Johannes Ochsenbauer: Im Gespräch mit dem Kontrabassisten

Johannes Ochsenbauer (Jahrgang 1982) studierte Jazzkontrabass bei Paulo Cardoso und klassischen Kontrabass bei Prof. Cajus Oana an der Musikhochschule und am Richard Strauss Konservatorium in München, beides mit Auszeichnung (2009). Er nahm Unterricht/Masterclasses u. a. bei Ron Carter und Charlie Haden. Zu hören ist er seither mit Tony Lakatos, Johannes Enders, John Marshall, Lorenzo Petrocca, Alex Jung und Harry Sokal, mit dem er auch beim Steyr Jazzfestival 2015 zu hören war. Als Bassist liegt ihm der Bass besonders am Herzen und so wundert es nicht, dass er im Zusammenspiel mit Harry Sokal gleich zwei Alben veröffentlich hat, auf denen nicht nur Kompositionen von Charles Mingus, sondern auch von Oscar Pettiford zu finden sind. Zudem hat Ochsenbauer auch Alben mit dem Gitarristen Alex Jung und dem Tenorsaxofonisten Johannes Enders eingespielt.

Wie kamst Du zum Jazz?

Der Jazz ist zu mir über einen Lehrer gekommen. Also angefangen habe ich mit Kontrabassunterricht. Wie es so oft ist, im Schulorchester gab es keinen Kontrabassisten, und so habe ich kostenlos klassischen Kontrabassunterricht bekommen. Irgendwann ist es ein wenig weitergegangen und an der Schule, an der ich auch Abitur gemacht habe, habe ich dann den Lehrer gewechselt und einen Privatlehrer gesucht. Dieser war und ist ein ausgezeichneter Jazzmusiker, der mich ein bisschen angestoßen hat. Ich habe erste Konzerte besucht, und Jazz hat mich immer mehr fasziniert. Ich habe mir CDs gekauft, ich habe mir Konzerte angehört. So hat alles seinen Lauf genommen. Immer wieder wurde ich dabei von meinem Lehrer angestachelt.

Ist es Zufall, dass Du Dir den Kontrabass ausgesucht hast, oder kommt dieses Instrument Deiner Persönlichkeit sehr gelegen?

Das weiß ich nicht, aber irgendwie fühlt es sich gut an. Ich habe vorher auch andere Instrumente gespielt. Im Studium spielt man auch Klavier, aber der Kontrabass hat sich immer so angefühlt, als wäre es das Richtige. Mir hat es auch immer Spaß gemacht, Bass zu spielen. Diese tiefen Töne und in einer Gruppe zu spielen, das macht mir einfach Spaß, auch in der Funktion eines Bassisten.

Waren denn Bassisten auch diejenigen, nach denen Du geschaut hast, als Du Dich intensiver mit Jazz beschäftigt hast? Mingus oder Haden?

Ja, also meine erste CD war eine mit Ella Fitzgerald und Louis Armstrong. Dann habe ich die Glenn Miller Big Band so ein bisschen gestreift, während der Schulzeit. Als ich mich dann wirklich dafür interessiert habe, was der Bassist spielt, dann habe ich mir mal die großen Bassisten angehört und Aufnahmen zusammengesucht. Das stand auch im Mittelpunkt meines Studiums, mich mit einzelnen Bassisten zu beschäftigen: Wann war das und was haben die überhaupt gemacht; haben sie die Rolle des Bassisten überhaupt verändert; was haben die uns hinterlassen; was haben die auf dem Weg der Entwicklung des Jazz-Kontrabasses gemacht. Obgleich ich das im Unterricht mit meinem Lehrer nicht behandelt habe, habe ich das für mich so gecheckt. Eigentlich habe ich auch mit den alten, traditionellen Bassisten angefangen. Oscar Pettifort auch solistisch, Jimmy Blanton, Milt Hinton … Danach habe ich immer weitergeguckt und viel Paul Chambers gehört und Ray Brown natürlich, Ron Carter. Dann habe ich meine Diplomarbeit über Scott La Faro geschrieben. Das war auch ein Wegbereiter und jemand, der eine ganz wichtige Rolle beim Jazzkontrabass einnimmt.

Du hast nie überlegt, auch oder statt des Kontrabasses E-Bass zu spielen?

Ich spiele auch E-Bass, aber das war für mich nie so eine Frage, weil der Sound mir nicht so gefällt. Mir gefällt der Klang des akustischen Kontrabasses besser. Ich komme von der Klassik her und habe das Kontrabassspiel auch immer zweigleisig betrieben.

Du hast auch nie überlegt, wie Eberhard Weber eine andere Art des upright bass zu spielen?

Nee, das hat mich irgendwie nie interessiert. Eberhard Weber ist ja jemand, der einen besonderen Sound auf einem E-Kontrabass entwickelt hat. Dann gibt es noch David Friesen, aber ansonsten gibt es nicht viele, die den besonderen E-Kontrabass einsetzen. Viele spielen Reisekontrabässe, weil sie Probleme haben, sonst zu touren, aber ansonsten kenne ich niemanden, der gerne E-Kontrabass spielt. Eberhard Weber macht etwas Besonderes. Ich kenne sonst niemanden, der außer Weber und David Friesen eine eigene spezielle Sprache hat.

Liegt der Kontrabass Dir, weil er für die Unterfütterung in der Rhythmusgruppe sorgt und nicht die Rampensau ist?

Ja natürlich. Die Position in der Band macht mir Spaß. Ich spiele auch gern mal ein Solo, aber ich höre auch bei Solos gerne zu, wenn ich mit anderen Musikern spiele, und begleite die so, dass ich die pusche und bestmöglichst unterstütze. Das macht mir genauso viel Spaß wie das eigene Solospiel.

Auf Deinen bisherigen Einspielungen findet man afroamerikanische, klassische Standards so wie „My Funny Valentine“. Nach welchen Kriterien hast Du die Auswahl der Stücke vorgenommen?

Ich habe sie danach ausgesucht, ob sie mir gefallen. Eine weitere Überlegung war, wie kann ich die Stücke mit meiner Band umsetzen. Es gibt welche, die eignen sich besser, und andere eignen sich weniger gut. Dann habe ich versucht, durch Arrangements die Stücke für unsere Band zuzuschneidern. Innerhalb der beiden CDs habe ich versucht eine gewisse Bandbreite innerhalb des Straight Ahead Jazz einzufangen und manche Stücke so zu arrangieren, wie sie nicht im Original arrangiert sind.

Was war der Reiz dabei? Ist es vielleicht so, dass ein Bassist ein Stück anders anpackt als ein anderer Instrumentalist?

Der Reiz an den Bassistenstücken? Der Ansatz war eher, ehrlich gesagt, eine grundlegende Idee, die im Prinzip zunächst mal nichts mit Musik zu tun hatte. Die Idee war schlicht, nur Stücke von und für Bassisten auszuwählen.
Bei den Titeln beider Einspielungen, die „Freuden eines Bassspielers“ und die „Geheimnisse des Basses“, hatte ich gewisse Vorerwartungen. Meine Annahme war, dass der Bass eine ganz tragende und entscheidende Rolle bei den diversen Stücken einnimmt.

Der Bass sollte nicht in der Rhythmusgruppe verschwinden, sondern hörbar im Vordergrund stehen, so meine Annahme. Denkst Du, dass das bei beiden CDs umgesetzt wurde oder dass der Bass stets in den Aufnahmen eine sehr zurückgenommene Rolle spielte?

Die beiden CDs und das Programm zielen nicht darauf ab, dass ich jetzt wahnsinnig im Rampenlicht stehe. Es ist schon so, dass im Gegensatz zu anderen Aufnahmen der Bass eine größere Rolle spielt oder mehr Platz für Soli hat oder manche Themen auch anderes konzipiert sind. Ochsenbauer meets Sokal ist keine Band, in der ich versuche, mich zu featuren und mich in den Fokus zu stellen. Meine Intention, das ist so in allen meinen Bands, ist, dass jeder seinen Platz in der Band hat, jeder viel Platz für Soli hat und alle gleichberechtigt sind.

Neben Ochsenbauer meets Sokal spielst Du ja auch in einem Trio mit einem Gitarristen. Was war bei diesem Trio die Idee, die dahintersteht, also die Idee, nicht wieder das klassische Jazztrio wiederaufleben zu lassen?

Ja, den Alex Jung kenne ich schon ganz viele Jahre. Wenn man mit Musikern spielt, die man lange kennt, ist es das Beste, was es gibt, weil man sich halt kennt, weil man die Gewohnheiten des anderen kennt und weil man aufeinander eingespielt ist. Das ist was Tolles. Die CD, auf die Du anspielst, ist mit dem Trompeter John Marshall aufgenommen worden. Alex Jung und ich sind mal auf Aufnahmen des Chet Baker Trio mit Dough Raney zu sprechen gekommen. Von diesen Aufnahmen sind wir beide wahnsinnig fasziniert. Sie haben uns so gut gefallen, dass wir gesagt haben, dass müssen wir auch probieren. Gerade weil wir zu zweit so gut eingespielt sind, hat das super funktioniert. Wir haben dann eine Band ins Leben gerufen, die so ein bisschen den Geist von Chet Baker einfangen soll.

Also ohne Schlagzeug.

Ja, als Chet Baker in Europa war, hat er sehr gerne im Trio mit Doug Raney (guitar) und Niels-Henning Ørsted Pedersen (bass) gespielt. Er hat viele Aufnahmen gemacht und Livekonzerte gespielt, auch manchmal mit Piano und Bass. Schlagzeuglos hat er auf Tour sehr viel gespielt.

Was ziehst Du denn aus Oscar Pettifort und Charles Mingus? Ziehst Du auch etwas aus der Technik des Spiels dieser Bassisten?

Nein, eher den Soul. Die Intention versuche ich einzufangen, ja den Schmäh, den die so hatten.

Immer mehr ist es möglich mit Overdubs und Distortions Instrumente zu verändern. Ich nenne in diesem Zusammenhang Renaud Garcia-Fons, der den Bass benutzt, um eine arabische Laute daraus zu machen. Bist Du diesbezüglich eher Purist?

Ja, ich bin da sehr konservativ. Ich spiele am liebsten unverstärkt und akustisch. Ich mag das nicht. Ich höre das nicht. Ich höre ein Klavier, einen Bass, ein Schlagzeug und Trompete. Ich bin auch kein Fan von Effektgeräten. Ich spiele auch nicht in Bands, die das einbauen. Für mich ist das nicht mein Sound, meine Welt. (Mit einem Lachen) Da bin ich sehr konservativ und traditionell.

Neue Projekte?

Ich freue mich, dass wir mit Ochsenbauer meets Sokal sehr viel unterwegs sind. Wir waren kürzlich in Deutschland auf Tour. Jetzt haben wir ein bisschen Pause. Im Herbst sind wir wieder unterwegs. Nächstes Frühjahr stehen wieder viele Konzerte an. Ich freue mich, dass es mit einem Projekt so gut läuft. Außerdem freue ich mich, dass ich mit solchen Musikern (Anm. Harry Sokal, Mauro Gonzi und Tizian Jost) zusammenspielen kann. Eine Traumbesetzung eigentlich. Auch mit Alex Jung und John Marshall bin ich immer wieder unterwegs. Ich bin ein Freund davon, wenn ich etwas anpacke, es langfristig umzusetzen. Ich mache öfter kleine Touren als Sideman. Jüngst bin ich mit Jesse Van Ruller aufgetreten. Ich versuche aber, meine Projekte langfristig zu positionieren. Jetzt bin ich gerade dabei eigene Stücke für Ochsenbauer meets Sokal zu schreiben. Im Herbst packen wir die an.

Woher stammt die Inspiration für die Eigenkompositionen?

Ich bin kein besonderer Konstruierer beim Komponieren. Ich habe meistens eine Melodie im Kopf. Ich komponiere am Klavier und nicht am Bass. Eine Melodie ist immer mein Ausgangspunkt.

Würdest Du Dich denn in einem Begriff wie Post-Bop wiederfinden?

Ja. Also Beschreibungen sind ja immer ein bisschen schwierig. Wir spielen von Pettifort auch frühe Stücke, aber in einem modernen Kontext und dann wird die Einordnung schwierig. Viele Veranstalter schreiben halt Straight Ahead Jazz.

Ich danke Dir für das Gespräch.

Interview und Fotos: ferdinand dupuis-panther

Informationen

Johannes Ochsenbauer
http://www.ochsenbauer-bass.de

Ochsenbauer meets Sokal
http://www.ochsenbauermeetssokal.de/Ochsenbauer_meets_Sokal/Ochsenbauer_meets_Sokal.html

Video
http://www.ochsenbauer-bass.de/videos/items/tricotism-ochsenbauer-meets-sokal.html


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