David Helbock : Interview mit dem aus Vorarlberg stammenden Pianisten anlässlich des bei ACT erschienenen Albums „Into The Mystic“.

Beteiligt an der Einspielung sind Raphael Preuschl (bass ukulele) und Reinhold Schmölzer (drums).


„Kein Musiker erfindet wirklich etwas ganz Neues. Jeder nimmt Ideen und gibt seine dazu. Dadurch entsteht im Idealfall Spannendes“. So darf ich dich am Anfang des Gesprächs über dein jüngstes Album zitieren und gleich mal danach fragen, welche Ideen du verarbeitet hast. Monk? Beethoven? Und wenn ja in welcher Weise?

DH: Ja, auf „Into the Mystic“ hört man sicher viele Einflüsse von mir durch. Ich habe klassisches Klavier studiert und beim Eröffungsstück (Beethovens 7. Symphonie, 2. Satz) ist dieser Einfluss sicher am stärksten zu spüren. Auf fast jeder meiner letzten CDs habe ich immer zumindest ein Stück dem großartigen Jazzpianisten Thelonious Monk gewidmet. Für „Into the Mystic“ habe ich mich nun mehr von seiner ruhigen Seite inspirieren lassen und eine Ballade mit dem Titel „Spiritual Monk“ geschrieben. Aber mehr noch als musikalische Ideen waren diesmal für das neue Album außermusikalische Dinge Inspirationsquelle für meine Musik, hier im konkreten Fall vor allem verschiedene Geschichten von unterschiedlichen Kulturen und Mythologien.

Gilt die obige Aussage auch für deine bisherigen Alben und in welcher Art und Weise unterscheiden sich diese zur jüngsten Veröffentlichung?

DH: Ich bin ein Musiker, der gerne nach Neuem forscht. Nur ist es eben schwierig in der Musik etwas ganz Neues zu erfinden, mir geht es mehr darum nach für mich persönlich neuen Sounds, Voicings, Spielarten usw. zu forschen. Und natürlich habe ich das auch bei meinen letzten Alben gemacht. Wenn ich also zum Beispiel eine Solopiano-CD mache, wo ich ausschließlich Prince-Songs spiele, ist das zwar für mich nicht neu, weil ich Prince in meiner Jugend natürlich viel gehört habe, dass ich aber seine Songs auf das Solopiano und meine eigene Spielweise reduziere, war damals sehr wohl neu für mich und eine sehr spannende Erfahrung.


„Heutige Jazzmusiker nehmen oft Popsongs als Basis. Aber es ist egal, ob das, was du coverst, seinen Ursprung in Pop, Klassik, Weltmusik oder sonst etwas hat. Es kommt darauf an, was du daraus machst.“ Eine weitere Aussage von Dir, an die es anzuknüpfen gilt.

DH: Zumindest ich mache das gerne so. Ich selber höre Zuhause, wenn ich mal Zeit zum Musikhören finde, sehr wenig Jazz. Wenn Jazz, dann am ehesten Musik meiner Kollegen, die ich auch persönlich kenne und deren Musik mich wirklich interessiert. Ansonsten höre ich viel Klassik, Pop, Musik aus Brasilien oder Afrika, Hip-Hop und vieles mehr. Und wenn mir etwas sehr gut gefällt, mich also wirklich emotional anspricht, dann hole ich das in meine musikalische Welt und deshalb denke ich, hat meine eigene Musik eben so viele Einflüsse von ganz unterschiedlichen Stilen.

Mit „Purple“ hast du dir ja Prince musikalisch vorgenommen. Zum Album schrieb ich in meiner Besprechung: „Nein, nicht irgendeine verjazzte Popversion von Prince-Titeln lag Helbock am Herzen, sondern eher die Reduktion dieser Kompositionen auf ihren Kern, ohne ganz und gar in minimalistische Arrangements abzugleiten. Dass die Wahl für ein Soloalbum auf Bearbeitungen von Prince-Stücken fiel, war naheliegend, denn Prince war Helbocks Jugendidol.“ Siehst Du Dich darin richtig verstanden?

DH: Ja schon, es war mein Ziel die Stücke auf Solopiano zu reduzieren und trotzdem den Geist der Kompositionen zu erhalten. Es ging also weniger darum, die Akkorde und Rhythmen und Melodien möglichst genau nachzuspielen sondern eben mehr den Geist von den Stücken einzufangen. Prince hat mich immer fasziniert, wohl auch, weil er selber als Jazzpianist angefangen hat und später dann als Popstar auch immer wieder Jazzmusiker in seinen Bands engagiert hat.


Begreifst Du Dich eigentlich als musikalischer Geschichtenerzähler, wie im Pressetext zu „Into The Mystic“ zu lesen? Welche Geschichten präsentierst du denn?

DH: Ich finde das ein schönes Bild: musikalischer Geschichtenerzähler. Mir ist bewusst, dass jeder Musik ganz anders erfährt und sicher unterschiedliche, ganz persönliche Geschichten, Gefühle und Bilder entstehen, je nachdem wer meine Musik hört. Ich selber habe mich für das neue Album von unterschiedlichen Geschichten inspirieren lassen, so ist ein Stück dabei, das ich Eros, dem griechischen Liebesgott, gewidmet habe oder ein Stück mit dem Titel „The Soul“, inspiriert von einer alten persischen Geschichte, in der die Seele den leeren Körper belebt, weil sie Musik körperlich erfahren will.

Wieso heißt die Platte eigentlich „Ins Geheimnisvolle“, wenn doch die Bezüge zu Monk und Beethoven sich auf bekannte Komponisten beziehen sowie vier Stücke auf die „Star Wars“-Saga, wenn man so will in die Welt des Außerirdischen, der Science-Fiction und Fantasy? Oder verbindet sich bei Dir mit Mystik auch ein religiös-theologischer Aspekt?

DH: Mir geht es weniger um „geheimnisvolle Friedhofsbilder mit Nebelschwaden“, wie Mystik oft in Esoterikzeitschriften dargestellt wird. Mir geht es mehr um die mystische Erfahrung generell im Leben und auch beim Musikhören. Man kann Musik rational analysieren oder auch auf einer emotionalen Ebene genießen, aber für mich gibt es noch eine Stufe drüber, wo Musik auf eine mystische Weise im Inneren berühren kann. Und genau das hat die 7. Symphonie von Beethoven mit mir gemacht, weshalb ich den 2. Satz an den Anfang der CD stellen wollte. Zusätzlich habe ich dann nach mystischen Elementen in verschiedenen Mythologien gesucht. Denn ein Mythos kann das auch: Er entsteht von diesem inneren Berührtwerden aus und stellt sich dann in Bilderwelten im Außen für die Gesellschaft dar. Hier habe ich viel Joseph Campbell gelesen, der von mystischen Erfahrungen durch die Beschäftigung mit dem Mythos spricht. Joseph Campbell war ein amerikanischer Mythenforscher, der zuerst einmal viele Geschichten von unterschiedlichen Zeiten und Kulturen erforscht und dann auch miteinander verglichen hat und dabei auf Urmythen gestoßen ist, also Geschichten, die sich in ganz unterschiedlichen Kulturen ähnlich entwickelt haben. Und Joseph Campbell war der Lehrer und Mentor von George Lucas - dem Star Wars Erfinder.


Siehst Du in dem jüngsten Album eine weitere Facette deines musikalischen Schaffens, einschließlich des von Dir verfassten Songbooks, oder auch eine musikalische Entwicklung gegenüber Alben wie „Aural Colors“ oder „Think of Two“? Wenn ja, wie würdest du diese umschreiben?

DH: Ich glaube, im Vergleich zu „Aural Colors“ und ganz sicher im Vergleich zu „Think of Two“ ist die neue CD etwas ruhiger geworden. Ich lasse auch mal Akkorde klingen, genieße Pausen und Stille; auch viele Kompositionen sind ruhiger geworden. Das ist sicher eine Facette meines Schaffens, die immer schon da war, bei „Think of Two“ aber auch vor allem durch die fast 30 Instrumente, die wir da verwenden, mehr im Hintergrund war. Jetzt ist das alles etwas reduzierter, vielleicht auch fokussierter geworden.

Das Trio scheint die Form der musikalischen Äußerung zu sein, die Dir sehr gelegen kommt, auch wenn mit unterschiedlichen Musikern und unterschiedlicher Instrumentierung. Stimmt dieser Eindruck und warum ist das klassische Jazz-Trio die Form, in der Du Dich am besten ausdrücken kannst?

DH: Ich würde nicht sagen, dass ich mich im Trio am besten ausdrücken kann. Ich mag kleine Besetzungen, also Solo, Duos, Trios, vielleicht noch Quartett. Hier sind direkte musikalische Gespräche miteinander viel leichter möglich, und es braucht keinen Leiter oder Dirigent, wie bei größeren Besetzungen, der das ganze ordnet.

Natürlich gibt es und gab es schon extrem viele Klaviertrios. Da kann man das natürlich so sehen, dass man es sehr schwer hat, hier nicht gleich wie alle anderen zu klingen. Ich sehe das aber eher so, dass es einfach schon sehr viele musikalische Pfade gibt, die vor uns im Klaviertrio schon beschritten wurden, und wir somit auf einer ganz anderen Ebene anfangen können zu musizieren, weil vieles zwischen Klavier, Bass und Drumset schon irgendwie klar ist. Auf dem kann man dann aufbauen. Ganz anderes ist das bei meiner Band Random/Control, wo ich immer das Gefühl hatte, dass wir aufgrund der besonderen Besetzung, die es so nicht wirklich schon gibt, etwas Neues entwickeln und quasi immer wieder bei Null anfangen mussten.


In Deinem aktuellen Trio ersetzt die Bassukulele den klassischen akustischen Bass. Warum? Welche Klangfarben kannst du damit in Verbindung mit deinem sehr energetischen Klavierspiel bzw. Saitenspiel damit erzeugen? Hast Du nicht das Klavier auch präpariert wie bei Beethovens 7. Sinfonie? Welchem Zweck dient dies?


DH: Ich präpariere das Klavier sehr selten. Einfach weil ich viel zu viel Respekt vor dem Klavier habe. Ich will es fordern, ihm aber nicht mit Präparationen, wie Schrauben, Nägel usw. wehtun. Wenn ich also präpariere, dann ganz sanft, mit vielleicht einem Blatt Papier auf den Saiten oder wie im Fall des Beethoven-Stücks, mit einem Schal auf den Saiten. Ansonsten verwende ich immer meine Hände, um Saiten zu dämpfen oder Obertöne zu erzeugen. Dieser abgedämpfte Saitensound hat sicher viel mit der Bassukulele gemeinsam. Das ist ein kleines, vielleicht ein Meter langes Instrument, hat aber dicke Plastiksaiten und ist somit gleich tief gestimmt wie ein Kontrabass. Da die Saiten aber natürlich viel kürzer sind, klingen sie nicht so lange nach und der Sound ist für meine Ohren also viel perkussiver und kürzer, was eben gut zu meinen abgedämpften Saiten und zu meiner doch eher rhythmischen Spielweise passt.


Auch in „The Soul“ hatte ich den Höreindruck, dass durch Präparationen welcher Art auch immer die Basslastigkeit deines Spiels noch betont wurde? Zumindest hat man den Eindruck, dass das Schwingen der Saiten durch Dämpfen der Hämmer verändert wird.

DH: Nein, die Hämmer kann man nicht dämpfen. Die Hämmer beim Klavier kann man intonieren, also weicher oder härter machen; das ist aber Aufgabe des Klavierstimmers, der in die Hämmer reinstechen kann und so die Hämmer und somit gleichzeitig den Klaviersound weicher machen kann. Bei „The Soul" dämpfe nur manchmal die Saiten mit den Fingern und je nachdem wo ich das mache, bekomme ich unterschiedliche Obertöne und so unterschiedliche Sounds.

Was fasziniert dich an Monk, dem Du „Spiritual Monk“ gewidmet hast? Das teils verschleppte „Plink, Plank, Plonk – Monk“, also eine bestimmte Spielauffassung, die typisch Monk ist? Und warum sind es nicht Oscar Peterson, Bill Evans, Erroll Garner oder andere Pianisten die eine ähnliche Faszination auf Dich haben?

DH: Monk hatte einen sehr eigenständigen Stil. Man hört 3-4 Noten von Monk und erkennt sofort, dass es nur er sein kann. Das hat mich immer fasziniert. Das gilt aber nicht nur für seine Spielweise am Klavier, sondern auch für seine Kompositionen. Stücke wie „Round Midnight“, „Raise Four“, „Think of One“, „Pannonica“ und viele mehr erkennt man sofort als Monk-Stücke. Das hat sicher mit seiner Auswahl von bestimmten Motiven, Intervallen und Rhythmen zu tun, mehr aber noch mit seinem Improvisationskonzept. Viele Jazzpianisten, so auch oft die von dir genannten, spielen ein Thema eines Stückes und dann packen sie ihre Lines aus, um über die Akkordfolge des Stücks zu improvisieren. Monk ist da anders: Wenn er improvisiert, spielt er viel mehr mit dem Thema des Songs, variiert es vielleicht nur leicht, was seiner Musik eine ganz spezielle Qualität gibt.


In welcher Art und Weise war und ist die opulente Filmmusik zum „Krieg der Sterne“ eine Herausforderung für Dich?

DH: Wie oben schon geschrieben, haben mich mehr die mythologischen und mystischen Querverweise in der Geschichte von „Star Wars“ fasziniert als die Filmmusik an sich. Joseph Campbell beschreibt z. B. die Heldenreise, wie sie in viele Mythen vorkommt und das hat George Lucas brillant in „Star Wars“ eingearbeitet. So reichen die ganzen Laserschwerter und Raumschiffe und andere technische Erfindungen nicht; ein Held muss auf seine Intuition hören, muss zu sich selber finden, an seinem Innersten arbeiten oder ,eben wie in Star Wars, die „helle Seite der Macht“ in sich kultivieren.

Ich danke für das Gespräch.

Interview und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther


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CD Into The Mystic ACT 9833-2
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