TatortJazz im Bochumer Kunstmuseum: Vibes, 14. März 2018

Bühne frei für Tarik Dosdogru (Vibraphon), der zusammen mit den Hausbandmusikern Alex Morsey (bass) und Uwe Kellerhoff (drums) sowie einem weiteren Gast, dem Pianisten Igor Zavatckii, den Abend im Kunstmuseum bestritt. Sie brachten die überaus zahlreich erschienenen Jazzfreunde in regelrechte Schwingungen, auch und gerade mit den Kompositionen von Dosdogru. Nur ein Standard und eine Komposition von Corea/Burton sowie, wenn ich es richtig verstanden habe, eine Filmmusik, die Burton komponiert hatte, standen auf dem Programm des Abends.



Tarik Dosdogru – Vita kurz und knapp

Tarik Dosdogru wurde 1971 in Darmstadt geboren, studierte Jazz und klassisches Schlagzeug an der Folkwang-Universität in Essen. Seine Lehrer waren u. a. David Friedman, Peter Herborn, Sperie Karas und Stefan Bauer. Nicht nur im Jazz fühlt er sich heimisch, sondern auch im Rock und in der Country Musik, türkische Folklore ist ihm auch nicht fremd, auch wenn er kein Wort Türkisch spricht, wie er während des Auftritts verriet. Um seine Projekte musikalisch umsetzen zu können, hat er in seinem Wohnort Gevelsberg das Günay-Studio gegründet. Überdies ist er als Dozent an der Folkwang-Musikschule und der Musikschule Essen-Kettwig tätig.


Im Geist von Gary Burton

Gary Burton war nur im Geiste im Kunstmuseum Bochum zugegen, als die TatortJazz-Hausband nebst ihren Gästen auf der Bühne stand. Tarik Dosdogru erwähnte den Namen dieses berühmten us-amerikanischen Vibraphonisten mehrfach, fügte allerdings hinzu, dass sich dieser vor einiger Zeit von der Bühne verabschiedet habe und nicht mehr auftrete.

Wie sehr Dosdogru Burton „verehrt“, schlug sich wohl auch in einem der Songs nieder, der gespielt wurde, ein Duett zwischen Chick Corea und eben dem genannten Gary Burton. Ansonsten überwog im Programm das Eigene. Vielleicht war es allerdings ein Zugeständnis ans Publikum, dass vor der Pause der Standard „On The Sunny Side Of The Street“ auf dem Programmzettel stand. Das wurde dann auch sogleich aus dem Publikum mit der Bemerkung kommentiert: „Dann können wir ja mitsingen.“

Übrigens, es war an diesem Abend außerdem klar – der Saal war fast bis auf den letzten Platz gefüllt –, dass die Musiker ohne eine Zugabe die Bühne nicht verlassen konnten. Ein türkisches Volkslied gab es dann zu hören und die bis zum Ende verbliebenen Zuhörer gingen zufrieden nach Hause.

Gary Burton zum Beginn

Als Opener wählten die Musiker eine Komposition von Gary Burton aus, die er einst für eine kanadische Fernsehserie geschrieben hatte. Doch diese kannte wohl niemand im Saal, wie sich der Vibraphonist im Laufe seiner Ansage bestätigen ließ.


Und Tschüss auf Türkisch

Nachfolgend gab es dann einen „türkischen“ Titel zu hören. Er, Tarik Dosdogru, habe seinen Vater oftmals mit Freunden und Verwandten telefonieren hören und am Ende des Gesprächs verabschiedete der Vater sich mit den Worten: „Na dann bis demnächst. Auf Wiedersehen. Mach es gut.“ So jedenfalls die Annahme von Dosdogru, wie er in wenigen Worten erläuterte. „Hadi alasmaldik“ waren die Worte des Vaters, und so heißt auch das vorgetragene Stück.

Solistisch eröffnete Dosdogru mit seinen Schägeln den Song. Metallstäbe kamen ohne viel Nachhall in Schwingungen. Ein wenig im Geiste von „So What“ schien das Stück ausgerichtet zu sein, oder? Mit leicht gesetzten tieftönigen Schritten begleitete Alex Morsey den Vibraphonisten. Im Weiteren war aber klar, an Tarik Dosdogru führt kein Weg vorbei. Er bestimmte die facettenreiche Färbung des Gesamtklangs. Dabei überwogen spitz-metallische, rauhe, angeätzte Linien. Es gab also keineswegs Weichgezeichnetes zu erleben.


Uwe Kellerhoff spielte dazu ein flottes Dimdimdimdum auf seinem Schlagwerk, nie überzogen, sondern immer in feinster Abstimmung zu dem anderen Schlagwerk, das auf der Bühne mittig und zentral seinen Platz eingenommen hatte. Schließlich kam es ja auf das Vibraphon an.

Diskantes Tastenspiel drang zudem ans Ohr der Anwesenden. Aus einem tonalen Rinnsal entwickelte sich nach und nach ein eher reißender Strom. Im Laufe des Vortrags wurde das Tempo verschärft. Uwe Kellerhoff durfte alsbald auch solistisch an seinem Schlagzeug agieren. Die hart gespannten Felle tanzten unter den Schlägen. In Ergänzung dazu hörte man das Vibraphon, auch zu den Schlagwerken gehörend. Ein wenig fühlte man sich beim Zuhören an Calypso bzw. an kubanische Musik erinnert. Oder war das reines Wunschdenken?


Ein ungeschriebener Krimi namens „Trübsal“

Neben Snooker sind auch Krimis die Leidenschaft des Vibraphonisten, wie er offen zugab, als er einige kurze Worte an das Publikum richtete. Für einen noch nicht vollendeten Krimi entstand dann auch der nachfolgende Song: „Trübsal.“ Was wohl die Handlung des Krimis ist, fragte sich der eine oder andere im Saal.

Dass ein Vibraphonist auch einen Bogen ins Spiel bringt, um diesen an den Klangstäben und Rohren des Instruments entlangfahren zu lassen, ist eher überraschend. Doch Tarik tat dies und zudem blies er auch ab und an in die „Schallzylinder“ des Vibraphons. Becken schwirrten sanft dazu. Getragen, aber auch spannungsgeladen war der Duktus, den die Zuhörer wahrnehmen konnten. In „verzögerte Schrittfolgen“  vertieften sich Bass und Piano. Elegisch war der gestrichene Bass außerdem eingestellt. Das war vom Songtitel her auch zu erwarten.

Innerhalb des Quartetts gab es, wie auch bei diesem Stück, immer wieder mal Duo-Konstellationen. In diesem Fall ging es um den Bassisten und Pianisten sowie um den Vibraphonisten und Pianisten, die ein wenig aus dem Gesamtkontext heraustraten.


Hommage an Bud Powell

Nach all dem vorangestellten Schwärmen für Burton durch Tarik Dosdogru war es keine Überraschung, dass die Hommage an Bud Powell – ein Duett von Corea und Burton (!) – an diesem Abend im Kunstmuseum Bochum vorgestellt wurde. Angeswingt erschien der Pianist genauso wie der Rest der Rhythmusgruppe. Beinahe wie der taumelnde Flug von Bienen erschien die Bewegung von Tarik Dosdogru, mit der er seine Klangstäbe zum Schwirren und Flirren brachte.

Im Stück „The Taste of Loosing“ spiegelte sich die Faszination des Snookerspiels wider, dem Tarik auch hin und wieder zur Entspannung nachgeht. Wunderbar gelang die Eröffnung des Stücks: Der Bass knarrte und knarzte in den Händen von Alex Morsey, als der Bogen auf die Saiten sauste und hin- und herabewegt wurde, auch mal von schräg oben links nach unten rechts. Außerdem hörte man ein Scharren, Schnurren, Röhren und Brummen.

Glockenhell setzte sich dagegen das Vibraphon ab, das eine Melodie anstimmte, die an ein hämisches „Pech gehabt!“ erinnerte, also eher an etwas, was man mit einem Kinderliedchen in Verbindung bringen konnte.  Auch ein sarkastisches „Ätsch!“ konnte man sich beim Zuhören denken. Niederlagen sind halt bitter, auch beim Snooker.

Wie gesagt, vor der Pause ging es dann noch um die Sonnenseite des Lebens und Alex Morsey stellte unter Beweis, dass er nicht nur über die Fingerfertigkeit zum Bassspiel verfügt, sondern auch ausgezeichnete Scat Vocals beherrscht.


Rockig bis Metall

Nach der Pause ging es rockig zu, als eine Eigenkomposition des Vibraphonisten zu hören war, die er ursprünglich für ein Perkussionsensemble von Kindern geschrieben hatte. Volkstanzattitüden, Balkanweisen, Orientklang und Post-Renaissance schienen sich in der Komposition auf seltsam harmonische Weise zu vereinen. Leise und zart gewebte Passagen wurden mit Rasereien und Rabatz konfrontiert, Rock mit Paraphrasierungen, Solistisches – in diesem Fall ein feines Bassspiel von Alex Morsey – mit furiosem Schlagwerkfeuer von Uwe Kellerhoff.

Die Faszination Krimi schlug sich in den beiden Kompositionen „Kruske's Theme“ und „Shot in the Dark“ nieder. Beide sind ebenso wie das letzte Stück des Abends „Snooker und Whiskey“ Kompositionen von Dosdogru, die zu einem gelungenen Abend mit Jazz jenseits von Standardinterpretationen oder Tributes an die Heroen des Jazz beitrugen.


Text und Fotos: © ferdinand dupuis-panther / Der Inhalt (Fotos/Text) sind nicht public commons!


Informationen

TatortJazz
http://milli-haeuser.de/tatort-jazz/konzerte/

Tarik Dosdogru
https://de-de.facebook.com/tarik.dosdogru
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Interview Alex Morsey
http://www.jazzhalo.be/interviews/alex-morsey-interview-mit-dem-bassisten/


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