Sandro Zerafa: More Light

Sandro Zerafa: More Light

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Der aus Malta gebürtige, aber schon lange in Frankreich ansässige Gitarrist Sandro Zerafa hat sich für das aktuelle Album mit Yonathan Avishai (piano), Yoni Zelnik (bass), Lukmil Perez-Herrera (drums) und David Prez (tenor saxophone) zusammengetan. Sandro Zerafa hat sich ein durchaus offenes Ohr für den aktuellen Jazz der New Yorker Schule bewahrt. Dass Jazz global und mondial ist und nichts mit Begriffen wie völkisch, rein, national oder gar America First am Hut hat, ergibt sich bereits aus der internationalen Besetzung der Band, angefangen bei den beiden aus Israel stammenden Musikern Yonathan Avishai und Yoni Zelnik, weitergehend zum kubanischen Drummer Lukmil Perez-Herrera und dem französischen Saxofonisten David Prez. Musik und Jazz im Besonderen ist eben grenzgängerisch und konträr zum kulturidentitären Geschwätz europäischer Nationalisten, Populisten und Faschisten, die sich immer dreister zeigen. Der Austausch und der Diskurs sind maßgeblich für eine moderne Musik des 21. Jahrhunderts. Die Musik, die uns der maltesische Gitarrist vorstellt, ist lyrisch-poetisch, zugleich durchaus ein wenig cool, dabei auch an einen Jazzgiganten wie Eric Dolphy anknüpfend. Auf dem aktuellen Album hat er Dolphy auch eine seiner Kompositionen gewidmet.

Nachdem Sandro Zerafa sein Studium an der Universität von Malta beendete hatte, verschlug es ihn für weitere Studien nach Lyon und anschließend nach Paris. Dort war er alsbald in der Jazzszene sehr aktiv. Zerafa, der brasilianische Musik überaus schätzt, hat unterdessen das Jazzkollektiv und Label Jazz Underground gegründet. Im Übrigen ist er seit 2009 auch der künstlerische Leiter des Malta Jazz Festivals.

Mit „More Light“ eröffnet das Album und schließt mit „Jump Start“. David Prez (tenor saxophone) trägt auf nachstehend genannten Titeln des Albums zur Hörfarbe mit bei, angefangen mit „Blurred Vision IV“ über „Nowness“ bis hin zu „Event Horizon“. Angesichts der Tatsache, dass Sandro Zerafa aus dem Mittelmeerraum stammt, also aus einer Region des Lichts des Südens, überrascht der Albumtitel ein wenig. Man fragt sich, woher der Wunsch nach mehr Licht wohl herrührt. Der ist dann auch nicht auf den Gitarristen bezogen, also nicht im Sinne der Spotlights zu begreifen, die sich auf einen Musiker richten, sondern eher im Sinne, den Fokus auf die Tradition und Ausdruckskraft der Gitarrenklänge von Joe Pass, Jim Hall und Wes Montgomery zu richten und deren Spielansätze und Melodien in die Gegenwart zu transportieren. Das Melodische ist Sandro Zerafas besondere Herzensangelegenheit, wie man beim Zuhören wohl sehr schnell feststellen kann. Dabei drängt er sich nie forsch auf, sondern lässt für seine Mitspieler breiten Raum der Entfaltung.

Wäre der Titel nicht „More Light“, könnte man angesichts der weichen Gitarrenlinien auch an einen Windhauch denken, der uns umfängt. Zugleich könnte man sich die Sandkörner vorstellen, die von einer Wanderdüne abgetragen werden, um an anderer Stelle wieder niederzugehen. Unter den Fluss der Saitenklänge hat der Pianist Yonathan Avishai prägnante Tastensetzungen gelegt, teilweise tieftönig gefärbt. Hier und da folgen die Tastensprünge auch dem Klangfluss der Gitarre. Dabei kann sich der Zuhörer durchaus vorstellen, dass ihm eine tonale Umsetzung von grellem Neonlicht präsentiert wird.

Zweimal wird auf dem vorliegenden Album der Blick verstellt, verschleiert, nämlich bei „Blurred Vision IV“ und „Blurred Vision II“. Sehr prägnant ist in dem zuerst genannten Song das rhythmische Element, das nicht unwesentlich vom Bass bestimmt wird. Darüber verweht der Klang des Tenorsaxofons. Schließt man die Augen, so sieht man weniger Verschwommenes, sondern eher tanzende Papierdrachen, die zum Spielball des Windes werden. Mal flaut dieser ab, mal braust dieser auf. Das präsentieren die Musiker gleichsam in einem Hörspiel. Sehr fein ist dabei das Spiel Sandro Zerafas. Das klingt dann zwischenzeitlich sogar ein wenig nach der Musik eines Barden, der seiner Geliebten ein Ständchen darbringt. Mitgerissen wird er dabei von den Passagen, die David Prez seinem Atemrohr entlockt.

Dem Hardbop-Vertreter Eric Dolphy ist die Komposition „Dolphy“ gewidmet.  In engem Zusammenspiel von Gitarrist und Pianist entsteht dabei eine besondere Klangnuancierung. Zum dezenten Schlagzeugspiel entwickelt Yonathan Avishai obendrein seine eigenen Linienmuster, mal ein bisschen beschwingt, mal energiegeladen und pulsierend. Auf diese „Vorgabe“ antwortet dann Sandro Zerafa mit sehr großem Elan. Dabei wirkt das Spiel jedoch nie exaltiert.

„Nowness“ ist vielleicht als Moment im Hier und Jetzt zu begreifen. In den klanglichen Nuancierungen schließt der Song nahtlos an „Dolphy“ an, dabei auch getragen vom Tenorsaxofonisten David Prez, der sich sehr losgelöst zeigt. Es scheint, als würde ihn das Gegenwärtige nicht halten, sondern die Suche nach dem Zukünftigen der Ansporn sein. Eher geerdet erscheint dagegen Sandro Zerafa an seinem Saiteninstrument. Wäre er ein bildender Künstler, würde man wohl davon sprechen, dass er sich außerdem aufs Weichzeichnen bestens versteht. Wie, so fragt man sich, klingt wohl ein „Ereignishorizont“ („Event Horizon“), als Begriff Teil der allgemeinen Relativitätstheorie? Gemach, ein Proseminar in Physik besuchen wir nicht. Wir können uns ganz und gar dem wohl gewebten Klangteppich hingeben, den die Musiker vor uns ausrollen. Und zum Schluss zeigen uns die fünf Musiker mit teilweise sprunghaften Linien auch noch, was sie unter „Starthilfe“ („Jump Start“) verstehen.

Text: © ferdinand dupuis-panther

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