Satoko Fujii and Taiko Saito – Futari: Beyond

Satoko Fujii and Taiko Saito – Futari: Beyond

S

Libra Records

Zu dem Debütalbum der aus Tokyo stammenden Avantgarde-Pianistin Satoko Fujii und der aus Sapporo stammenden, in Berlin lebenden Vibrafonistin Taiko Saito, einer Schülerin von David Friedman,  lesen wir im O-Ton der Pianistin: “I think we both were looking to get a special something from the piano-vibraphone duo. … I mean, these instruments are so much alike and it’s not easy for them to play together.” Was mit „Beyond“ entstanden ist, kann als klangvolles Hörspiel bezeichnet werden. Fujii charakterisiert die Musik und ihren Duktus wie folgt: “I don’t want any limits to how I express myself.  … Many people think I play very aggressively. I can be aggressive but I also love playing very quiet. We actually recorded some aggressive pieces, but we ended up using the quiet ones for the album because we loved the feeling.”

Zum weiteren Werden der vorliegenden Einspielungen äußert sich die Pianistin folgendermaßen: “I think much more than in America and Japan. I started playing these things before I moved to Berlin, but I have to say during my Berlin days, I became more influenced by these sounds. Taiko and I didn’t talk about these things at all before we played, but the vocabulary is a big part of the way we each express ourselves.”

Mit “Molecular” eröffnen die beiden Musikerinnen ihre musikalischen Collagen. Bogenstriche an den Kanten der Klangstäbe sind zu vernehmen, aber auch das Vibrieren der angeschlagenen Klangstäbe. Rascheln ist auszumachen. Ist da nicht auch Geläut zu vernehmen? Wem ist es zu verdanken? Vermutlich Sakato Fujii und ihrem präparierten Klavier, dessen Saiten gedämpft und manipuliert wurden. Nachhallend sind die Klangstäbe wahrzunehmen. Dazu hört man Schläge auf gedämpfte Messingschalen, so meint man. Aber solche sind in der Instrumentierung des Duos nicht aufgeführt. Auch Klangrohre scheinen nicht mit im Spiel zu sein. Und doch hat man den Höreindruck, dass sie vorhanden sind. Fragmentiert ist das Geläut mit unterschiedlichen Tonhöhen und der Schlag der Zeit im steten Rhythmus. Fangen die Musikerinnen vielleicht unterschiedliche Moleküle ein und, wenn ja, welcher Art?

Schrille Tonreihen empfangen den Zuhörer zu Beginn von “Todokanai Tegami”. Diese werden fortgesetzt und sind eine Herausforderung für den Hörsinn. Im Weiteren hat man den Eindruck surrender und flirrender Wind, der sich in Oberleitungen fängt, wird eingefangen und „seziert“. Gedämpfte Tonschläge werden angefügt und in Reihungen gesetzt. Tropfend ist der Klang des Klaviers, dank an Satoko Fujii. Nach und nach vergeht das Tropfen und flachwellige Passagen werden entwickelt. Schrill und schräg ist die musikalische Kommentierung durch die Vibrafonistin. Sie setzt klangliche „Kontrapunkte“ – im übertragenen und nicht im Bach’schen Sinne. Fingerübungen können wir anschließend ausmachen. Irgendwie sind wir mitten in einer Klavieretüde, deren Linien, durch die Vibrafonistin durchbrochen werden. Diese streicht mit dem Bogen an den Klangstäben entlang und erzeugt so einen Klang, der an eine sogenannte singende Säge erinnert. Diskantes trifft auf lange Basslinien und Fragiles sowie einen schwer zu definierenden Signalklang mit tonalem Überschlag. Nachfolgend heißt es „Beyond“, „jenseits“ im Gegensatz zu diesseits. Neben perkussiven Durchwirkungen vernimmt man einen klanglichen Meteoritenregen, den Satoko Fujii verursacht, so der Eindruck. Akkorde verhallen und werden von flirrenden und quietschenden Geräuschen „beantwortet“. Hören wir nicht auch hier und da ein Glöckchen klingeln? Oder ist es eine kleine Schelle, die angetippt wird?

In ein Zwiegespräch sind die beiden Musikerin in dem Stück “The Road” verstrickt. Es gibt einen musikalischen Vorlauf und einen Nachlauf, eine Bass- und eine Diskantlinie. Diese werden im Verlauf entknotet und wieder zusammengefügt. Beim Hören drängt sich das Bild einer rasch vorbeiziehenden Landschaften während einer rasanten Zugfahrt auf. Was anfänglich als dicht gewebt erscheint, löst sich nach und nach auf. Gegenläufig sind die musikalischen Linien der beiden Musikerinnen angelegt. Die Linien sind gleichsam Teil eines Parallelogramms, das als Klangmodul gezeichnet wird. In ähnlicher Weise wie das Stück zuvor ist auch “Mizube” strukturiert, gleichsam als Kontrast von zwei Klangkörpern mit unterschiedlichen Volumina. Bassgründungen treffen dabei auf kristalline Kaskaden.

“Mobius Loop” ist eine Collage aus Industrial Noise und dem Klang eines präparierten Klaviers, das gelegentlich nach Hammerklavier klingt. Beckenvibrationen scheinen mit im Spiel zu sein und tiefer Tastenklang, der sich auf eine angespielte Taste beschränkt. Tick-tick-tok-tok heißt es auch, ehe dann das Vibrafon sich mit seinem „natürlichen Klang“ zu Wort meldet. Fujii begleitet dies mit ausgeprägter Basslinie, Schritt für Schritt. Und dann, ja dann vernehmen wir Geläut, so als würden Glöckner die Glocken einer Kathedrale zu einem mehrstimmigen Ganzen vereinen. Doch was wir vernehmen, ist schlicht das Vibrafon. Und was hat das nun alles mit Moebius-Schleife zu tun?

Und am Ende bündelt sich die Improvisation der beiden japanischen Musikerinnen in „Spectrum“, dabei durchaus auch streckenweise auf das Präparieren des Klaviers verzichtend. Der gelegentliche Off-Klang des Vibrafons geht dabei mit dem im Diskant bespielten Klavier eine Melange ein, die Lineares mit der klanglichen Gouache des Vibrafons verbindet. Nachhaltig sind die Klangvibrationen, die nach und nach vergehen, während die Pianistin mit ihrem Tasteninstrument ein stabiles Gitterkonstrukt errichtet. In dessen Struktur zirkuliert der Klang des Vibrafons.

© ferdinand dupuis-panther


Infos

www.satokofujii.com/
https://satokofujii.bandcamp.com/album/beyond
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