Sebastian Strinning/Julian Kirshner - Dipping the Eye

Sebastian Strinning/Julian Kirshner - Dipping the Eye

S

Jaki Records

Ein Duo zwischen Luzern und Chicago, hier Sebastian Strinning (tenor saxophone and bass clarinet) und dort Julian Kirshner (drums and percussion), beide im Free Jazz und in der improvisierten Musik daheim sowie offen für experimentellen Jazz. Umtriebig sind beide Musiker. Strinning erhielt vor Jahren ein Stipendium der Stiftung Friedl – Wald und begab sich für ein Jahr nach Stockholm auf Spurensuche. 2014 gewann er mit seinem Soloprojekt den CS Jazzförderpreis, und kuratiert seither zusammen mit Marc Unternährer die Reihe „Dienstags_Jazz“ im Kleintheater Luzern. Ohne das Stipendium für ein Atelier in Chicago hätte er sicherlich nicht Julian Kirshner kennengelernt. Sebastian Strinning spielt(e) u.a. mit Gerry Hemingway, Joachim Badenhorst, Fredy Studer, Colin Vallon, Julian Sartorius, Hanspeter Pfammatter, Markus Lauterburg, Frantz Loriot, Flo Stoffner, Jonas Kocher, Thomas K. J. Mejer, John Wolf Brennan, Reto Suhner, Manuel Troller, und vielen mehr zusammen. Kirshner begann mit zehn Jahren Schlagzeug zu lernen, als er die Gelegenheit erhielt, in der Percussion Scholarship Group des Chicago Symphony Orchestra zu spielen. Seit einiger Zeit ist Kirshner in der Musikszene Chicagos aktiv und traf  dabei auf Sam Weinberg, Charlie Kirchen, Keefe Jackson, Fred Lonberg-Holm und Gerrit Hatcher. Nun also formt er ein Duo zwischen alter und neuer Welt. Eingespielt wurden u. a. Stücke wie „Chockablock“, „Flooded Skiff“, „Sternpicker“, „An Anchorman's Dwelling Place“ und „High/Dry“. Nautische und maritime Bezüge wurden bewusst gewählt, wird doch kolportiert, dass beide Musiker in einem früheren Leben ihren Unterhalt als Matrosen verdient haben. Wahr oder nicht? – das ist die Frage. Doch die Geschichte lässt zumindest aufhorchen.

Aufgewühlte Saxofonpassagen drängen sich bei „Chockablock“. Der Titel des Stücks bezieht sich auf Überfüllung mit Menschen, auf voll, auf eng wie in einer Sardinendose u. ä. Der Saxofonist Sebastian Strinning setzt dies nicht unmittelbar um, sondern suggeriert durch sein chaotisch, aufgepeitschtes, entfesseltes Spiel, dass es einen chaotischen Auflauf gibt, dass die Rush Hour angesagt ist und sich keiner dem entziehen kann. Schnalzgeräusche und Windrauschen vernimmt man zu Beginn von „Flooded Skiff“. Schellen vibrieren im Hintergrund. Besen wischen über Trommelfelle. Röhrend und schnalzend ist das Saxofon unterwegs. Hier und da sind auch lange Klanglinien auszumachen, die an Nebelhörner denken lassen. Röcheln dringt auch ans Ohr des Hörers. Und ist da nicht auch eine Art Klagelied auszumachen, das Sebsatian Strinning anstimmt? Im Weiteren stimmt der Saxofonist auch melodische Linien an, die sich zu Schraffuren verdichten. Ein Hier und ein Dort signalisiert Sebastian Strinning obendrein, und dazu hört man starke Trommelverwirbelungen von Julia Kirshner. Eilige Schrittfolgen sind zudem Teil des „Hörspiels“ des Duos. Atemluft streicht bei „Sternpicker“ durch das S-Rohr des Saxofons. Schnurrend gibt sich der Holzbläser. Zwischen Alt und Tenor changiert die Stimme. Sternpicker bezeichnet ein Fischerboot mit einem Grundnetz, das vom Heck des Bootes aus ins Wasser gelassen wir. So kann man das, was man hört, auch als eine klangvolle Beschreibung des Fischens auffassen. Dabei wird das Netz ausgeworfen und hochgezogen, mehrmals, so signalisiert es jedenfalls der Saxofonist mit seinem welligen Klangbild, das er uns vorstellt. Angesichts der „maritimen Vergangenheit der Musiker muss man wohl davon ausgehen, dass vorliegend, eine Bootsfahrt mit Fangerwartungen musikalisch umgesetzt wird. Das ist durchaus von Dramatik begleitet, so als würde das Grundnetz mit schwerer Last den Kahn zum Kentern bringen.

Bei „An Anchorman's Dwelling Place“ spielt Sebastian Strinning Klarinette, oder? Das klingt aufgeregt und nervös, aufgewühlt und krawallig. Zumal der Drummer dies noch durch seine Trommelschläge unterstreicht. Der Klangschwall ebbt im Laufe des Stücks ein wenig ab. Danach vernimmt man langwelliges Spiel der Klarinette, die nachfolgend wieder die Balance und den Weichklang verliert. Einem Klangteppich gleicht das, was in „High/Dry“ zu hören ist. Auch hier hat Strinning der Klarinette den Vorrang vor dem Saxofon gegeben. Teilweise sind ein pulsierender Klang und ein Rascheln zu vernehmen. Sonor gibt sich der Klarinettist. Beinahe meint man, ein  oder mehrere schwirrende Käfer fliegen vorbei. Jedenfalls ist dies der Klangeindruck. Eigentlich aber verweist der Titel begrifflich auf eine schwierige Situation, auf gestrandet sein, auf hilflos. Zumindest die mit diesen Begriffen verbundene Dramatik kann man dem Duospiel unzweifelhaft entnehmen.

© fdp


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