collaboration with members of Hobartʼs scientific research community.“ Was uns also vorliegt, ist Musik, die sich auch politisch begreift und Stellung bezieht. Übrigens zum Verständnis, der Derwent River fließt u.a. durch die tasmanische Hauptstadt Hobart.

Und weil das so ist, noch einige Hintergrundinfos zum Album: „The record title Tributary acknowledges everything that flows and feeds into the river, be it the natural waterways, pollution, or the discarded remnants of industry such as the shipwreck Otago found in the bay of the same name. The music on Tributary references the jazz tradition, free improvisation and elements of pop music throughout. Each composition on the record utilises a different compositional approach with which to interpret scientific data, concepts and broader issues. Primarily, Kingston engaged with the research of scientist Ada Crantock and her work investigating POMS, a viral outbreak affecting oysters throughout the river Derwent. Ada’s research was interpreted artistically through a variety of means. Kingston interpreted pitch data, ambient environmental sounds, shell topography and his own emotional response to the plight of the oysters, their surrounds and the broader river ecosystem.“

Im Gegensatz zur Quartettbesetzung ist beim Trio Damien Kingston stärker gefragt und steht im Fokus, auch gleich zu Beginn von „Iron Pot“. Auffallend ist dabei, dass es nicht nur fließende Klanglinien gibt, sondern auch Brüche, Pausen, Klangfragmente, zudem zerbrechlich-gläserne Klangformen und dann auch wieder solche Klänge, die an Rotationen denken lassen. Mit „Lowercase“ wird das Album fortgesetzt, gleichsam mit versetzten Linien, die auch vom Bassisten des Trios bestimmt werden. Kingston hingegen lässt uns hohe glockenhelle Klanglinien hören. Dabei nähert er sich durchaus dem, was man von den Ikonen der Jazzgitarre sowie Scofield und Metheney her kennt. Das bedeutet nun keineswegs, dass es sich bei diesem Stück um Kopiertes handelt. Mit dem vorgenommenen Namedropping wird nur der Versuch eines charakterisierenden Querverweises unternommen. Eigentlich wartet der Zuhörer beim vorliegenden Stück die ganze Zeit darauf, dass sich die Melodie fortentwickelt und nicht im Wiederholten verharrt. Nach „Three by Four“ und „Shells“ folgt namensgebend fürs Album „Tributary“, mit Nebenfluss und auch Zufluss zu übersetzen. Über eine dunkle Klangfläche setzt Kingston gleichsam Klangpunkte, hier und da, zufällig und doch auch ausgesucht. Vom Charakter her strahlt das Stück Ruhe aus, öffnet unseren Blick für gemächlich dahinfließendes Wasser.

Schließlich noch ein Wort zu „Austernfischer“ (Originaltitel „Oyster Catchers“), wohl wissend, dass im Deutschen es sich dabei um einen Watvogel und Küstenbewohner ebenso handeln kann wie um einen professionellen Fischer, der Austern auf Austernbänken züchtet. Up Tempo beginnt das Stück, wobei der Saitenklang an eine Wasserwalze erinnert, die sich nach und nach in ein Fließgewässer auflöst. Wie in den vorherigen Stücken auch, scheinen Motive gezeichnet zu werden, die Teil eines Ganzen sind. Man könnte auch von klanglichen Mosaiksteinchen reden, will man das Gehörte erfassen.

Bei all den Tracks auf dem Album hat man den Eindruck, Kingston habe ein Hörspiel komponiert und die Wortbeiträge eines Hörspiels durch „Klangmorpheme“ ersetzt.

© fdp 2024


Musicians
Damien Kingston – Guitar
Hamish Houston – Bass
Tom Robb – Drums

BANDCAMP

Tracks
1. Iron Pot 03:29
2. Lowercase 03:49
3. Three by Four 02:33
4. Shells 02:29
5. Tributary 03:46
6. Otago 01:35
7. Oyster Catchers 02:43





Damien Kingston Quartett – Wells
ABC Jazz


Mit dem Projekt Fresh Start versuchte der öffentlich-rechtliche australische Rundfunk ABC Musiker während der Covid19-Pandemie zu unterstützen. Das erste Projekt fokussierte sich auf eine von Damien Kingston komponierte achtteilige Suite namens „Wells“. Diese Suite gibt es unterdessen auch auf Vinyl!

„Phren“ (dt. Zwerchfell, im Griechischen „Sitz der Seele“) steht am Beginn der Suite. Es ist der Pianist, der in wiederkehrenden Klangformen begleitet vom Klick-Klick des Drummers musikalische Zeichen setzt. Dabei entfaltet sich eine Dynamik, in die im Weiteren auch der Gitarrist Damien Kingston eingebunden ist, dabei das Thema des Pianisten Matt Boden aufgreifend. Bisweilen sieht man beim Hören vor dem geistigen Auge hohe Wellen wiederkehrend an Klippen schlagen. „Doubles“ fällt durch Hochtöniges auf. Begleitet wird dies von Verwirbelungen und Sticks-Klicken die der Drummer beisteuert, dunklen Bassläufen sowie lyrischen Linien des Gitarristen. Schließlich vereinen sich der Pianist und Gitarrist in ihrem Spiel. Nachfolgend heißt es „Thread That Curls“. Hm, was kann man sich musikalisch unter einem Faden, der sich einrollt eigentlich einfallen lassen? Tonales Gewebe des Pianisten stößt auf Klangspuren, die der Gitarrist setzt. Letzteres hat etwas von dem Klingen diverser Kirchturmglocken. Oder ist das, was der Pianist hören lässt der Kettfaden und die Gitarrenlinie der Schussfaden? Gibt es da nicht auch Ansätze elektronischer Beimischungen zu hören? Kurz und in steter Folge schwingen die Becken. Der Schlagwerker Tom Robb erzeugt an seinem Drumkit so einen Klangteppich eigener Art.

„Wells“ wird anfänglich von den Klangsprudeln bestimmt, die der Pianist beisteuert, durchaus mit Sinn für dunkle Tonfärbungen. Dazu rascheln die Becken im Hintergrund. Das, was der Pianist vorträgt, erinnert im Bild gesprochen auch an eine sprudelnde Quelle oder an die eruptierende Schlammblasen in vulkanischen Gegenden. Dieses Bild greift nachfolgend Kingston in seinem musikalischen Beitrag auf. „Semaphore“ (dt. Optischer Telegraph, Signalmast) ist ein weiterer Teil der Suite. Sehr flott ist das Stück ausgeformt. Man meint, hier würde musikalisch Fahrtwind eingefangen, der bei einem Ausflug mit einem Coupé entsteht. An einen Signalmast muss man wohl  weniger denken. Mit „Wave the Flag“ schuf Damien Kingston schliesslich einen gelungenen Abschluss.

© fdp 2024


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Damien Kingston – Guitar
Matt Boden – Piano
Hamish Houston – Bass
Tom Robb – Drums

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Tracks    
1.Phren 02:43
2.Doubles 03:32
3. Thread That Curls 04:16
4.Rtwo 02:49
5.Wells 04:16
6.Semaphore 01:58
7.Shutter 04:35
8.Wave the Flag 01:58


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